Ich besitze den PolyBrute jetzt schon eineinhalb Jahre. Bis jetzt habe ich immer aus Spaß gespielt und mich im Soundscape verloren. Erst im letzten Monat habe ich richtig angefangen Lieder mit dem PolyBrute zu machen, weswegen ich jetzt diese Bewertung schreibe. Es macht wirklich Irre viel Spaß auf dem Ding herum zu klimpern. Man hat so viele Möglichkeiten mit dem PolyBrute zu interagieren. Der Ribbon ist cool, der Morphee macht intuitiv viel Sinn, und die Tatsache dass man mit der Modmatrix fast jeden Knob modulieren kann ist schon echt krass.
Er ist der einzige Flagship Synth in dieser Preisklasse, den ich besitze. Beachten Sie das bitte, wenn ich den PolyBrute gleich mit anderen Synths vergleiche. Er ist kein Prophet. Er ist auch kein Jupiter oder Juno. Der Sound hat einen ganz eigenen Character. Das muss nicht bedeuten, dass der Sound schlecht ist. Nein, es bedeutet eher, dass man etwas komplett Neues bekommt. Es ist schwerer klassische Synth Sounds zu produzieren, aber dafür hat man sehr viel Kontrolle über den Sound. Die mächtigsten Werkzeuge hier sind die Modmatrix und der Morph Knob.
Wie bereits beschrieben, kann man mit der Modmatrix fast jeden Knob modulieren. Damit ähnelt der PolyBrute mehr einem Modularen Synthesizer. Man kann sogar die Effekte modulieren. Somit sind die Effekte nicht etwas, welche nachträglich auf einen Patch draufgehauen werden, sondern sie sind Teil des Patches und dem Instrument als Ganzes. Die Effekte sind Dank der Modmatrix so zentral im Patch integriert, dass ich mir den PolyBrute ohne Effekte gar nicht vorstellen kann.
Jeder Patch besteht auch aus zwei Seiten A und B, und der Morph Knob erlaubt es zwischen den beiden zu interpolieren. Das bedeutet NICHT dass man sich ein Signal aus zwei mischt, wie man es bei einem Mixer gewohnt ist, sondern alle Knobs nehmen Werte zwischen der A und B Seite ein. Die Mathematik die das ermöglicht ist etwas kompliziert, aber den Morph zu benutzen ist erstaunlich simpel. Meiner Meinung nach ist der Morph Knob DAS Killer Feature: Man kann sogar zwei komplett unterschiedliche, bereits existierende Patches auf A und B legen, und dann zwischen den beiden Morphen. Und diesen „Zwischen-Patch“ kann man dann wieder speichern, auf A legen, dann auf B einen dritten Patch legen und dann wieder Morphen. Man kann so relativ schnell sehr viele Sachen ausprobieren. Die Macht die man über den Sounddesign hat ist immens.
Leider geht das Gerücht im Internet herum, dass der PolyBrute sehr dünn klingen würde. Das will ich hier mal debunken. Die Factory Presets bestehen hauptsächlich aus atmosphärischen Pads, und die einzelnen Bass Sounds die man bekommt sind tatsächlich nicht der Brüller. Und Tatsache ist, dass viele YouTube Videos genau diese Presets demonstrieren. Aber der PolyBrute kann auch fett und dreckig. Er ist nicht so ungezähmt wie die kleineren Brutes, aber mit dem Brutefactor des Steiner Filters, der Distortion des Ladder Filters, Noise, Sync, FM und Chorus kann man schön böse und weite Sounds erzeugen. Ich liebe es. Ich schiebe die Schuld für das Gerücht auf die Designer der Factory Presets.
Ich will aber auch einen negativen Aspekt ansprechen, mit dem Ich mich auseinandersetzen musste. Nach ca. einem halben Jahr hat sich der VCA des Steiner Filters so verstimmt, dass einer der 6 Stimmen im linken Ohr kein Signal produzierte. Sprich: Jede sechste Note die Ich spielte, habe ich nur im rechten Ohr gehört. Ich habe Arturia kontaktiert, und es gab ein vor und zurück unter Emails. Letzten Endes lag das Problem daran, dass der PolyBrute sich aufwärmen muss. Und um speziell die VCAs der Filter zu stimmen, musste ich extra einen Debug Modus einschalten, der nicht im Handbuch dokumentiert ist! Das Problem war nicht von heute auf morgen gelöst, und musste die VCAs immer wieder neu stimmen. Der Support war erste Klasse und nach ein paar Monaten scheint der PolyBrute sich „eingestimmt“ zu haben, also heute habe ich das Problem nicht mehr. Vielleicht sind solche Stimmprobleme auch normal für analoge Synths dieser Größe. Wie bereits gesagt ist das mein einziger Flagship Synth, und habe daher keinen Vergleich. Aber das Problem hat mir so viel psychologischen Schaden verursacht, dass ich den PolyBrute jetzt immer über die Nacht anlasse, wenn ich am nächsten Tag Musik machen will. Es ist dieses Problem, warum ich dem PolyBrute unter „Verarbeitung“ einen Stern Abzug gebe.
Am Ende will ich noch PolyBrute Connect ansprechen, ein VST welches direkt mit dem PolyBrute kommuniziert. Die Idee ist ganz cool, aber es kommt ab und zu doch zu Kommunikationsproblemen. Vor allem das synchronisieren von Patches scheint unzuverlässig zu funktionieren. Aber ich habe selten Verwendung für das VST, da ich tendiere statische Patches zu designen, die ich selten mit Automations in meiner DAW modulieren will. Ich nutze das VST somit fast ausschließlich als glorifizierte MIDI-Schnittstelle.
Also, alles noch einmal zusammengefasst: Die Bedienung ist erste Klasse und macht sehr viel Spaß. Der Sound ist einzigartig, flexibel, und ich liebe ihn. Es gab für kurze Zeit Stimmprobleme, aber diese waren lösbar und heute läuft alles glatt.