Wenn mir jemand erzählt hätte, dass am Ende meiner wochenlangen Suche nach einem unbedingt polyphonen analogen Synthesizer der Kauf eines komplett digitalen Gerätes stehen würde... ich hätte wohl „Mumpitz“ gerufen.
Und doch habe ich den Hydrasynth gekauft, bin überglücklich mit meiner Entscheidung und habe das Thema „Analog vs. Digital“ hinter mir gelassen. Beide Konzepte bieten einzigartige Möglichkeiten, existieren parallel und komplettieren sich gegenseitig. Und zum Glück habe ich jetzt auch beides zuhause.
Hier das wesentliche:
Pro:
Signalpfad und Zugriff sehr übersichtlich
Räumlicher Klang und enorme Klangpalette
Ausdrucksstärke durch polyphonen Aftertouch
Arpeggiator mit Ratchet Funktion
Gute englische Betriebsanleitung
Übersichtlichkeit
Vielfalt an Möglichkeiten
Hochwertige Haptik
Gut ablesbares Display
Übersichtlicher Preset Manager
Simple Update Software
CV In/Out
Makros
Qualität der Effekte
Das wichtigste für mich an einem Synthesizer ist, ob ich Spaß dabei habe, ihn zu benutzen oder nicht. Der Hydrasynth ist nicht nur ein Klangerzeuger, er ist ein Instrument. Der polyphone Aftertouch gibt ihm eine Ausdrucksstärke, die ich bis jetzt bei keinem Synthesizer erlebt habe. Man adaptiert diese Funktion sofort und ich befürchte, dass sie mir bei anderen Geräten noch oft fehlen wird.Der Hydra hat ein beachtliches Gewicht von gut 10 Kg. Nach dem abschrauben der Seitenteile sieht man, dass im Hydra noch weniger drin steckt als in einem analogen Gerät. Das ergibt natürlich bei einem digitalen Synthesizer auch Sinn, immerhin gibt es kaum physikalische Bauteile neben Reglern und Tastatur. Hier ist die Software König. ASM haben aber gut daran getan, das Gehäuse so schwer zu bauen wie es ist, dadurch wirkt der Hydra nicht wie ein Spielzeug und steht absolut stabil.
Gleichzeitig ist der Hydra klanglich so wandelbar, dass man wohl jeden Sound damit erschaffen kann, sobald man die Klangerzeugung und vor allem die Tiefe der Modulationsmatrix verinnerlicht hat. Bis jetzt bin ich noch nicht einmal zum Klangschrauben gekommen, sondern habe mich in den Werkspresets sowie den kostenlos herunterladbaren Bänken verloren. Von letzteren gibt es bis jetzt zwei direkt auf der ASM Webseite.
Da ich bereits gute monophone Synthesizer besitze lag mein Fokus beim Hydra vor allem bei seiner Mehrstimmigkeit. Die Presets bieten bereits eine große Bandbreite an Sounds an, von Bladerunner über Glocken und Hammond artiges, fette plastische Bässe, Sequencen, FM Sounds etc. Hier scheint alles möglich zu sein. Durch den logischen und übersichtlichen Aufbau ist man schnell da, wo man hin möchte. Die Taster von LFOs und Envelopes pulsieren in ihrem individuellen Tempo und man weiß mit einem Blick, was da unter der Haube abgeht. Ganz großes Kino.
Contra:
Kein Sequencer
Finden/Sortieren von Presets
Externes Netzteil (wenn auch sehr kompakt und gelabelt!)
Tastenmaterial sehr dünn
Tasten etwas wackelig
Ribbon Oberfläche
Ribbon Spielverhalten etwas spielzeughaft
Was sich noch zeigen muss ist, wie die Hardware sich über die Zeit schlägt, zumal es mit ASM noch keine Langzeiterfahrungen gibt. Die Tastatur macht nicht den besten Eindruck, was das angeht bin ich aber auch verwöhnt. Grundsätzlich spielt sie sich gut und flüssig, das Material ist aber sehr dünn und dürfte nicht viel aushalten, also: Lieber nichts drauf fallen lassen. Nicht, dass man sich sowas vornehmen würde...
Das Ribbon überzeugt mich aktuell noch eher wenig, auch wenn ich die Option toll finde. Besonders interessant ist für mich die Theremin Option, bei der man parallel zur Tastatur auf dem Ribbon spielen kann. Diese ist leider nicht vom Hauptsound abzutrennen. Zwei komplett verschiedene Klänge über Tastatur und Ribbon abrufen zu können wäre die Krönung. Vielleicht kommt das ja noch durch kommende Updates zustande. Das Ribbon „spielt“ sich eher mittelmäßig, da die Oberfläche sich wie einfaches Plastik anfühlt und man nicht gut mit dem Finger darüber gleiten kann. Auch ist die Tonhöhenerkennung nicht so besonders. Vielleicht verbessert sich das aber noch durch Übung und auch das Menü bietet noch ein paar Optionen für das Ribbon an.
Die Presets sind wild durcheinander gemischt und bis jetzt habe ich keine Möglichkeit gefunden, sie nach Genre zu sortieren, was massiv helfen würde. Der Hydrasynth Manager ist allerdings, wenn auch simpel aufgebaut, gut gemacht und man kann sich nach und nach eigene Bänke aufbauen.
Mein Fazit: In meiner engen Auswahl waren MFB Synth Pro, Sequential Prophet Rev 2 und Korg Prologue. Am Ende war es dann eindeutig der Hydrasynth als Keyboard Version und das Geld ist sehr gut angelegt. Der Hydrasynth ist ein ganz großer Wurf, ein echtes, ausdrucksstarkes Instrument, das alles aus seiner digitalen Natur herausholt. Es ist eine Kreativmaschine, die dem geneigten Klangschrauber immer wieder noch eine Ebene und noch eine Modulationsquelle an die Hand gibt. Was ich mir für die Zukunft wünsche, ist eine bessere Sortierung der Presets und eine Software, um am Rechner Sounds zu schrauben und die bombastische Klangerzeugung noch zugänglicher zu machen.