Ich war schon dran, ein extreeem böses und sarkastisches Review zu schreiben... konnte mich aber gerade noch zurückhalten. Stattdessen hier nun ein etwas anderer Ansatz, und zwar einfach Logbuch meines Antestens, quer durch diverse Genres...ich habe versucht, fair zu bleiben, was mir wirklich viel Selbstbeherrschung abverlangt hat. Here we go:
MADONNA - LIKE A PRAYER
Klingt nicht wie Madonna sondern wie eine Casting Performance Erste Runde DSDS, als würde jemand versuchen, Madonna zu imitieren. Dieser schmale Grat zwischen Dilettantismus und mesmerisierendem Charisma, der Madonna zu dem Phänomen gemacht hat, das sie ist, geht völlig verloren. Wo ist die Erotik? Wo ist die Verletzlichkeit? Ich bin total weit entfernt von der Performance, empfinde nichts. Wenn die ersten Snare-hits dann einsetzen klingt es als würde jemand auf nem Blecheimer rumkloppen. Synthbass klingt wie von dem billigsten 2-Operator FM Synth. Überhaupt keine Räumlichkeit, keine Trennung der Instrumente, kein Groove, kein Punch. Furchtbar.
Zwischennotiz: Es fällt mir schwer, mich zu überwinden, gute Tracks anzuspielen, ich habe Angst, sie danach nicht mehr zu mögen...
PAT BENATAR - LOVE IS A BATTLEFIELD
Normalerweise müsste man sofort das extreme Verlangen verspüren, auf die 2 und die 4 mindestens mit dem Kopf zu nicken, wenn nicht gar aufzuspringen und extrem peinlich disco mäßig abzudancen...aber hier? Passiert gar nichts. Moved mich null. Again, die Trennung, in diesem Fall vor allem zwischen der Drum/Bass-Section mit ihrem stoischen, repetitiven Disco-beat und den darum herum arrangierten instrumentalen Einwürfen und Soundeffekten, ist überhaupt nicht vorhanden. Dieser geniale Mix verkommt hier zu einer lächerlichen Anfängernummer mit OKen Vocals...
SADE - SMOOTH OPERATOR
HiHats und Shaker tun richtig weh im Ohr, auch Sade's Stimme verblüfft durch stechende Sibilances und eine völlige Abwesenheit ihres berüchtigten sonoren Fundaments. Alles ist zusammengequetscht in so einen merkwürdigen Space in dem alles 50L/50R gepannt wirkt. Wo sind die hard-center Elemente? Die X55 schaffen es tatsächlich, einen der besten Songs und Mixes der Popgeschichte zu butchern... Das muss man erst mal hinkriegen!
DIE ANTWOORD - HEY SEXY
Ninja klingt als hätte er ein Blatt Papier VOR dem Mund und ein zweites zusammengeknüllt und halb zerkaut DRIN. Der Beat klingt wie von nem 12 jährigen auf ner Handy App zusammengeschraubt: Schon irgendwie cool gedacht aber inkompetent umgesetzt. Ninjas 50kg Cojones schrumpfen auditiv auf n Erdnüsschen zusammen...keine Power, keine Subversion, ist hier ne Lachnummer. Omg....weiter geht's...
ALICIA KEYS - DIARY
Piano klingt mono. Ich hör die rimmy-snare nicht, die geht komplett unter. Im Chorus werden die Vocals regelrecht begraben unter einem Brei aus undefinierten Piano Notes - jeder Producer der ein Song Layout in dieser Form hört würde sagen, nette Idee, aber muss umarrangiert werden.
GIDON KREMER plays PIAZZOLLA - OBLIVION
Ich habe keine Gänsehaut. Ich bin extrem weit weg von den Instrumenten. Weite und Dynamik fehlen. Der Kopfhörer bietet mir nichts im Tausch gegen seine shortcomings: Höre ich neue Details, die andere, möglicherweise überzeichnende, Kopfhörer übergehen? Nein. Wieder klingt alles extrem Breiig...sowohl frequenzmäßig als auch räumlich. Instrumente klingen nicht unbedingt verfälscht, aber extrem undefiniert, wie im Nebenraum, oder wie durch zwei dicke Moltonvorhänge.
PHILLIP GLASS - ATTACK AND FALL
Bläser klingen extreeeem weit weg, wie auf einem Berggipfel 2km entfernt. Alles ein Brei, keine Trennung. Im Ansatz klingen die Mitten jetzt auch tatsächlich verfälscht und verfremden die Instrumente. Das Stück ist jetzt nur noch absurd und langweilig, weil die Nuancen fehlen, die das monotone Staccato erträglich bzw sogar spannend machen sollten. Jetzt kommen die Pauken(?) dazu und klingen wie ganz schlechte Billigsamples. Anstatt groß, episch, angsteinflößend klingt hier alles klein, spießig und lächerlich.
Okay, an diesem Punkt habe ich einfach keine Lust mehr. Was sich Austrian Audio hier gedacht haben ist mir absolut schleierhaft. Soll das ein schlechter Witz sein? Ist das wirklich Ernst gemeint? Würde ich den Kopfhörer blind testen und jemand sagte mir, dass es ein 20 EUR Hama Teil von Media Markt ist, würde ich das sofort glauben.
Meine Ohren sind erschöpft, können nicht mehr und wollen nicht mehr. Nehmen wir mal spaßeshalber an, das was aus diesen Dingern rauskommt *wäre* die Realität (it's not...), und die ganze Musikgeschichte muss quasi neu geschrieben werden...würde ich so arbeiten wollen? Soll das mein Leben als Musiker, Produzent oder Engineer sein? Nee, dann werde ich lieber Fleischer oder Gerichtsvollzieher als mich mit diesen Dingern zu malträtieren.
Was bleibt ist (wieder mal) die Erkenntnis, dass man sich nicht von Marketing und schickem Design blenden lassen sollte. Kann ich diese Kopfhörer irgendjemandem empfehlen? Eindeutig nein. Mir fällt keine Verwendung und auch keine Geschmacksverirrung ein, für die dieses Produkt auch nur im Ansatz einen Mehrwert darstellen könnte. Und dafür dann auch noch 300 EUR??...das grenzt schon an Betrug.
Sorry Thomann, X55s don't fly...