Ich bin kein Fanboy von Bose sondern ein eher kritischer Geist, genauer gesagt mochte ich diese Marke irgendwann nicht mehr, die scheinbar mehr Wert auf Design als auf Klang legte. Der Fall der Marke begann für mich mit der Acoustimass-Serie sowie auch der 701, die zwar beide nicht im PA- sondern Hifi-Bereich verortet sind, jedoch sehr deutlich gezeigt haben, wohin die Reise geht: Exzellentes Design für horrendes Geld bei mittelmäßiger Klangqualität, wobei gravierende klangliche Defizite elektronisch kompensiert werden. Bose begeht dabei meines Erachtens auch – übrigens bis heute – einen Marketingfehler: Sie bauen gelegentlich für Messen eine Box mit der Möglichkeit, das Innenleben zu bestaunen. So staunt man auch nicht schlecht, wenn man die komplexen Gehäuseformen sieht, welche Wege Schall und Luft nehmen und wie aufwändig Bedämpfung und Strömungsoptimierungen betrieben werden. Man sieht aber leider auch die Chassis – meines Erachtens der große Fehler, der mir schon bei der Acoustimass als auch bei der 701 zeigte, warum sie matschig und drucklos klang, auch wenn sie laut war.
Erste Lichtblicke erhielt ich mit der Soundlink-Serie von Bose, die als kleiner Brüllwürfel für Grillpartys Unglaubliches für ihre Größe ablieferte und ich beschloss, der Firma mit der hier rezensierten 812 nochmal eine Chance zu geben.
Ausschlaggebend war für mich der echte Linearray-Charakter des Systems in kompakter Form, der den Effekt „vorne fallen allen die Ohren ab, aber hinten unterhält man sich auch noch gut im Flüsterton“ beseitigt. Es gibt zwar auch Säulensysteme diverser Hersteller, diese sind aber meist nicht verstellbar und natürlich nicht so kompakt und flexibel einsetzbar. Und hier, das muss man wirklich sagen, hat Bose seine Hausaufgaben gemacht. Die 8 Speaker je Box sehen zwar gewohnt billig aus, leisten für ein Konus-Mittelhochtöner aber echt Beachtliches. Dass hier kein Horn zum Einsatz kommt, senkt zwar potentiell den Schalldruck, aber das kompensiert die Box durch die schier große Anzahl an Treibern. Und das sorgt dann auch für ein Abstrahlverhalten, von dem man bei einem einzelnen Horn nur träumen kann. Bose schafft hier meines Erachtens den Spagat, einer PA-Box Hifi-Gene zu verpassen. Die 812 klingt absolut unaufdringlich und luftig hifimäßig, kann das aber eben auch richtig laut tun, auch wenn sie zugegeben klanglich mit einer richtigen Hifi-Box nicht mithalten kann. Aber das soll sie auch gar nicht, sie gehört schließlich ins PA-Segment, und dort spielt sie für mein Empfinden klanglich ganz vorn mit. Es ist schon echt brutal, was da aus den Konus-MHT-Speakern raus kommt, gnadenlos sauber und dennoch brachial, selbst wenn man neben der Box steht.
Die Box lässt sich auch Fullrange betreiben, klingt da allerdings unten herum etwas dünn, für meine Begriffe etwas zu dünn im Vergleich zu anderen Fullrange-Boxen mit 12“ Chassis. Für mein Empfinden macht ihr hier sogar die theBox-Hausmarke von Thomann noch etwas vor. Warum ist das so? Ein Blick in ein Messemodell (Wir erinnern uns an den Marketingfehler von Bose bei der Acoustimass) bringt es an den Tag: Ja, es steckt ein 12“ Speaker drin, aber scheinbar von der einfachsten Sorte. Winziger Magnet, Stahlkorb aus Trompetenblech, dünne Spule und eine Sicke, die sicher keinen besonders großen Hub zulässt. Das wäre sicher angesichts des stattlichen Volumens anders gegangen, aber man möchte ja auch noch seinen F1-Sub verkaufen. ;-)
Den habe ich übrigens absichtlich nicht erworben. Warum? Schlecht ist er sicher nicht und optisch sieht das komplett gestackte System, wie von Bose gewohnt, echt gut aus. Aber ich bin kein Freund von Systemen, wo der Sub als Fuß für das Topteil dient, trotz schicker und aufgeräumter Optik, da eine solche Anordnung (meist mittig irgendwo im Raum oder auf der Bühne) akustisch fast immer zulasten eines anständigen Wirkungsgrades im Bassbereich geht. Das muss man dann meist durch viel Leistung oder noch mehr Subs kompensieren. Für mich haben sich gestackte Subs, die den Horneffekt eines Raumes gut ausnutzen (sofern möglich), bewährt. Und da fällt der F1 nun mal raus. Erstens lässt er sich nicht mit einem anderen F1 stacken und zweitens ist er schon durch den mitgelieferten und angesteckten Montagebügel quasi dazu verdammt, als Fuß für die 812 herzuhalten.
Bei mir tun es weiterhin, man möchte es kaum glauben, zwei preiswerte gestackte Subs „the box pro Achat 112 Sub A“, die ein so unglaubliches Fundament für ihre Größe liefern, dass ich sie gar nicht voll ausfahren kann, da es sonst zu unangenehm für das Publikum drückt.
Die 812 landet somit bei mir auf herkömmlichen Stativen. Hier aber Achtung, gerade wenn man sie allein montiert: Durch den sehr eigenwilligen Aufnahmeflansch und die fehlenden Seitengriffe muss man wirklich aufpassen, dass das Stativ exakt passend einrastet, sonst wird es schnell teurer als geplant.
Fazit: Endlich ein kompaktes verstellbares Linearray, auch wenn hier sicher nicht der Anspruch erhoben wird, mit einem echten Linearray mithalten zu wollen. Aber die Charakteristik ist definitiv seht gut ausgeprägt und erhöht somit die potentielle Hörerzahl im Vergleich zu einer herkömmlichen Fullrange-Box nochmal um einige Hundert.
Nachtrag: Auch bei mir, wie auch schon bei einem anderen Rezensenten vor mir, ist schon relativ schnell (beim ersten richtigen Gig) am Anfang der untere Haltemagnet bei einer Box ausgefallen. Die Array-Einstellung "J" war somit nicht mehr möglich, da kein Einrasten mehr möglich war. Es scheint sich hier um einen "beliebten" Fehler bei dieser Box zu handeln, was in dieser Preisklasse nicht so oft vorkommen sollte. Scheinbar ist dieses Konzept noch nicht ausgereift.
Glücklicherweise war es auch bei mir kein Problem, da Thomann sehr kundenorientiert und schnell ist und das Problem innerhalb einiger Tage beheben konnte.