Ich habe mir den VE-8 schicken lassen, weil ich hoffte, dass er gegenüber der Konkurrenz mehr auf das Wesentliche reduziert und mit seinen 10 Drehknöpfen intuitiver zu bedienen ist. Das hat sich teilweise auch bestätigt, allerdings erkauft man sich das mit einer umständlichen Bedienung der "verborgenen" Features. Immerhin ist es gut, dass man fast alles konfigurieren und auf 50 Speicherplätzen abspeichern kann. Für Singer-Songwriter ist das eingebaute Interface und der Batteriebetrieb mit 6 AA-Zellen (Akkus oder Alkali) ein Argument, so dass man ein kleines mobiles Studio bekommt.
MIXER:
Der VE-8 hat 3 mischbare Eingänge, je einen für Mikrofon und Gitarre und noch einen Stereo-Miniklinken-Aux-Eingang für Zuspieler. Durch 3 separate Stereo-DA-Wandler hat man insgesamt 6 analoge Ausgangskanäle (2x XLR, 2x Klinke, 1x Stereo Miniklinke Headphone) und man kann sowohl die Einzelsignale mono ausspielen als auch den Stereo-Mix mit oder ohne Hall. Der Aux-Eingang kann auch direkt auf den Kopfhörer geroutet werden. Der Headphone Out ist separat in der Lautstärke einstellbar.
MIKROFON:
Ich habe den VE-8 mit diversen dynamischen und Kondensatormikrofonen getestet. Die gemessene Phantonmspeisung betrug 47 Volt auch bei Batteriebetrieb. Die Mikrofonempfindlichkeit ist mit einem kleinen Trimmpot rückseitig regelbar und reichte für alle getesteten Mikrofone aus. Bei komplett ausgeschalteten Effekten (inklusive noise gate) klingt das Mikrofonsignal sauber, ziemlich rauscharm und ohne tonale Einschränkungen. Leider ist der Eingang nicht besonders übersteuerungsfest. Das noise gate lässt sich leicht einstellen und arbeitet dann fast unmerklich. Hintergrundgeräusche werden gut unterdrückt. Allerdings sollte man die Einstellung anpassen, wenn man das Mikrofon wechselt. Ebenfalls etwas versteckt findet man mithilfe der Anleitung einen gut klingenden Dreiband-EQ mit voll parametrischen Mitten, das ist super!
VOCAL EFFECTS:
Mit dem ENHANCE-Regler stellt man den Kompressor ein, der ebenfalls fast unmerklich aber doch wirkungsvoll eingreift und schwankende Mikrofonabstände ausgleicht, ohne dass das Signal dadurch dumpf wird oder an Präsenz verliert. Mit dem CORRECT-Taster kann man verschiedene Stufen der Tonhöhenkorrektur wählen. Auch diese greifen eher sachte ein. Mit REVERB kann man zwischen vier Hallräumen wählen, die alle brauchbar sind, aber nicht ganz an die versprochene Studioqualität heranreichen. Außer einer Höhenblende gibt es keine Einstellmöglichkeiten. Für HARMONY gibt es zwei Knöpfe: TYPE und LEVEL. Die Effekte ELECTRIC, DISTORTION und RADIO sind für mich eher Ballast. Der "Cher"-Effekt funktioniert nicht wirklich gut. Immerhin ist die DOUBLE-Funktion ganz brauchbar, sie fügt der Stimme eine kurze Verzögerung hinzu.
Gut finde ich die 5 HARMONY Efekte, nur leider fehlt eine Anleitung, wie man sie richtig einsetzt. Prinzipiell ergänzt das Gerät den gesungenen Ton wahlweise um eine Terz höher oder tiefer, oder beides gleichzeitig. Das Ergebnis ist dann ein Dreiklang. Statt eine Terz tiefer kann man auch eine Sexte höher wählen, was den gleichen Ton ergibt, nur 1 Oktave höher. Auch beides gleichzeitig ist möglich. Geil ist der Harmony-Fußschalter, den man so einstellen kann, dass die Harmoniestimmen nur erklingen während man drückt.
Es gibt 2 Möglichkeiten: Entweder man stellt die Tonart fix ein, oder man lässt das Gerät die Tonart wählen durch Analyse der Gitarrenakkorde. Bei fixer Tonart wählt das Gerät immer Töne aus der eingestellten Durtonleiter. Wählt man zum Beispiel die Einstellung high & low und singt als Melodieton ein C, so kommt ein A-Moll-Akkord raus (A-C-E), egal ob man als eingestellte Tonart C, D, F, G, oder A wählt, was man vielleicht nicht erwarten würde. Das liegt daran, dass diese Tonarten alle die Töne A und E beinhalten. Stellen wir als Tonart hingegen Eb, Ab, Db, Gb oder H-Dur ein und singen ein C, so kommt Ab-C-Eb raus, also ein As-Dur Akkord, weil diese Tonarten die Töne As und Es enthalten. Ob der Ton C enthalten ist, spielt bei diesen Beispielen keine Rolle, denn diesen Ton singen wir ja selbst... Lediglich 2 Tonarten liefern andere Akkorde: bei Bb kommt A-C-Es raus, also ein verminderter Dreiklang, und bei E-Dur kommt Gis-C-E raus, also ein übermäßiger Dreiklang. Fazit: Wenn man Lieder mit komplizierteren Akkordwechseln hat, muss man genau überlegen, welche Tonart man einstellt.
Statt die Tonart vorzuwählen, kann man auch die Gitarrenakkorde als Harmonievorgabe wählen, allerdings funktioniert das nur mit etwas Verzögerung, denn der Gitarrenakkord muss ja zuerst analysiert werden. Bei schnellen Akkordwechseln und komplizierten Akkorden funktioniert das nicht immer optimal.
GITARRE:
Der Gitarreneingang klingt offen, warm und druckvoll, hat ausreichend Verstärkung auch für single coil pickups und ist hochohmig. Rauschen ist kein Thema. Verzerrung oder Amp Modeling gibt es aber nicht. Zur Klanganpassung gibt es ein Notch-Filter mit Phasenumschaltung und eine Body Resonance Simulation, die dem Gitarrensignal eine Eigenresonanz in der Gegend von 180 Hz und ein ganz kurzes Delay hinzufügt. Nützlicher finde ich den komfortablen Dreiband-EQ, den man mithilfe der Anleitung findet.
Mit REVERB kann man unter vier Halleffekten auswählen, die zwar brauchbar klingen, aber nicht spektakulär. Auch sind die Bezeichnungen irreführend: Mit Rm (Room) wird zum Beispiel ein Federhall ausgewählt. Einstellbar ist wiederum nur der Höhenanteil des Halls und das nur für alle 4 gemeinsam. Mit CHORUS und TYPE kann man zwischen 8 Effekttypen wählen, die in 3 Gruppen zusammengefasst sind, die kombiniert werden können. Die erste Gruppe umfasst Chorus, Phaser und Vibrato (Speed nicht unabhängig einstellbar). Außerdem gibt es ein Tap-Delay, das zusammen mit Chorus und Reverb verwendbar ist. Die anderen Effekte sind für mich mehr oder weniger überflüssige Dreingabe, bis auf den slow gear Effekt, der einen langsamen Attack erzeugt. Die Effekte kann man sich anhören, wenn man die Presets 1 - 50 durchsteppt.
LOOPER:
Der Looper kann eine Stereo-Spur mit 80 Sekunden aufnehmen und overdubben. Das ist zwar nicht viel, aber die Bedienung ist super einfach, das Mischungsverhältnis ist leicht einstellbar, und auf Knopfdruck nimmt er nur Gitarre, nur Mikrofon oder beides auf. Insgesamt reicht das für 80 % meiner Bedürfnisse.
USB:
Mit dem VE-8 erhält man auch ein einfaches Audio-Interface, das leider einen Treiber benötigt. Nach dessen Installation und dem Verbinden des VE-8 USB Anschlusses mit meinem Mac meldet Garage Band einen neuen Stereo In/Out mit 24 bit, 44,1 kHz sample rate und einen MIDI In. Der Midi-In ist aber am Gerät nicht vorhanden, sodass es sich um eine versteckte Funktion handeln muss. In den Systemeinstellungen sind 3 Parameter einstellbar, die allerdings etwas seltsam benannt sind. Ich vermute, es handelt sich um Puffergröße, Latenz und Sample-Delay. Das aufgenommene Signal entspricht dem Stereo-Out des VE-8. Insgesamt eine unspektakuläre aber nützliche Zugabe für Macs und PCs. Leider ist der USB-Anschluss anscheinend nicht IOS-kompatibel, ein echtes No-Go!
FAZIT:
Mit dem VE-8 hat BOSS ein bewusst einfach gestricktes, aber nützliches Hilfsmittel für singende Gitarristen geschaffen, das nicht allzu viel kostet und recht gut klingt. Es kann punkten mit flexiblen Ein- und Ausgängen, Phantomspeisung, Looper, USB-Interface und Batteriebetrieb. Die Effekte sind allerdings nicht gerade auf Studio-Level, aber ersparen ein wenig Gepäck in Form von Bodentretern. Die Bedienung über 10 Drehknöpfe ist relativ einfach, klappt aber nicht durchweg ohne Anleitung. Alle Einstellungen lassen sich einfach erreichen und außerdem kann man alles auf 50 Speicherplätzen festhalten.
Insgesamt kann ich dem VE-8 im Hinblick auf Klang, Features, Verarbeitung und Preis 5 Punkte geben. Zu wünschen bleibt eine Optimierung der Effect Section und ein Editor, mit dem man die Einstellungen des Geräts am PC oder iPad bearbeiten kann. Dazu fehlt natürlich ein IOS-kompatibler USB-Anschluss.