Die Gitarre erfüllt alle Anforderungen, die ich an eine "Paula" hatte.
Eigentlich bin ich ein Fan von Ibanez Artists Made in Japan; Artist 300 und 500 aus den Jahren 1980 bis 1984 und die Artists nach 2000 (alle Made in Japan). Das waren für mich immer die besseren "Paulas".
Aber wie es so kommt, irgendwann reizt die "Paula" dann doch. Aber alles, was ich von Gibson spielte, war entweder im einen oder anderen Detail von schlechter Qualität oder Gibson wollte alleine für den Namen ein Bündel 100-EUR-Scheine. Deshalb probierte ich die ESP Ltd aus.
Der Korpus ist relativ dünn, der Hals angenehm zu bespielen. Keine Kopflastigkeit. Insbesondere der späte und fließende Übergang des Halses zum Korpus erleichtert das Spielen in hohen Lagen enorm. Die Saitenlage ist "out of the box" schon gut, da kann ein Instrumentenbauer höchstens noch ein kleines Quäntchen herausholen, je nachdem, wie stark der eigene Anschlag ist.
Die Decke ist in meinem Fall nicht so schön gemustert wie auf dem Produktbild, sondern deutlich schlichter. Die Verarbeitung der Gitarre ist tadellos (aber ich habe noch nicht das Mikroskop herausgeholt). Die verbaute Hardware ist von guter Qualität, alles funktioniert wie erwartet.
Der eine oder andere mag die Menge an Perlmutt als "barock" empfinden, mir gefällt es.
Nun zum Wichtigsten, der Klang:
Das Klangbild ist ausgewogen und typisch für Alnico-Humbucker. (Die Metal-Fraktion möge die gleiche Gitarre mit anderen Tonabnehmern ausprobieren). Der Stegtonabnehmer ist recht laut und bissig, der Halstonabnehmer erstaunlich transparent. Insgesamt ist das Klangbild eher hell, was auch mit dem schmalen Korpus zu tun haben könnte.
An verschiedenen Röhrenverstärkern (H&K, Randall) und 1*12 Boxen klang die Gitarre bei höherem Gain etwas sägend. In Kombination mit meinem alten Musicman RD112 (ein recht basslastiger Hybridverstärker) und einem Maxon OD-9 eröffnet sich die ganze Welt des Rocks, egal wie viel oder wenig "Drive" man am OD-9 "reinkurbelt". Angefangen an der Kante zwischen Clean und Crunch (mit Halstonabnehmer mein derzeitiger Favorit für Soli auf dieser Gitarre) bis hin zum vollen Rockbrett, alles kommt authentisch. Einfach Klasse! Diese Gitarre liefert genau die klassischen Sounds, die ich mit einer Paula verbinde. Daher, gekauft und lieb gewonnen.
Und die Japan-Ibanez Artists? Noch eine Klasse besser bespielbar (und zweieinhalb Mal so teuer). Und die alten Bretter aus Anfang der 80er haben wesentlich mehr Wumms in den Tiefmitten und machen sich im Klangbild breiter.
Das macht die ESP-Ltd-"Paula" nicht besser oder schlechter, sondern nur anders. Kein so fetter Clean-Ton, aber im Band-Kontext stets präsent, mit einer breiten Palette an "amtlichen" Rock-Sounds im Gepäck. Ich möchte sie nicht mehr missen.