Die Paula 60s hält sich an die original Specs der Sechziger und ist damit richtig, richtig schwer. Kein Weight Relief oder sonstwas, muss man halt wissen und mögen, dann gibt's keine böse Überraschung. Hals ist slim taper, Tuners, Bridge und Tailpiece makellos, also alles wie erwartet. Aber von einer echten Paula erwarte ich mehr:
Dieses vielgepriesene Besondere, das anerkennende Nicken und zufriedene Seufzen, wenn man das Ding zum ersten Mal in den Fingern hat. Dieses "Geil, alles richtig gemacht"-Gefühl. Mal ernsthaft, was wird in den Rezensionen von den Dingern geschwärmt: back to the roots, kein Firlefanz, endlich wieder das echte, unverfälschte Gibson-Feeling, so und nicht anders muss eine Gibson sein. Klingt genau nach dem, was ich suche, dachte ich. Ich meine, warum sollte man sonst irgendwas zwischen 2.000 und 2.500 EU`s für das Ding ausgeben?
Zumindest mein Exemplar, ein Produkt der ehrlichen, hart arbeitenden und vor Stolz berstenden Gibson Mitarbeiter, geprüft und kontrolliert und fotografiert und für den legendär hohen Gibson Standard gut genug befunden...beantwortet die Frage nicht.
Es ist eine von den Zutaten her eine solide, qualitativ brauchbare
Gitarre, die jedoch lieblos und nachlässig her- und eingestellt wurde:
Die tiefe E-Saite schnarrt deutlich, der Toggleswitch wurde schief eingebaut. Der Keder des Koffers ist fehlerhaft, das Ding riecht streng nach Wunderbäumchen.
Alles Klagen auf hohem Niveau, mag sein, aber zweieinhalb tausend Schleifen sind nunmal ein echt hohes Niveau. Hätte vermutlich damit gelebt, wäre da nicht die Lackierung:
Glanzgrad top, Oberfläche makellos, Farbton halbwegs getroffen. Aber irgendwie scheint dem Lackierer mittendrin die Farbe oder die Lust (oder beides) ausgegangen zu sein, der Schwung der Burst-Lackierung auf der linken Seite ist unterbrochen, und die gesamte Farbtiefe ist deutlich geringer als rechts. Und zwar so deutlich, das es jedem auf den ersten Blick ins Auge springt. Auch der Freundin, auch dem Kumpel, bei Tages- oder Kunstlicht. Hat nichts mit Individualität oder Lichteinfall zu tun, ist einfach schlechte Arbeit.
Das Ding an der Wand, und man ärgert sich jeden Tag drüber. Ist ja irgendwie auch eine Form von Nachhaltigkeit, kann ich aber mit hässlichen Tapeten billiger haben.
Gespielt habe ich die Paula nicht, leider, mir war das Risiko einfach zu hoch, 'ne Macke reinzudengeln und die Rückgabe zu gefährden.
Die vier Sterne für den Sound sind nur deshalb da, weil man hier alle Kriterien bewerten muss. Die Rezensionen und Hörbeispiele hier und anderswo rechtfertigen aber wohl eine ordentliche Soundbewertung.
Ich hab mir in den letzten Jahren die ein oder andere Klampfe selbst zusammenbgebastelt, amateurhaftt und ohne Anspruch auf Könnerschaft. Ich hab´auch mehrere Versuche einer Sunburst Lackierung mit Nitro-Sprühdosenlack wieder abgewischt (ja, mit Absaugung, Atemmaske usw., und ja, im Nachhinein brüll' ich mich selber weg, sowas überhaupt versucht zu haben).
Aber liebevoller aufgebaut , harmonischer lackiert und sorgfältiger eingestellt waren meine zusammengestümperten Dinger allemal.
BTW: Ich schreib' den ganzen Kram hauptsächlich so lang und breit, um den von Thomann empfohlenen (und bestimmt auch sinnvollen) Kriterien Genüge zu tun.
So, und jetzt zu dem ebenfalls empfohlenen Fazit:
Die gewählten Zutaten sind allesamt hochwertige, altebekannte Basics. Holz, Humbucker und restliche Hardware grundsolide. Kann man toppen, muss man aber in keinster Weise, um sich einen Hauptgang mit wenigstens einem Stern zurecht zu köcheln.
Leider hatte wohl die gesamte Küchenmannschaft keinen Bock und das Zeug achtlos irgendwie durch die Töpfe und Pfannen gejagt um es dann lieblos auf den Teller zu klatschen. Das schmeckt vielleicht trotzdem gar nicht schlecht, der Appetit ist einem aber längst vergangen. Die Rechnung ist trotzdem dann dreimal so hoch wie anderswo. Mein Teller ging jedenfalls unberührt zurück.