Als 4-Saiter-Fretless-Spieler hatte ich Lust auf mehr Saiten und habe mir den 5- und 6-Saiter der Harley-Benton B-x50-er Serie bestellt. Hier ein meine Eindrücke:
Allgemeines, gilt für beide Modelle
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Da die Bestellung nach über einer Woche noch immer als "offen" geführt wurde, fragte ich bei Thomann nach, wo das Problem liege. Antwort: Thomann müsse vor dem Versand noch unbedingt eine "Qualitätskontrolle" machen. Dauer unbekannt. Mehr dazu folgt noch weiter unten. Nach über zwei Wochen (!) trafen die Instrumente schließlich bei mir ein.
- Oberflächen: Schöne Instrumente. Oberflächen alle o.k. Sehr angenehmes Halsfinish.
- Saiten: Leider (die völlig ungeeigneten und grottenschlechten) Roundwounds drauf, die schon nach kürzester Zeit Spielspuren hinterlassen, wenn man nicht aufpasst.
- Gewichte: 6-Saiter 4,1 kg; 5-Saiter 3,8 kg. Soviel zur Zuverlässigkeit von Thomanns Gewichtsangaben... (in dem Werbefilmchen zur Serie wird ja erläutert, dass der 6-Saiter um 1 kg schwerer sei als der 5-Saiter)
- Hardware: Hübsch und funktionell. Den begeisterten Kommentaren dazu kann ich mich jedoch nicht anschließen. Wer mal einen Schlüssel nicht ganz sauber ansetzt oder die Stegmechaniken mit der Lupe betrachtet, sieht, dass hier schon eher günstig gearbeitet wurde. Ist bei dem Preis jedoch kein Problem.
- Griffbrettmarkierungen: HB hat in den letzten Jahren offensichtlich dazugelernt, und achtet besser auf die richtige Längsposition der sehr sparsamen Griffbrettmarkierungen am oberen Halsrand. Die Höhe der Markierungen wird jedoch "frei Schnauze" gesetzt. Ist nur ein optisches Problem. Unsinn ist der Doppelpunkt bei der Oktave, der das Schätzen des 11. bzw. 13. Bundes fast verunmöglicht. Hier muss man selbst Markierungen ergänzen, sonst werden die Bandkollegen sauer wegen falscher Intonation.
- Gurtpin: Sitzt an an falscher Stelle für Leute, die den Bass kurz tragen (was bei 5- und 6-Saitern eigentlich notwendig ist). Ich habe ihn beim 5-Saiter auf die Körperseite des Korpus versetzt, was den Tragekomfort um Klassen gesteigert hat, ohne das Instrument kopflastig zu machen.
- Sound: alles o.k. Sehr sympathisch ist die freie Wahl zwischen Aktiv- und Passivmodus (wobei ich den Passiven bevorzuge)
Jetzt aber zum eigentlichen Problem: Das Ergebnis der oben erwähnten, sehr zeitaufwändigen "Qualitätskontrolle" von Thomann sah folgendermaßen aus:
- Beim 6-Saiter stand das Ende eines Pickups über 1 cm weit in die Luft, weil kein Mensch die (zum Glück noch vorhandene) Halteschraube reingedreht hat.
- Halskrümmung war o.k., die Saitenlage jedoch ohne jeden Plan eingestellt (mal hoch, mal tief)
- Intonationseinstellung: vollkommen absurd. Teilweise beinahe einen Halbton daneben.
Falls bei Thomann überhaupt irgend jemand "Endkontrolle" gemacht hat, dann hat diese Person keine Ahnung von der
Funktionsweise eines Saiteninstruments. Derlei ist verzichtbar. Das bloße, wichtigtuerische einlegen eines Zettels mit handgeschriebener Thomann-"Prüfnummer" und die damit verbundene Lieferverzögerung von über einer Woche ist eine Verhöhnung des Kunden. Dafür gibt?s einen Stern Abzug.
Spezielles zum 6-Saiter (Harley Benton B-650FL BK Progressive)
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- Überraschend angenehmes, hervorragend spielbares Halsprofil
- Das ganze Instrument zeigte aber ein weniger lebendiges Schwingverhalten als der 5-Saiter. Möglichweise spielen da die zwei Halsstäbe eine Rolle
- Leider ist das Instrument kopflastig, weswegen ich ihn relativ schnell aussortiert und mich näher mit dem 5-Saiter beschäftigt habe
Spezielles zum 5-Saiter (Harley Benton B-550FL BK Progressive)
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- nach Wechsel der Saiten auf Thomastik Flatwounds bekam ich schöne Fretless-Sounds zu hören, die mit der Bordausrüstung an Reglern durchaus vielfältige Möglichkeiten bieten
- einzig die Potis sind recht gewähnungsbedürftig: 80% der Klangmodulation passieren bei Volume und Treble-Regler auf den letzten 5 % der Regelstrecke. Allerdings nur im Passivmodus.
- Nach Korrektur von Saitenlage, Intonation und Gurtpinposition ist der 5-Saiter ein tadelloses Instrument, und bleibt deshalb auch bei mir.
Fazit:
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- Absolut brauchbare Instrumente, wenn man Zeit und das Know-How hat, das Finish selbst zu machen
- Saiten müssen getauscht und daher eigentlich auf den Kaufpreis aufgerechnet werden (da ist man natürlich schnell auf dem halben Neupreis des Instruments ...)
- dennoch sensationelles Preis-Leistungsverhältnis
- Kaufempfehlung, soferneThomann die Kundenveräppelung mit der angeblichen "Qualitätskontrolle" einstellt
- 6-Saiter: Achtung kopflastig.