Bis vor ein paar Monaten hätte ich nicht gedacht, eines Tages einen sogenannten Violin-Bass bzw. eine Kopie davon zu spielen. <Oberlehrermodus on> Diese Korpusform gehört ja eigentlich nicht zur Familie der Violinen, sondern zu den Gamben bzw. Kontrabässen </Oberlehrermodus off>. Aber jeder weiß, was gemeint ist. Und Suchmaschinen finden auf jeden Fall etwas. Meine Entscheidung für diesen Bass hatte übrigens nichts mit Paul McCartney und den Beatles zu tun. Ich spiele eher jazzige Sachen, Fusion, Ambient, Art Rock und dergleichen.
Vielleicht sollte ich noch vorwegnehmen, dass ich jedem Musikinstrument Respekt entgegen bringe, unabhängig vom Preis. Ein Punkt, der bei einem teureren Instrument ein Mangel wäre, ist es für mich auch bei einem günstigen. Eine Formulierung wie "Anbetrachts des Preises kann man das aber nachsehen" kommt bei mir daher nicht vor.
A propos Preis: Kurz nach meinem Kauf wurde dieser kräftig erhöht, und das finde ich angemessen. Ich hätte auch den neuen Preis gezahlt. Ich hoffe natürlich, dass auch die Arbeiter*innen in China etwas davon haben. Außerdem ist mir zu diesem Bass (Shortscale, fretless, semi-hollow) keine vergleichbare Alternative bekannt.
Als ich in diversen Youtube-Videos (über die bundierte Version) gehört habe, was er abliefert, sagte ich mir: Da steckt Potenzial drin, das geht in die Richtung meines Klangideals. Die passenden Saiten draufgespannt, die Klangregler am Bass und am angeschlossenen Equipment richtig eingestellt, dann könnte das mit dem "Heiligen Gral" etwas werden. Also, dieser Bass ist es wert, ihn eingehender zu beschreiben.
Der kam recht gut eingestellt aus dem Karton. Beim Saitenwechsel musste ich nur die Saitenhöhe an meine Erfordernisse anpassen. Mein Exemplar wiegt erfreuliche 2,5 kg.
Im Einzelnen:
Der Korpus: Hochglanz-Lackierung und Sunburst-Stil gehören nicht direkt zu meinen Favoriten. Mir ist matter Naturholz-Look lieber. Aber seit der Bass in natura vor mir steht, muss ich zugeben, er sieht richtig schmuck aus. Von vorne als auch von hinten. Vor allem auch deswegen, weil auf einen Rot-Ton im Verlauf von Dunkelbraun zum Holzton verzichtet wurde und die Lackierarbeiten fehlerlos ausgeführt sind.
Aufgrund seiner Bauweise schwingt der Korpus nicht ganz so wie bei einem richtigen Hollow-Body. Dennoch ist der Klang unverstärkt lauter und insgesamt anders als der von einem Solid-Body. "Holzig" nennt man das wohl.
Griffbrett und Hals: Mich würde interessieren, wie das Griffbrett zu seiner ebenholz-schwarzen Farbe kommt, der Naturfarbton von Amaranth ist es sicherlich nicht. Die Oberfläche ist zwar spielbar, aber sehr offenporig und für mich nicht glatt genug. Da ich von bundierten Bässen her das Erzeugen von Vibratos durch Bending gewohnt bin, habe ich das Griffbrett nachgeschliffen und mit Griffbrettöl behandelt. Jetzt ist es etwas besser, aber Bendings erzeugen immer noch Kratzgeräusche. Also muss ich ordentliche Vibratos spielen, wie sich das bei einem Fretless gehört. An das Fehlen von Bundlinien und Orientierungspunkten auf dem Griffbrett habe ich mich noch nicht so ganz gewöhnt.
Es ist mein erster Bass mit hochglanzlackierten Hals. Ich hätte nicht darauf gewettet, dass sich auch das gut anfühlt. Liegt vielleicht auch daran, dass ich so gut wie keinen Handschweiß produziere. Seidenmatt ist mir trotzdem noch lieber. Form und Abmessungen sind sehr angenehm.
Saitenhalter und Brücke: Die Bohrungen haben einen etwas zu kleinen Durchmesser für die Ring-Enden vieler Saiten. Das Ein- und Ausfädeln bei einem Saitenwechsel kann also ziemlich fummelig sein.
Zur Einstellung der Oktavreinheit sucht und findet man den richtigen Abstand zwischen Brücken-Tonabnehmer und Brücke durch Ausprobieren. Hat man ihn gefunden, notiert man sich den Wert in mm von Kante zu Kante. Damit ist das eigentlich auf lange Sicht erledigt.
Da die Rändelmuttern einen etwas zu kleinen Durchmesser haben, ist die Höhenverstellung der Brücke (mit gelockerten Saiten) ziemlich mühsam. Aber hat man die richtige Saitenhöhe wieder mit der Methode Versuch und Irrtum gefunden, kann man auch das abhaken.
Die Stimmmechaniken: Die sind leichtgängig und erfüllen ihren Zweck, deren Wickelachsen sind jedoch reichlich wacklig (gut 1 mm Spiel) und es knirscht / kratzt irgendwo etwas in den Getrieben. Bei einem anderen Bass von Harley Benton laufen dieselben Mechaniken einwandfrei. Wie man geschlossene Mechaniken schmieren kann, entzieht sich meiner Kenntnis.
Klangregler und -schalter: Auf diese ziemlich skurile Klangsteuerung möchte ich nicht näher eingehen. Ich habe meine optimalen Einstellungen gefunden (Bass on, Treble on, Solo, Volume 1 meistens zu, Volume 2 voll auf), alles andere regle ich am Equipment.
Saiten und Klang: Die aufgezogenen Flatwound-Saiten waren in meinen Ohren lediglich für einen ersten Schnelltest tauglich, ob alles funktioniert. Die A-Saite klang schon ziemlich dumpf und die E-Saite brachte eigentlich nur ein "Plomb". Ich habe sie gegen D'Addario ECB80 Chrome Flatwounds ausgetauscht. In Verbindung mit den kräftigen Humbuckern ist der Klang nun wirklich beeindruckend. Ein solides Bassfundament, deutliche Hochmitten und vor allem das typische Singen (Mwuah) eines bundlosen Basses. Nicht aufdringlich, sondern angenehm dezent.
Fazit: Irgendwie habe ich in diesem barocken Unikum eine späte musikalische Liebe gefunden. Und ist inzwischen zu meinem Hauptbass avanciert. Auch wenn man den obligatorischen Satz guter Flatwound-Saiten hinzu rechnet, ist das immer noch ein Bass zu einem freundlichen Preis.