Ich spiele seit 51 Jahren, Jahrgang 57, mal Pro, mal Semi und hab eine Menge Gear für Live und Studio unter der Hand gehabt und den ganzen Wechsel von analog nach digital mitvollzogen, komponiere, teache und recorde heute mit Logic Pro X am Mac, spiele derzeit eine SSS-Squier, ne HSS- Pacifica und eine HH- PRS 24 Standard, Orange Valve Amp 20 W, und Yamaha G212 2 100 W. Und, vorneweg: der einzige "echte" Sound ist der eigene Sound, mit dem man sich wohl fühlt, und der kommt aus den Fingern und dem Herzen, gell. Be what you are.
Live und Recording sind zwei komplett verschiedene Welten, daher hier zwei Bewertungen in Form von Handhabungsvorschlägen, um das Beste des Geräts für sich heraus zu holen. Metal hab ich dabei nie wirklich auf dem Radar, hier gehts um Eignung für Folk, Hard Rock, Pop, Blues und Jazz.
Live: Probe ja, Üben sehr gerne, Gig nein. Wenn doch, Amp und Cab ausschalten, das Teil unbedingt in den Effects Loop des Amps hängen, dann gibts das Treble Bleed beim Vol- Poti -Zurückfahren nicht. Die Simulationen der Effektegeräte und Amps sind soweit ok, aber nicht wirklich dynamisch. In der Regel muss man die Höhen der Effekte ein bisschen runterfahren oder am Tone Regler der Gitarre zurück gehen, besonders bei den Single Coils. Das Teil kann insgesamt mit Humbuckern besser harmonieren.
Recording: Gut geeignet, wenn man sich genau mit den Eigenschaften der 200 Presets auskennt, und sie für die verwendeten Gitarren und die eigene Spielweise modifiziert hat. Da kann man die Amps und Cabs und Effekte recht gut zurecht schneidern, damit das Recording ein bisschen Charakter bekommt. Das Expression-Pedal hat seine Wirkungsspitze auf den letzten Zentimetern, also brauchts eine gute "Zehenmotorik" im Künstlerfüsschen. Vorbedingung: Man muss wissen, welche Klangcharakteristiken die simulierten Geräte wirklich haben, logisch. Bsp: Der "Blues Deluxe" im Gerät hatte jedenfalls die gleichen harschen Trebles wie der "echte", das war witzig. Trotzdem würde ich für jede Gitarreneinspielung mindestens einen trocken eingespielten Reamping Track einsetzen, der dann mit guten VST Plugs besetzt werden kann. Ausnahme: die genialen, wilden Momente, wenn man so richtig "drauf" ist, mit allem Quietschen, Dämpfen und Muten an Bord. Die fürs Recording gedachten Anschlüsse sind ok, am Mac geht die USB Eingabe nur über den OTG Anschluss und ist für meine Begriffe zu leise.Man kann allerdings den OTG Output aufreissen - auch hier ist beim Einstellen ein wenig Erfahrung gefragt. Einen wirklich guten Kopfhörer verwenden hilft hier, den Sound im Griff zu behalten. Das Gerät vor dem Amp zu hängen, und dann zu mikrofonieren, macht wenig Sinn, es aber in die Effektschleife des vor den Computer gesetzten Mischers zu hängen, macht viel Sinn. Der Mixer muss allerdings gut harmonieren, und die Kabel sollten richtig gut sein, genau wie das Audiointerface im Mischer oder Extern.
Fazit: So günstig wie das Teil ist, ist es in jedem Fall sein Geld wert. Es ist erstaunlich, verglichen mit früher, wie locker schon Einsteiger an Brauchbares herankommen können. Da hat sich HB /Thomann sicher eine Menge Lob verdient. Sie schlagen die Grossen im Preis- und Qualitätsvergleich um Längen, besonders die amerikanischen Produkte, die in der Regel 50 % zu teuer sind. Deutlich: die Zeiten wo wir auf "Legenden"- Geschwätz reinfallen und doppelt zahlen, sollten vorbei sein.