Fazit: wer eine gute Semi sucht und gerne Alvin Lee oder BB King spielen möchte, ist hier gut bedient. Die Axt scheut auch nicht ein richtiges Zerrbrett, das ist aber nicht ihre Domaine. Die Verarbeitung verdient ein Lob, der Mehrpreis zur vintage-Version ist gut investiert. Qualitativ auf oder über dem Niveau einer Epiphone Les Paul Standard oder Tribute. Auch diese bieten eine Rieglahorndecke mit Binding oder SC-Schaltung. Klanglich ein typischer Vertreter ihrer Gattung. Mit gutem Gewissen eine Empfehlung.
Auf der Suche nach einer Semiakustik stöbere ich bei den Schnäppchen und finde diverse B-Waren oder preiswerte Semis. Und da strömt das Leuchten einer gelben Riegelahorndecke in mein Auge. Gecheckt und bestellt. Kurz darauf kommt das Paket Eine mit Riegelahorndecke furnierte, in Lemmondrop lackierte, Semi entsteigt der Verpackung.
Der Headstock ist sauber angeschäftet, die Mechaniken funktionieren gut. Sie vermitteln nicht das Wahnsinnsgefühl einer Schaller, aber sie sind stimmstabil. Der Sattel ist schön gefeilt. Das Griffbrett braucht Öl, das ist gleich erledigt und es ist sehr schön gemasert. Die Inlays sind sauber gemacht.
Die Bundierung ist super. Ja, polieren hätte man die Bünde dürfen, aber dann kostet die Axt 299 EURO. Also: Stahlwolle und es glänzt. - überhaupt gibt es an der Optik nix zu maulen. Das habe ich schon schlechter gesehen. Ich hatte früher schon mal eine der ersten AM53 von Ibanez. Die war nicht besser gemacht, aber teurer.
Der Hals und die Saitenlage sind perfekt eingestellt! Das Greifgefühl: ein fetter runder Hals. Ich mag das, ich habe große Hände. Dünne Hälse sind soundmäßig eine Katastrophe.
Die Decke ist perfekt furniert, lackiert und poliert, in einem attraktiven Riegelahorn, von Gelb nach Natur in Burst lackiert. Fehlerfrei. Das Binding perfekt. Die Hardware macht einen soliden Eindruck, und der Steg sowie die Brücke sind mittig montiert. Hier finde ich oftmals eine um 2 mm verschobene Brücke oder noch schlimmer, einen aus der Mitte verschobenen Steg, so dass zwar nicht die Funktion aber die Optik leidet. Wenn man Steg und Brücke auf einer Seite etwas näher an den PU herandreht, ohne die andere Seite ebenfalls zu verschieben, sind die Löcher für die Studs falsch gebohrt. Hier alles prima.
Die Humbucker mit Splittcoilschaltung erzeugen einen schönen Clean- und Zerrsound, ich höre sofort Alvin Lee I m goin`home oder Rick Derringer und die Whitetrash mit Tobacco Road. Mal bei youtube anhören.Dieser bassarme, etwas rotzige Semiakustikton, der schnell in eine Rückkopplung umfällt. Geil.
Der Ton ist am Hals rund und holzig hohl, genug Höhen, am Steg kommt ein crunchiges Brett. Die Soundfiles von Thomann sind das sehr treffend und reproduzierbar gemacht. Das gefällt. Auch ein stark verzerrter Ton gefällt. Er wird nie matschig.
Ein Durchmessen der verbauten PU hat gezeigt, dass bei mir keine MWCHB Alnicos von Wilkinsons verbaut wurden. Vielmehr handelt es sich wohl um die Wilkinson vintage PU. Ich messe ca. 7,3 und 8,4 Kohm Gleichstromwiderstand. Die MWCHB Alnicos haben aber zumindest am Steg 13 Kohm. Ein Vergleich auf Amazona und Bonedo zeigt, dass die heißeren PU s zumindest am Steg eine schöne Option sind. Klanglich habe ich keine Einwände, auch diese PU sind gut!
Viele bemängeln den Lautstärkesprung zwischen Humbucking und Singlecoilmode. Wer gerne frickelt: einfach ne Parallelschaltung der Spulen probieren und einen Mikroschalter montieren.
Am Hals finde ich die Singlecoilvariante richtig gut. Dynamisch und leicht hohl. Sehr schön. Am Steg: zu sehr Qualle in Aspik. Hier siegt der Humbucker.
Ach ja - gespielt wird die Axt über einen Cream Tweed-Clone mit Svetlana 6L6 , einen KittyHawk Supreme (EV 12 L) Combo sowie einen KittyHawk Apache (ein Marshall-Clone) mit einer 2x12" EV-L Box.
Ein Vergleich mit einer Epiphone Paula zeigt, dass diese vorrangig mehr Wärme und Bass, also mehr Volumen und Output erzeugt. Ansonsten ist dieses Instrument hier absolut gleichwertig und erzeugt einen schönen Ton. Es klingt offen, transparent und im richtigen Moment schon nach BB King. Hier sollte man den Ton formen. Wer kraftlos spielt, bekommt einen kraftlosen Ton. Und wer sich traut: auch Garry Moore oder EC haben mal ne ES 335 gespielt. Und Garry Moore auf dieser Gitarre macht Spaß.
Die Buchse ist fest montiert, dafür finde ich noch Späne in der Gitarre. Das cremefarbene Schlagbrett, optisch und funktional entbehrlich, habe ich demontiert.
Kurzum: Für s Geld ne tolle Gitarre, die eben nicht das Geschmäckle des Billigheimers hinterlässt. Vielmehr vermittelt sie einen wertigen Eindruck, der auch bei genauerer Prüfung bleibt. Empfehlung. Gruß MK