Bei der folgenden Bewertung bitte ich stets zu bedenken, dass es sich um eine Gitarre für nur 169 EUR handelt!
Um ehrlich zu sein, hatte ich mir geschworen, niemals eine Harley Benton Gitarre zu kaufen, weil ein solch niedriger Preis üblicherweise nur dadurch erzielt werden kann, dass irgendwelche Leute in der Produktionskette es ziemlich mies haben. Aber aufgrund der vielen positiven Berichte zur HB JA-60 habe ich meine Skrupel über Bord geworfen und das Instrument ganz egoistisch und ohne große Erwartungen mit dem Gedanken bestellt, es als Modding-Plattform zu verwenden.
Ich mache seit mehr als 20 Jahren hobbymäßig Musik, besitze mehrere Gitarren, die im Anschaffungspreis zwichen 320 und 2000 EUR lagen, habe ein kleines Heimstudio mit Equipment aus verschiedenen Preissegmenten und weiß, was ich an Musikequipment schätze und was nicht.
Kommen wir also endlich zur Gitarre selbst.
Die Verarbeitung ist insgesamt für diesen Preis unfassbar gut. Sie ist natürlich nicht perfekt, aber für 169 EUR darf man das auch nicht erwarten, wie ich finde.
Folgende „Mängel“ liste ich mal auf:
1. Das Binding sollte man sich nicht zu genau ansehen, da wurde an einigen Stellen doch recht schnell und grob gefeilt. Aber da muss man schon nah rangehen und genau hinschauen. Mich persönlich stört das überhaupt nicht.
2. Den Bundstäbchen sieht man an, dass bei der Produktion nicht viel Zeit für Feinarbeit bleibt. Außerdem merkt man vor allem bei Bendings, dass die Bundstäbchen nicht mehr poliert wurden. Allerdings scheinen sie gut abgerichtet zu sein, da die Saitenlage bei meinem Exemplar sehr niedrig eingestellt ist ohne dass störende Schnarrgeräusche entstehen.
3. Die beiden PUs sind nicht ganz bündig eingebaut: der Bridge-PU ist um 1-2 mm nach unten versetzt im Gegensatz zum Neck-PU. Man erkennt es an der Position der Saiten gegenüber den Pole Pieces der PUs. Aber auch das ist aus meiner Sicht absolut vertretbar.
4. Die Einschlaghülsen für die Schrauben der Tune-O-Matic Bridge und des Stop-Tail-Pieces sitzen nicht zu 100% gerade im Korpus. Es handelt sich um wenige Millimeter, und es hat weder auf die Intonation noch auf die Bespielbarkeit der Gitarre einen negativen Einfluss.
5. Die vom Werk aus aufgezogenen Saiten waren für mich total unbrauchbar und haben sich grässlich angefühlt. Ich empfehle die D’Addario 10-52er Saiten (EXL140).
6. Das beigelegte Instrumentenkabel ist nett gemeint, aber reine Ressourcenverschwendung, das würde ich nur im alleräußersten Notfall verwenden.
ABER: bei alledem sollte man bitte nicht vergessen, dass die Gitarre nur 169 EUR kostet. Und dafür gehen die oben genannte Punkte 1 bis 5 absolut in Ordnung, zumal sie sich nicht negativ auf das auswirken, was aus meiner Sicht wirklich zählt: den Einsatz dieser Gitarre als Instrument auf der Bühne sowie im Studio (oder auch nur zum Spaß haben zu Hause). Und hier hat mich die JA-60 absolut überzeugt.
Was ich im Einzelnen als sehr positiv hervorheben möchte bei der JA-60:
1. Der Korpus ist im Vergleich zu einer Fender Jazzmaster kleiner und schön leicht.
2. Alles ist fest verschraubt, nichts wackelt. Die Sattelkerben sind perfekt.
3. Das Finish ist absolut einwandfrei und sieht sehr ansprechend aus.
4. Die Tuner halten die Stimmung sehr gut und lassen sich einwandfrei bedienen.
5. Der Toggle-Switch hat einen guten Widerstand und ein zufälliges Verstellen beim Spielen ist nicht so leicht möglich wie beispielsweise bei meiner J Mascis Jazzmaster.
6. Der Sound der PUs gefällt mir sehr gut. Sie klingen überhaupt nicht billig, der Ton hat sowohl clean als auch verzerrt Charakter und „fühlt“ sich gut an. Mir macht es jedenfalls richtig Spaß auf dieser Gitarre zu spielen.
7. Die Gitarre war vom Werk aus schon hervorragend eingestellt und die Bespielbarkeit finde ich fantastisch.
Die Zeit wird zeigen, wie verlässlich die elektrischen Bauteile sind, die bei günstigen Instrumenten in der Regel die Schwachstelle bilden, aber für den Moment funktioniert alles einwandfrei und macht auf mich einen guten Eindruck.
Ich sollte noch erwähnen, dass man hier natürlich nicht wirklich eine Jazzmaster bekommt, sondern eine kompakte und aufs Wesentliche reduzierte Offset-Gitarre, die von der Optik her an die JM angelehnt ist.
Abgesehen von der PU-Bestückung, dem fehlenden Vibrato-System (ja, es ist ein Vibrato, auch wenn gemeinhin fälschlicherweise von Tremolo gesprochen wird) und dem fehlenden Rhythm-Circuit, ist der Korpus kleiner als bei einer JM. Die Gitarre ist dadurch auch nicht so lang wie eine Jazzmaster.
Aber da ich schon die JMJM habe (die ja streng genommen auch eine modifizierte JM ist), fand ich gerade das an der JA-60 reizvoll.
Wer etwas für Offset-Gitarren übrig hat, sollte die JA-60 auf jeden Fall anspielen. Sie ist sicher auch eine gute Modding-Plattform.
Meine ursprünglichen Modding-Pläne liegen erstmal auf Eis, weil ich ziemlich begeistert von der Gitarre im jetzigen Zustand bin. Vielleicht habe ich später mal Lust auf den ein oder anderen Umbau.
Ich bin jedenfalls schwer beeindruckt, welche Qualität Harley Benton hier zu diesem Preis liefert!