Strat-Sounds erzeuge ich bislang mit einer Ibanez Roadstar II, Bj. 1984. Eine Gitarre, die zwar einer Strat sehr ähnlich sieht, jedoch mit zwei splitbaren Humbuckern bestückt ist. Daher gibt es in der Mittelstellung eher einen Tele ähnlichen Klang und die typischen Sounds der Schalterstellung 2 und 4 einer "richtigen" Strat mit Singlecoils und 5-fach Schalter sind nicht machbar.
Da nun das vorliegende Harley Benton Modell ST-62 durchweg positive Bewertungen verbuchen konnte, schien es eine willkommene Gelegenheit zu sein, eine günstige Gitarre mit entsprechender Tonabnehmerbestückung und Schaltung zu erwerben.
Der erste Eindruck war durchaus positiv. An der Verarbeitung gab es nichts zu bemängeln, und die Farbe (wie Vanillepudding) finde ich persönlich richtig appetitlich. Die Features entsprechen denen des Vorbilds und damit den Erwartungen. Gut, den Vibratohebel fand ich nicht sonderlich ergonomisch, dafür aber ziemlich schwergängig. Doch das könnte man ja ändern. Auffallend schwergängig ist übrigens auch der PU-Wahlschalter.
Erstes Auha!-Erlebnis: Der Hals ist ausgesprochen dick und erinnert stark an einen halbierten Baseballschläger. Die Gitarre hätte schon ziemlich gut klingen müssen, um diese Halsmaße zu akzeptieren.
Die Bundstäbchen sind ziemlich flach gehalten, so wie in (ganz) alten Zeiten. Dafür ist die Saitenlage ein wenig unkomfortabel hoch eingestellt, was sich natürlich beheben ließe. Im Zuge dessen müsste dann auch die Pickup-Höhe neu eingestellt werden, da diese schon ziemlich nah an den Saiten waren.
Der unverstärkte Ton (also rein akustisch) geht für den Preis erst mal in Ordnung. Reisst einen nicht vom Hocker, klingt aber auch nicht blechern oder direkt ausgesprochen billig.
Ok, am Verstärker (mir stehen sowohl Modeler als auch Röhrenamps zur Verfügung) sollte sich die ST-62 vor allem gegen den Sound eines "halben Humbuckers" meiner Ibanez behaupten. Doch das ist ihr nicht mal ansatzweise gelungen. Ich habe wirklich versucht, mit allen Mitteln einen akzeptablen Stratsound zu erzeugen... Und wie ein solcher klingt, weiss ich wohl. Ich spiele seit Jahrzehnten E-Gitarre und hatte sehr viele Modelle in der Hand. Doch einen derart leblosen und ausdrucksarmen E-Gitarrenton habe ich bislang nur selten gehört. Das Harley Benton Vorgängermodell (mit SSH-Bestückung) klang um Welten besser.
Fazit:
Optik und Verarbeitung geht in Ordnung.
Schwergängiger Pickup-Wahlschalter und das Vibratosystem in der Einstellung "Für Bodybuilder" sind (bei dem Preis) nicht sonderlich tragisch.
Den dicken Hals in Kombination mit den flachen Bundstäbchen hätte ich nur mit Unbehagen akzeptiert, doch die Tonabnehmer mit ihrer Eigenschaft, sämtliche klanglichen Besonderheiten eines solchen Gitarrenmodells weitestgehend unter den Tisch fallen zu lassen und alle spieltechnischen Bemühungen wegzubügeln und in einen gleichförmigen, müden Ton umzuwandeln, machten die Gitarre für mich unbrauchbar.