Dieser Bass ist im Grunde zu günstig.
Sämtliche bisherigen erhobenen Einwände bezüglich der Verarbeitung usw. mögen im Einzelfall richtig sein und sind wohlbegründet. Ein Produkt muss im bestmöglichen Zustand ausgeliefert werden. Ich hatte vor vier Jahren ein sehr gutes Modell mit nur geringen Schwächen erhalten, angesichts des Preises aber eher lachhaft.
Ich spiele den HB mit Roundwound-Saiten und zwar mit Fodera Light High C. Damit ist der 5-Saiter stimmungstechnisch aufgebaut wie eine sechssaitige Gitarre ohne das hohe E. Die H-Saite bekommt mit dem HB einen recht metallischen, fast vorlauten Ton, der nicht ganz zur Charakteristik der übrigen Saiten passen will, aber erstens konnte man das erwarten und zweitens kann man die Spieltechnik diesbezüglich etwas anpassen.
Mit den Roundwounds spielt sich der HB sehr gut, das Griffbrett hat nach vier Jahren keine Abnützungsspuren und der Sound wird damit sehr universell. Mit ein und derselben Einstellung ohne jeden Effekt, gewissermaßen "trocken" nur verstärkt, lässt sich eine phantastische Bandbreite aufziehen. Also: fretless, roundwound, 5-String, eine Quart höher. Und ich bin sicher, dass ich keineswegs alle Möglichkeiten ausreizen kann, da ich nur mit den Fingern spiele, niemals Plecs verwende, auch auf fretted Bässen nicht. Und dennoch kann ich in ein und demselben Song ohne Einsatz von Reglern einen gedämpften obertonreichen Fretless-Sound und einen metallisch funkigen, ebenso obertonreichen Sound erzielen, denn etwa mit dieser Saitenspezifikation klingen Slap-Sounds offen und hell. Ja, ein Fretless-Bass lässt sich auch slappen, und dafür ist die H-Saite des Fodera-Sets genial. Auch Akkorde klingen tatsächlich nicht zu verwaschen.
Ich habe kleine Hände und empfinde den Hals des HB als hervorragend. Er liegt wirklich sehr gut in der Hand und ist aufgrund des Gewichtes des Basses fast schon zu wenig kopflastig, um es einmal so zu sagen.
Wer von einem 4- auf einen 5-Saiter umsteigen oder sein Set damit ergänzen möchte, dürfte mit diesem Bass keine Probleme haben; die Saitenabstände sind nicht zu groß. Ein fretted 6-Saiter, der Marcus Miller M7, macht mir deutlich mehr Mühe; es ist für mich jedes Mal eine Herausforderung, darauf zu spielen. Ich habe keine Hände wie Alain Caron...
Grundsätzlich orientiere ich mich bei der Bewertung daran, was erwartet werden kann. Würde man Harley Benton nicht kennen, müsste man, gemessen am Preis, tendenziell weniger erwarten.
Stellen wir einen statthaften Vergleich an: der Harley Benton und ein Marleaux Consat Custom. Beide 5-String, beide fretless. Statthaft deshalb, weil ich nicht den dreizehnfachen Preis des Marleaux referenzieren möchte, auch wenn es nicht ganz ohne geht. Der Mehraufwand des Marleaux zeigt sich für mich z.B. im unfassbaren Spielgefühl, Hals und Gewichtstarierung sind wahrscheinlich nahe an der Perfektion. Und dann natürlich die Handarbeit.
Beide Bässe klingen so gut und spielen sich so gut, dass die Unterschiede zwar absolut sein mögen, aber dennoch relativ sind. Habe ich die Möglichkeit, mir einen Marleaux zu kaufen, dann gut. Wenn nicht, dann dank dieses Harley Benton-Basses auch gut. Es ist eine pure Freude, diesen HB in die Hände zu nehmen und zu bespielen, und angesichts des Preises noch viel mehr. Im Übrigen ist der Bass wunderschön.
Zum Eingangssatz zurück: Ich hätte den HB gerne in Handarbeit (was ja augenscheinlich gar nicht nötig ist) und in Europa hergestellt (was z.B. angesichts der verwendeten Hölzer möglicherweise gar nicht sinnvoll wäre) und würde dann auch entsprechend deutlich mehr zahlen. Das klingt zynisch, ist es aber nicht. Zwei Aspekte, die sich ausschließen: der Bassist mit beschränktem Budget einerseits (wie ich vor Jahren auch) und die Perfektionierung eines sehr guten Basses mit gleichzeitig entglobalisierter Fertigung mit all ihren gewaltigen Problemen andererseits. Beides zusammen ist nicht zu haben, daher bin ich sehr froh, dass es solche Bässe zu diesem Tarif gibt.
Für das Gesamtpaket gäbe ich einen sechsten Stern.