Gitarren hat man leider nie genug, vor allem wenn bisweilen ein Einsatz außerhalb der gewohnten Pfade lockt - wie in meinem speziellen Fall die extremeren Metal-Spielarten, bei denen das Drop-Tune-Pedal meines Headrush sich eben als ein sehr unzureichender Kompromiss erweist. Auch die HB R-457 Active ist natürlich ein Kompromiss, aber für einen mäßig begabten Amateur-Gitarristen mit endlichem Familienbudget eben durchaus vertretbar. Ein siebensaitiges Gerät von Kiesel oder Mayones wäre der Regierung kaum vermittelbar gewesen - die Harley Benton ist hingegen definitiv taschengeldkompatibel.
Also nicht lange überlegt und bestellt, kurz darauf schon ausgepackt und eingehend untersucht: Zumindest bei meinem Modell finden sich keinerlei offensichtliche Verarbeitungsmängel, auch die Bundkanten waren sauber entgratet, wenn auch die Oberfläche der Bünde noch etwas rauh geraten ist. Das Gerät ist im Vergleich zu meinen anderen Gitarren eher leicht, hängt trotz des eher großen Headstock gut ausbalanciert am Gurt, was positiv überrascht - ich spiele sonst eher Mid-Range-Instrumente, mein letzter Kontakt mit Budget-Instrumenten war Anfang der 90er eine fies lackierte BC Rich Warlock Platinum Series mit extremer Kopflastigkeit und bei einer 7-Saiter fällt dieser Teil eben grundsätzlich noch etwas mehr ins Gewicht, doch diese Sorge war unbegründet.
Nach dem Anstöpseln ans Gigboard dann allerdings die massive Enttäuschung: Klanglich wirklich massivst meh. Auch schnarrte die tiefe E-Saite im zweiten Bund. Generell fühlte sich das Teil beim Spielen nicht so wirklich richtig an, schwammig, der Ton nicht nur matschig (dazu später mehr), sondern durchgängig unsauber. Zu diesem Zeitpunkt war ich daher dann doch unschlüssig, ob der Ausflug ins Harley Benton Lager so eine gute Idee war. Aufgrund der bereits vorliegenden Rezensionen hatte ich allerdings vorsorglich gleich einen Satz Ernie Ball 2621 mit dazubestellt, was den Spaß allerdings um satte 8,30€ teurer macht. Nach dem Saitenwechsel und Tuning auf B-Standard dann die Offenbarung: Diese Gitarre ist tatsächlich brauchbar. Das Schnarren praktisch komplett verschwunden, der Ton auf einmal durchaus akzeptabel - Pursuit of Vikings macht einfach Spaß. Insofern ist es umso verwunderlicher, dass Thomann statt anständiger Saiten für mutmaßlich nicht mehr als fünf Euro Einkaufspreis diesen Hühnerdraht aufziehen lässt, der den ungeduldigen Kunden mit einger hohen Wahrscheinlichkeit dazu animiert, das ganze Stück direkt wieder zurückzuschicken. Daher an dieser Stelle vielen Dank an die Vor-Rezensenten. Zufälligerweise wurde die Basis-Einstellung dieser Eierschneider-Besaitung werksseitig auch noch ziemlich präzise so vermurkst, dass das Setup mit dem 10-56er-Satz auf Standard-B dann urplötzlich ziemlich genau passt. Das muss man auch erst einmal hinbekommen... Jedenfalls ist die Investition in anständige Saiten für die R-457 nicht nur empfehlenswert, sondern zwingend notwendig.
Zu den weiteren Kritikpunkten: Die Elektronik ist leider etwas zu heiß geraten. Selbst wenn der Input-Gain am Headrush ganz heruntergeregelt wird, bleibt im Clean-Betrieb immer noch sehr hörbare Zerre in den Spitzen, es sei denn man hält sich beim Anschlag massiv zurück. Für den Jazz-Einsatz sollte man sich also sicher eher die passive Variante anschauen. Mit Zerre wird der Ton dann zwar akzeptabler, kann aber mit den EMGs 81/85 in meiner Les Paul nicht mithalten - da fehlt dann doch einiges an Definition, der Ton bleibt vergleichsweise schlammig, zudem ist Mikrophonie ein Problem und das Grundrauschen ist hart an der Grenze des Akzeptablen - NoiseGate ist somit Pflicht. Da ich diese Gitarre aber nicht unbedingt für den Live-Auftritt, sondern erst einmal nur zum eigenen Spaßvergnügen angeschafft habe, kann ich damit vor allem angesichts der Preises gut leben, richtig schlecht (wie bei meiner 90er BC Rich Platinum Series) ist der Sound eben keineswegs. Falls die Gitarre für mich in Zukunft eine wichtigere Rolle bekommen soll, werde ich allerdings wohl doch noch konkreter über einen Austausch der Pickups nachdenken - da liegt der Preis von einem paar EMGs aber deutlich über dem der ganzen Gitarre.
Etwas nerviger ist dagegen der Sattel. Was auch immer Nubone genau sein soll, es ist vermutlich einfach Hartplastik. Das bedeutet, dass vor allem die umwickelten Saiten sehr starken Reibungswiderstand erfahren, so dass Tuning trotz der anständig laufenden Mechaniken sehr mühsam wird - bei jeder Seite muss nach jeder Viertelumdrehung etwas Bending-Geruckel betrieben werden, um sicherzustellen, dass die Saitenspannung vor und hinter dem Sattel auch ausgeglichen ist. Ich kann mir vorstellen, dass es bei extemeren Bending-Aktionen der tieferen Saiten hier auch eher zur Verstimmung kommt. Jedenfalls kostet der Sattel aus meiner Sicht deutlich zu viel Zeit fürs schnelle und erfolgreiche Nach-Tuning, um in diesem Zustand für den Live-Einsatz in Frage zu kommen. Ich habe keine Erfahrungen im Herumbasteln an Gitarren, mal abgesehen vom Austauschen von Pickups, daher kann ich schlecht abschätzen, wie schwierig oder einfach so ein Sattel-Austausch selbst zu bewerkstelligen ist. Auch hier ist für mich der Schmerzlevel allerdings noch nicht hoch genug, um direkt aktiv zu werden.
Fazit: Im Großen und Ganzen war die HB R-457 Active die richtige Gitarre für den gewünschten Einsatz daheim - ab und zu eine befriedigende Chuggah-Chuggah-Session im Bariton-Bereich. Die Optik ist überaus ansprechend und das matte Finish ist weit aus weniger Fingertapser-anfällig als befürchtet. Das Gerät macht Spaß - das ist das Entscheidende. Verbesserungen hinsichtlich des Sattels und der Pickups sind auf meiner Wunschliste - und bleiben da auch fürs erste. Für den geforderten Preis bin ich mit meiner ersten Siebensaiter jedenfalls äußerst zufrieden.