Ich brauchte eine günstige Gitarre für Studioaufnahmen mit Tonabnehmersystem. Da ich nur wenige, unkritische Aufnahmen mit Konzertgitarren (Nylonsaiten) benötige, fiel das Augenmerk auf die extrem günstige Harley-Benton.
Die Streuung der Rezensionen ließ bereits vermuten, dass in dieser Preisklasse alles möglich sein kann, der Preis jedoch war unschlagbar und allemal einen Versuch wert.
Die Gitarre wurde prompt und gut verpackt geliefert, die Saiten in Seidenpapier eingeschlagen und ein Silica-Gel Säckchen im Korpus.
Entgegen mancher Rezensenten konnte ich an der gesamten Oberfläche der Gitarre keine Flecken, Lackfehler oder anderes in der Verarbeitung erkennen...eine wunderschöne Gitarre in edlem Schwarz. Lediglich das Griffbrett ist am Rand offenbar in einen Kunststoff eingegossen und wirkt optisch etwas ausgefranst. Die Bundstege könnten klarerweise etwas besser abgerundet sein, was ich - sobald es mich stören würde - mit etwas Schleifpapier schnell beheben könnte.
Also Gitarre gestimmt (und viele Male nachgestimmt, wie das halt bei Nylonsaiten so ist) und sie gab einen wunderschönen, ausgewogenen und vollen Klang (ich betreibe Gitarren im "strumming" Modus). Ich konnte keine unangenehmen Resonanzüberhöhungen bei bestimmten Frequenzen wahrnehmen, noch sonst etwas am Klang aussetzen. Alles in allem also eine wunderschöne, gute Gitarre zu einem sagenhaften Preis.
Leider war sie so gut, dass sie alsbald in den Besitz meiner Tochter überging und ich gezwungen war, die gleiche Gitarre nochmals zu bestellen.
Auch das zweite Exemplar kam schnell und ohne optische Mängel an. Nach dem Stimmen wurde mir allerdings schnell klar, dass ich nun Opfer der Exemplarstreuung geworden war: Vor allem die A und D Saite schepperte sobald man die Saiten nicht gerade extrem leise anschlug. Der Grund für dieses Verhalten war denn auch schnell gefunden, als ich die Saiten am ersten und letzten Bund gleichzeitig niederdrückte: Anstelle in der Mitte noch etwa 0.5mm Luft zu lassen, saßen die Saiten satt auf...der Hals war also zuviel nach hinten gekrümmt. Ein Problem, dass sich bei einer Westerngitarre möglicherweise durch Verdrehen der Halsschraube lösen ließe, das hier allerdings aufgrund des Fehlens ebendieser zu einem unlösbaren wird. Ich hatte dann noch versucht, den Hals mit einer Schraubzwinge mittels sanfter Gewalt (über mehrere Tage eingespannt) etwas auszubiegen, leider ohne Erfolg.
Fazit: Mit ein wenig Glück hält man eine wunderschöne Konzertgitarre zu einem phänomenalen Preis in der Hand. Anderenfalls schickt man sie entweder zurück oder hat eine "Gästegitarre" für feuchtfröhliche Abende mit den Nachbarn.
PS: Das Tonabnehmersystem funktioniert für den Preis angemessen gut, die Klangregler funktionieren erwartungsgemäß. Man vermisst lediglich ein Stimmgerät in der Elektronik.