Seit Jahren habe ich mich geweigert, mir mal ein Harley Benton näher anzuschauen. Zu oft haben mich Kommentare alla "Für Anfänger ok", oder "gute Beginner-Gitarre" abgeschreckt, denn aus vielfältigen Gründen bzw. Vorurteilen dachte ich, über eine Beginner-Gitarre für 160 Euro bin ich dann doch inzwischen weit hinaus. Mein Set bisher besteht aus Fender, Gibson, G&L, Godin, Ibanez und Martin.
Mehr durch Zufall bin ich dann mal auf ein paar Testvideos auf gängigen Streaming-Portalen gestoßen und nach einigen Recherchen dachte ich mir was solls, teste ich halt mal eine an Ich kenne ja Thomann und weiß, dass die Damen und Herren dort echt bemüht sind und es auch kein Problem ist, die Gitarre zurückzuschicken.
Meine Wahl fiel auf die HB SC 450 Vintage, da ich vor einiger Zeit mal in Berlin die Chance hatte, zwei Lefty LPs anspielen zu dürfen, eine von Epiphone (Custom Pro) und eine von Gibson (ich meine es war eine "Studio" Kostenpunkt 1300Euro). Ich war nie großer LesPaul Fan, aber irgendwie wollte ich zumindest mal herausfinden wie das Spielgefühl ist.
Ich will hier meine Lebensgeschichte nicht ausbreiten, vielmehr soll die Vorrede meine folgende Bewertung ins Verhältnis setzen denn das, was ich hier an Gitarre fürs Geld bekommen habe, macht mich irgendwie dann doch sprachlos. Kurz im Überblick:
Korpus:
Mahagoni (und Decke in Ahorn) als Honey Burst, keine Lacknasen, keine erkennbaren Schlieren oder Risse, schon von Weitem sieht die Gitarre wirklich schön aus. Kurz ins Stocken kam ich, als ich mir das Schlagbrett ansah, dass doch etwas angefetzt aussah. Aber schnell kam Klarheit das war nur die Folie. Klar mag die Plastik etwas "günstig" aussehen aber mir ist das völlig schnuppe. Insgesamt ist die Verarbeitung dieser 3teilig(?) gebauten Gitarre sehr gut allerdings ist sie kein Leichtgewicht.
Hals:
Der geleimte Hals mit 22 Bünden ist gut verarbeitet. Angst vor Dead Spots waren unbegründet. Sie lässt sich auf jeder Saite gut rauf und runter spielen. Kleines Manko die Bundstäbe fühlen sich nach den ersten Stunden etwas kratzig an. Bendings funktionieren auch hier tadellos, nur das Spielgefühl ist etwas beeinträchtigt. Allerdings muss ich zugeben, die Saiten noch nicht getauscht zu haben und da eine Lefty schon mal einige Zeit im Lager rumsteht, könnte das kratzige Gefühl am Ende auch (zumindest teilweise) von den Saiten herrühren, die nicht mehr so fresh aussahen. Zugleich könnten sich die Bundstäbe durch das Spielen evtl. auch noch "abschleifen" - Kleinigkeit!! Ansonsten ist die Werksausführung gut, die Saitenlage ist sicherlich noch etwas optimierbar, aber auch der Auslieferungszustand ist schon in Ordnung. Die Mechaniken sind gut im Handling und arbeiten extrem direkt.
Pickups, Sound und Handling:
Zunächst mal... Der Drei-Wege-Schalter tut was er soll ohne Störgeräusche. Die Potis tun es ihm gleich. Keine Probleme. Toll!!! Das war damals bei der Epiphone schon ein Problem. Die Potis zischten, wenn man an ihnen rumspielte. Und nun meine ganz persönliche Meinung: Die HB muss sich klanglich vor der Epiphone nicht verstecken. Die Wilkinson-Pickups der SC450 fühlen sich in Verbindung mit dem verbauten Mahagoni sehr voll und dunkel an. Das ist aber zunächst mal auch Geschmackssache. Ich erinnere mich, dass die damals von mir angespielte Gibson Studio (?) definitiv mehr Punch und Höhen im Klang hatte und etwas aggressiver im Anschlag war -eben vielseitiger! Grade für kräftigen Metal sicherlich gewollt, mir gefiel das zwar auch gut, jedoch vernahm ich bei der Gibson damals auch einiges an Sustain-Verlust in den höheren Lagen was mich doch eher enttäuschte. Der Sustain bei der SC450 ist gelinde gesagt, laaaaaang!! Wahnsinn, wirklich bemerkenswert. Und auch insgesamt kann ich dem Sound ein solides "echt GUT" geben, da ich neben dem scharfen und glasigen Klang meiner Strats bzw. Teles jetzt eine wirkliche klangliche Erweiterung erfahren habe. Die SC450 ist für meinen Geschmack genau das Richtige in Sachen Blues, Rock oder sicherlich auch im Indie-Bereich eine Alternative. Eine Aufwertung des Klangs lässt sich hier sicherlich aber auch schnell bewerkstelligen, etwa mit einem Seymor Ducan Set, für diejenigen, die es brauchen. Ich für meinen Teil brauche das für meine Musik nicht unmittelbar.
Was das Klangspektrum/Vielseitigkeit angeht, kann sie mit dem großen Vorbild sicher nicht mithalten. Sie ist für mich halt ne kleine Rock-Göre mit etwas dunklem Verve! Aber das was Sie macht, macht Sie gut. Die einzelnen Pickups bieten durchaus auch ein gewisses Klangspektrum an und setzen sich voneinander ab, für mein Gefühl aber eher fokussiert im Mitten-Bereich. Ein Schuss Direktheit und Schärfe, welches das Original sicher inne hat, fehlt ihr vielleicht. Im High Gain Bereich kann sie aber durchaus richtig wütend werden. Zugleich verzeiht sie durch ihre engere Klangbreite auch schneller mal den ein oder anderen schiefen Ton. Dafür mag ich Sie umso mehr!
Fazit:
Bevor mich nun Gibson-Fanatiker steinigen gebe ich gleich mal Entwarnung: Nee, natürlich ist die Harley Benton einer Gibson LP (zumindest die, die ich seinerzeit mal antestete) nicht ebenbürtig. Aber wie sollte Sie das auch sein? Im Klang und der Verarbeitung sind da natürlich qualitative Unterschiede bemerkbar. Aber wäre auch schlimm wenn nicht. Gemessen am Preisverhältnis, bin ich allerdings sprachlos. So muss ich auch klar sagen, dass ich hier wirklich mal eine Lanze für die Thomann-Hausmarke brechen muss - wenn es denn qualitativ immer so ist, wie mit dieser SC450 (obwohl ich selbst lange keinen Finger an die HB Gitarren setzen wollte). Nix da "nur für Anfänger" Sorry, aber das halte ich gemessen an dem, was man für den Preis bekommt schlicht für falsch. Die Gitarre ist definitiv ein solides, gut gebautes, toll klingendes und angenehm bespielbares Instrument für JEDEN, der nicht mal schnell 1400 Euro auf der Tasche hat, um sich das Original zu besorgen. Die Preispolitik der ganz großen Marken ist in meinen Augen gemessen an dem, was hier geboten wurde doch inzwischen recht skurril. So frage ich mich immer mal wieder, ob gewisse Preise ernsthaft gerechtfertigt sind (speziell auch im Mid-Price-Segment). Was die SC450 angeht, würde ich Ihr bei einem Kaufpreis von 400 Euro insgesamt 8 von 10 Punkten geben. Da ich aber 160 Euro bezahlt habe, bleibt mir bei dem Preis-Leistungsverhältnis nichts mehr als 10 von 10 zu vergeben sofern Sie denn in den nächsten Monaten weiter so gut performt (Durability bleibt logischerweise unter Vorbehalt).
Ach ja... noch ein Satz zur Streuung. Das ist immer mit zu berücksichtigen, besonders bei günstigen Klampfen. Wobei ich auch schon bei 900 Euro Gitarren fassungslos war. Also die Instrumente immer genau checken. Montagsmodelle gibt es leider immer und überall, wohl auch im HighEnd Bereich aber sicherlich im Günstig-Segment noch mehr. Ich habe hier vielleicht Glück gehabt - oder auch nicht - Bei der nächsten HB, weiß ich bestimmt mehr...!!!