Eines vorneweg: Unter meinen derzeit mehr als 70 Gitarren befindet sich nun mit der Harley Benton SC-Special TV Yellow, die 11. Harley Benton Gitarre.
Bislang waren fast alle Exemplare mittelmäßig bis gut verarbeitet, verfügten jedoch über eine gute bis sehr gute Basis, bezogen auf den Preis.
Jede dieser Gitarren habe ich einer besonderen Überarbeitung bzw. Optimierung unterzogen, um danach eine wirklich hervorragend bespielbare und gut klingende Gitarre in meiner Sammlung zu haben. D. h. Bünde abrichten, Bünde und Bundkanten verrunden, Bünde polieren, Griffbrett feinschleifen und ölen, Sattel optimal kerben, Halsneigung, Saitenhöhe und Intonation optimal einstellen, ggfs. Hardware tauschen, einstellen, etc.
Dass solche Optimierungen für den verlangten Preis dieser Gitarren ab Auslieferungslager Thomann nur eingeschränkt oder nicht möglich sind, ist m. E. völlig O. K. und nachvollziehbar.
Die Instrumente kommen zumindest in einem spielbaren Zustand beim Kunden an.
Die vorletzte Harley Benton DC-Junior Faded Brown mit einem Dog Ear P90 am Steg war eine richtig gut klingende und ordentlich verarbeitete Budget Gitarre. Deshalb war es für mich nur logisch, nach Erscheinen einer mit zwei P90 ausgerüsteten Gitarre, diese ebenfalls zu erwerben.
Optik:
Die gelbe Farbe unter dem Klarlack wirkt teilweise wie von Kinderhänden aufgebracht. Stellenweise dick deckend und dann wieder dünn. Aber leider kein durchgehend gleichbleibend transparenter Lackauftrag. Das wirkt teilweise richtig fleckig.
Zudem finden sich deutlich sichtbare Lacknasen oder in einem Bereich vier in gerader Linie wie Dellen aussehende Vertiefungen unter dem Klarlack. Auf der Kopfplatte finden sich etliche Kratzer. Auf der Rückseite des Bodys zahlreiche kleine Vertiefungen im Lack, die auch nach einer Politur nicht richtig kaschiert werden konnten.
Elektronik:
Auf dem Qualitätskontrolle Label steht: „Dieses Instrument wurde von unserem Service Team überprüft“, „checked by: 966“.
Leider gehörte offenbar eine Funktionsprüfung nicht zum Kontrollumfang. Denn andernfalls hätte man bemerkt, dass sich das Volume-Poti des Steg Tonabnehmers nicht vollständig zurückregeln ließ. Es ließ selbst bei Linksanschlag noch ca. 40 Prozent Lautstärke an den Ausgang durch.
Nach Öffnen des E-Fachs offenbarte sich das ganze Elend: Eine Lötarbeit, die diesen Namen nicht verdient. Teilweise Kabel an Poti-Pins, die von Lötzinn nur gestreift wurden und hier hingen wie die Fähnchen im Wind.
Nach dem kompletten Nachlöten aller Lötstellen wollte das Poti aber noch immer nicht. Ich entdeckte dann aber ein Masseproblem am Poti, verursacht durch verlaufenes Lötzinn.
Hardware:
Die Potiknöpfe liefen so tief, dass sie bereits Furchen im Lack hinterlassen hatten. Abhilfe schaffte nur das Weglassen der Kontermutter auf der Potiachse. Jetzt kommen die Potis etwas weiter aus dem Korpus und lassen sich auch viel besser regeln.
Der Steg P90 ließ sich nicht annähernd auf eine optimale Höhe zu den Saiten bringen. Dazu waren die Schrauben zu kurz und die in der PU Fräsung am Boden angegeklebten Gummis viel zu flach. Abhilfe war nur durch eine eigene höhere und die komplette Fräsung umfassende Moosgummi Auflage verbunden mit längeren Pickupschrauben möglich. Jetzt kann ich den Steg PU korrekt einstellen und er hängt auch nicht mehr so schief in der PU Fräsung wie vorher.
Auch den Hals P90 habe ich noch unterfüttert, sodass dieser nicht Richtung Steg nach unten hängt.
Der Steg ist eindeutig falsch gesetzt. Dieser gehört mindestens einen Zentimeter mehr in Richtung Korpusende. Eine gerade noch vertretbare Intonation konnte ich erst einstellen, nachdem ich beide Distanzschrauben an der Bridge fast ganz angezogen und sich damit die Bridge von den Schrauben der Einschlaghülse nach hinten maximal entfernt hatte und ich zusätzlich noch einige Saitenreiter Richtung Korpusende ganz hinten bis zum Anschlag geschraubt hatte. Das ist unvertretbar.
Die Bridge hängt zudem Richtung Hals PU sichtbar nach unten, da die Fräsung an den Schrauben der Einschlaghülse zu viel Spiel hat.
Die sehr dünn aufgetragene dunkle Farbe auf dem Griffbrett lässt bei geringster Bearbeitung sehr schnell das darunter liegende hellbraune Griffbrett Material zum Vorschein kommen.
Nun zum positiven Teil:
Nach meinen Optimierungen lässt sich die Gitarre wirklich gut und angenehm spielen, sodass auch Ganzton-Bendings bei sehr flacher Saitenlage in allen Lagen problemlos möglich sind.
Die Roswell P90 sind gut aufeinander abgestimmt (Hals P90 ca. 7 kOhm, Steg P90 ca. 10 kOhm) klingen angenehm ausgeglichen und machen ihren Job wirklich sehr gut.
Die sehr leichte Gitarre zerrt aufgrund ihrer 2,6 kg kaum am Gurt und die Gesamtkonstruktion klingt recht resonant, wenn auch nicht so ansprechend wie meine letzte DC-Junior.
Fazit:
Leider ist erst nach vielen Stunden nachträglicher Bearbeitung eine brauchbare Gitarre dabei herausgekommen, die sich gut spielen lässt und ordentlich klingt. Ein Preis- Leistungswunder ist zumindest mein Exemplar wahrlich nicht und ich hoffe, dass die beschriebenen Verarbeitungsmängel ein Ausrutscher waren und nicht zum Standard werden.