Vor ein paar Tagen habe ich die langersehnte Harley Benton ST-90SA Swamp Ash DLX Series erhalten. Es hatte ein wenig gedauert, weil ein Artikel, den ich mitbestellt hatte, noch nicht verfügbar war, wie es eindeutig aus der Artikelbeschreibung zu entnehmen war. Also alles gut und kalkulierbar. Dann hakte es aber beim Lieferanten/Hersteller, der fehlende Artikel erhielt einen noch späteren Liefertermin. Daraufhin bekam ich eine liebevolle und besorgte Mail vom Kundenservice, der die Sachlage ausführlich erläuterte. Das war schon fast zu viel des Guten, was da alles an Zusammenhängen aufgeführt wurde. Deswegen möchte ich den Thomännern und -frauen zum einen dafür danken, zum anderen erklären, dass sie ruhig ein wenig selbstbewusster auftreten können. Thomann gehört für mich zu den wenigen Firmen, denen ich weitgehend vertraue, weil sie mMn. eine Art partnerschaftliche Haltung gegenüber ihren Kunden ausreichend bewiesen haben. Aus diesem Grund benötige ich keine weit ausholenden Erklärungen, wenn etwas mal nicht so rund läuft. Eine kurze Mitteilung zum Sachverhalt, nett und Musiker-affin flott und positiv formuliert würde mir ein freundliches Lächeln abverlangen. So weit, so gut. Jedenfalls wurden daraufhin die verfügbaren Artikel sofort versendet und kamen am nächsten Tag auch gleich an, schon ein Glücksfall in diesen Zeiten. Nun zum Thema.
Erster Eindruck: Als ich die Gitarre aus dem Karton hob, von der Noppenfolie befreit hatte, war ich vom Gesamteindruck schon beeindruckt. Hinzu kam, dass die Saiten mit einem wertigen, beschichteten Papier umwickelt waren in einer Farbe, die auf die Farbtöne der Gitarre abgestimmt schien, ordentlich mit Klebestreifen geschlossen und geschützt. Das alles hat mich echt beeindruckt. So viel Sorgfalt habe ich noch bei keinem anderen Instrument erlebt. Das Resultat dieser aufmerksamen Bemühung, meine Fingerkuppen blieben beim Anspielen ungeschwärzt, wie es bei Gitarren dieser Preiskategorie normalerweise der Fall wäre. Das ist eine wirklich schöne kleine Neuerung mit großer Wirkung, die Thomann da eingeführt hat. Da sind die aufgespannten Saiten keine Alibi Drähte, die umgehend entsorgt werden müssen, sondern haptisch und musikalisch wertvoll, die können wie ganz normale neue Saiten gespielt werden. So gehört sich das für ein neues Instrument, basta.
Mir persönlich gefällt die Gitarre in Natur matt. Die verschiedenen Holztöne sind gut aufeinander abgestimmt und ergeben für mich ein warmes, homogenes Gesamtbild, was auch das dreilagige Pickguard miteinbezieht. (zu meiner Haltung zu Kunsstoffen am Instrument siehe weiter unten) Die Marmorierung dessen hat eine angenehme Struktur, die recht natürlich aussieht (Schildpatt). Das Pau Ferro des Griffbretts hat einen wunderschönen Braunton, eine echte Alternative zwischen Ebenholz und Ahorn. Manchem wird das Gesamtbild langweilig erscheinen, aber für diejenigen gibt es ja Wilderes. Die Maserung der Esche ist schön herausgearbeitet, aber natürlich kann sie den Industrial Look, den Leo Fender eingeführt hat, nicht ganz verleugnen. Wer Feineres will, muss halt etwas mit spiegelsymmetrischer Decke kaufen. Die handwerkliche Qualität ist z.T. schlicht der Hammer. So stramm, wie z.B. der Hals am Korpus sitzt, da kann man bis auf eine Stelle schon nicht mehr von Spaltmaß sprechen, weil es gar keinen Spalt gibt. Der Korpus ist an einer Stelle etwas rau. Die Montagefehler: eine einzige etwas schief sitzende Mechanik. Die Tonabnehmer sind wohl für alle Positionen gleich breit, deswegen sitzen die Polepieces nicht immer mittig unter den Saiten. Das zusammen mit den durchgesägten Bundschlitzen, die mangels eines Bindings seitlich sichtbar sind, dem relativ dünnen Griffbrett, welches zur Kopfplatte hin etwas dicker wird, kann man dem günstigen Preis zurechnen.
Handling: Der Korpus schmiegt sich Strat-gemäß angenehm an den Körper an. Der einteilige Hals ist einwandfrei gearbeitet, keine scharfen Bundkanten, angenehme Griffbrettkante. Das C-Format geht einen Hauch in Richtung Fender Baseball Bat, hat also noch genügend Holz, ist aber keineswegs unhandlich, fühlt sich zudem angenehm an. Die Mechaniken sind schon recht schwergängig, das hat mich erst einmal überrascht. Nach ein paar Wochen der Nutzung zeigen sie erste Schwächen, laufen untereinander ungleichmäßig schwer und z.T. auch innerhalb einer Saitenachsen Umdrehung. Die Potis laufen auch etwas schwerer als so manche andere, das finde ich aber besser, als wenn sich die Dinger nur schon beim schräg angucken verstellen. Für diejenigen, die viel mit dem kleinen Finger an den Potis arbeiten, bleibt das aber zu bedenken. Mit den werksseitigen 9er Saiten fand ich das Schwingungsverhalten der Gitarre anfangs nicht sonderlich ausgeprägt, aber wie ich im späteren Vergleich mit anderen Instrumenten feststellen konnte, ist das akustische Signal durchaus achtbar. Da hat der solide Body mich wohl auf eine falsche Fährte geführt, denn Gewicht hat die Gitarre (ca. 4,3 kg auf der Personenwaage), wohl eine Sumpfesche nahe am Fels gewachsen :-). Mal sehen, welche Sound-Qualitäten die daraus resultierende Standfestigkeit der Konstruktion noch offenbaren wird. Der akustische Grundsound ist eher warm, nicht ganz so drahtig, wie meine Tele.
Bespielbarkeit: So, wie sie daher kommt, ist das Spielgefühl schon mal gut. Die Bünde haben ein vintage Format, sind also relativ klein. Bundreinheit habe ich erst einmal rein optisch an den Reitern als ordentlich bearbeitet erachtet. Die Saitenlage stimmt für mich auch nachdem sich das Instrument nach ein paar Tagen akklimatisiert hat. Ich werde für mich sowieso irgendwann10er Saiten aufziehen, dann wären die nötigen Einstellungen am Hals vorzunehmen. Also, für Qualitätskontrolle und Einstellung des Instrumentes: beide Daumen hoch! Den Stempel auf dem Kontroll-Anhänger konnte ich dann nicht entziffern.
Zubehör: Es liegt ein Beipack bestehend aus drei Inbusschlüsseln für die diversen Justierungsmaßnahmen und ein Anschlusskabel schlichter Qualität in einem Plastiktäschchen bei. Nicht schlecht! Dort finde ich auch den Vibratohebel, der gesteckt wird und mittels einer Madenschraube in der Gängigkeit eingestellt werden kann. Allerdings passt keiner der Inbusschlüssel zu der Made. Zum Glück konnte ich auf mein Sortiment Werkzeug zurückgreifen, das man als E-Gitarrist so angesammelt hat.
Vibrato: Ein Entscheidungskriterium für die Wahl dieser Gitarre war das Zweipunkt Tremolo, welches frei schwebend montiert ist, wobei der Federblock auf der Rückseite auch fast mittig in der Aussparung zu finden ist. Die verchromte Brücke sieht wertig aus, die Reiter sind matt und anscheinend aus Edelstahl. Das ergibt einen Tech-Touch. Die Reiter wirken massiv und lassen sich gut in der Höhe justieren. Der Metallblock, in den man die Saiten einfädelt, sieht nach Grauguss aus und wird von drei Federn gehalten. Der wird dem Sound wahrscheinlich nicht die volle Klarheit geben, was ich bevorzugen würde; kann man aber auch als eines von diversen Klanggestaltungsmitteln sehen. Die Saiten werden an der Lochkante zum Block geknickt. Der Hebel hat etwas Spiel in seiner Muffe. Die Stimmung wird bei Benutzen schnell in Mitleidenschaft gezogen. Da besteht also Verbesserungspotenzial. Ich schaue schon nach einer Alternative. Schön finde ich, dass der Hebel nicht mit einem Plastikgriff versehen wurde. Wir leben ja nicht mehr in der Kunststoff Euphorie der 60er, je weniger davon am Instrument zu finden ist, desto besser für mich. Vielleicht findet mal jemand eine Lösung für das Pickguard, welche genauso praktisch montierbar ist, wie die Ursprungsidee aus Plaste.
Tonabnahme: Die Tonabnehmer von Roswell machen für meine Ohren einen richtig guten Job. Es klingt ordentlich nach Strat und die einzelnen Schaltpositionen ergeben jeweils eine eigene Klangabstufung. Die beiden Zwischenpositionen 1+2 und 2+3 sind brummfrei. Das Wichtigste: es macht Spaß sich beim Spielen zuzuhören. Ich persönlich hatte von vornherein den Austausch geplant (das besagte Teil mit der Lieferverzögerung), vor allem, weil mich das Single Coil typische Nebengeräuschverhalten mehr und mehr nervt. Wer damit leben kann, bekommt eine solide Basis, die gut mit den Holzvorgaben des Instrumentes harmoniert.
Zusammenfassung: Ich denke, die Gene des Instrumentes sind achtenswert und eine gute Basis für das eine oder andere Upgrade. Ich wage zu behaupten, dass sie nach dem Einbau mit meinen derzeitigen Lieblingspickups von Fishman zu meinen Favoriten zählen wird. Das Fluence Set kommt möglicherweise noch zu Weihnachten und dann habe ich eine herrliche Instrumentenbescherung. Frohe Feiertage!!!