Ich bin eigentlich E-Gitarrist, aber jetzt spiel ich halt in einer Akustikband und da brauchte ich ein entsprechendes Werkzeug. Das ist nicht meine erste akustische Gitarre, ich hab also durchaus Vergleichswerte und als semiprofessioneller Audioengineer haben mir leider schon ein paar Leute ihren CVJM-Hobel unter die Nase gehalten.
An meine neue Akustik habe ich folgende Ansprüche gestellt (und ich kann schon mal für die Lesefaulen spoilern, dass die hier erfüllt wurden).
- laut genug, um mit einer zweiten Western, einer Querflöte, einer Violine, einem Cello und einem Kontrabass mithalten zu können
- eingebauter Tonabnehmer für leichtere Handhabbarkeit bei Auftritten
- möglichst flache Zarge, da meine rechte Schulter gerade keine fetten Dreadnoughts zulässt
- möglichst viel Abstand zur Privatinsolvenz
Nach viel hin und her bin ich dann bei der ST-Acoustic gelandet und sie gibt mir genau das was ich brauche.
Die Verarbeitung ist absolut makellos. Der Lack ist wunderbar aufgetragen und das Binding schließt die Decke vorzüglich ab. Zargen und Boden sind aus ABS und da muss man halt Bock drauf haben. Ich persönlich find das ganz gut, weil sie dadurch sehr solide daherkommt und sich gut anfühlt.
Hals und Kopfplatte sind aus einem Stück Holz, was in diesem Preissegment schon eher eine Seltenheit ist.
Die Tuner hätten gerne schwarz sein können. Die Stimmung halten sie auf jeden Fall extrem gut. Akustikinstrumente neigen ja eher dazu sich durch Umwelteinflüsse mal zu verstimmen aber hier muss ich eigentlich nie wirklich viel machen. Transport durch die Kälte und lange Bandproben packen sie wirklich gut. Das hat mich wirklich überrascht.
Die Bespielbarkeit ist schwer in Ordnung. Die Saitenlage dürfte gerne etwas tiefer sein, ist aber absolut im Rahmen. Beim nächsten Saitenwechsel schleif ich vielleicht die Brücke mal ein bisschen runter. Die Bundränder sind wunderbar glatt und schließen sauber mit der Griffbrettkante ab. Chapeau.
Griffbrett und Hals fühlen sich makellos an. Der Hals ist natürlich kein Ibanez Wizard III, aber halt auch kein grobes Kantholz aus'm Baumarkt. Für meinen Geschmack an der Grenze zu "etwas zu viel." Ich kann trotzdem wunderbar damit arbeiten. Und der sautiefe Cutaway lässt knibbeliges Spiel bis in die höchsten Lagen zu.
Sowohl im Sitzen als auch im Stehen macht sie eine gute Figur. Ich spüre keine Kopflastigkeit. Am Gurt hängt sie bequem und durch die flache Zarge mit knapp 6cm Höhe lässt sie sich angenehm in den Arm nehmen. Der geformte Boden aus ABS schmiegt sich sauber an meine Wampe an.
Der akustische Sound ist schon ziemlich geil. Sie klingt natürlich anders als eine Dreadnought, eine Konzertgitarre oder eine Jumbo. Die Attribute "besser" oder "schlechter" mag ich hier gar nicht anwenden. Einfach anders. Weniger boomy, etwas nasal, ausgewogen und etwas mittiger als eine Dreadnought. Ich persönlich mag das sehr.
Der Tonabnehmer... ist halt ziemlich scheiße. Das ist halt kein Fishman. Der EQ lässt Einstellungen von Presence, Treble, Mids und Bass zu. Für mich funktioniert es gut Presence und Treble leicht zu boosten und Mids und Bass leicht zu cutten. Ich finde den Klang übrigens auch besser, wenn man die Lautstärke an der Gitarre selbst relativ hoch dreht (so auf 3 Uhr) und dafür aber den Preamp am Mischpult/Interface/wasauchimmer eher runterdreht. Dann kann der EQ seine Arbeit besser verrichten und das Instrument klingt klarer. Insgesamt klingt der Tonabnehmer aber leider wie ein sehr schlecht eingestellter Single Coil an einer sehr billigen Telecaster. Die Charakteristiken einer Akustikgitarre kommen leider gar nicht durch. Beim ersten Test sah ich das noch alles anders. Mittlerweile stand ich damit mal auf einer Bühne und das war schon peinlich. Den Tonabnehmer muss ich wechseln.
Also, was machen wir jetzt damit?
Verarbeitung, Bespielbarkeit, Aussehen und akustischer Sound sind wirklich großartig, aber der Tonabnehmer ist leider absolute Grütze. Wer darauf erstmal nicht angewiesen ist und sich nach und nach Geld auf die Seite legen kann, um den Tonabnehmer zu wechseln, bekommt hier eine ziemlich gute Thin Line, die den Spielkomfort einer elektrischen in eine akustische bringt.
Ich würde sagen, dass es sich hier um ein Kontextinstrument handelt. Ich bin immer der Meinung, dass es kein schlechtes Equipment, sondern nur schlechte Anwendung gibt. Das ist eine Gitarre, die innerhalb einer Band, in der sie ihre Aufgabe erfüllen soll wunderbar funktioniert und klanglich toll mit anderen akustischen Instrumenten verschmilzt. Oder halt für elitäre E-Gitarristen, denen der Look anderer Akustiks zu peinlich ist, um damit vor der Black Metal Clique anzugeben.
Ich gebe 4 Sterne.