LINE6 M5
Als früherem POD-User ist mir im Gedächtnis geblieben: LINE6-Ware taugt etwas. Der kleinste Stompboxmodeler aus der M-Reihe macht da keine Ausnahme. Gut, die Potiknöpfe könnten ein wenig größer sein, und die Blink-LED über dem kombinierten Tuner-/Tap-Tempo-Switch kennt kein Pardon. Nebensächlichkeiten. Dafür stimmt das Konzept. Um die einhundert Einzeleffekte, unterteilt in fünf farblich gekennzeichnete Gruppen. Und lassen wir die Effekte beiseite, für die wir noch ein Zusatzpedal zur Steuerung benötigten, und vorerst solche, die faktisch nur in einem Stereo-Set korrekt rüber kommen würden, bleiben noch jede Menge an Brot-und-Butter-Effekten übrig, mit denen wir uns amüsieren können.
Die Ausgangssituation dürfte bei vielen Kollegen dieselbe sein: Wir haben eigentlich alles, was wir tagtäglich so brauchen. Doch so ein Chamäleon-Effekterzeuger wie das M5 kann uns trotzdem ganz gelegen kommen.
Der Vorteil liegt auf der Hand: Ein M5 ist ungemein flexibel einsetzbar. Ad hoc Effekte in bekannter LINE6-Qualität nach Belieben, nach Bedarf. An welcher Position und in welchen Signalpfaden auch immer.
Praktischerweise besorgt man sich alle wesentlichen Informationen vorab aus dem Web. 'Handbuch', Liste der FX-Parameter ? alles problemlos zu finden. Man weiß also bereits, womit man es zu tun bekommt.
Außer der Reihe mal Bock, ein Fuzz zu benutzen? Ich orientiere mich am berühmt-berüchtigten Big Muff. Unter vielen anderen 'legendären' Gerätschaften im M5 zu entdecken.
Und wie bei allen implantierten Effekten ertönt sofort ein werksmäßig voreingestelltes Preset, damit der unbedarfte Neu-User nicht völlig bei Null anfangen muß.
Okay, mit dem dafür prädestinierten Setup (Halspickup von Strat oder Tele, Tone gegen Zero) und etwas Nachregelei an den stramm laufenden Potis mufft, bzw. sustained es dann auch korrekt.
Will ich das so haben und behalten? Yepp! Also muß ich meinen persönlichen Fuzz Pi abspeichern.
Abgehakt, läuft. Temporär noch das Preset-übergreifende interne Noise-Gate aktiviert: Auch in Ordnung.
Man muß nicht die höhere Mathematik bemühen: Ein halbes M5 entspricht bereits dem Gegenwert eines ganzen aktuellen Electro-Harmonix Kistchens. Der analoge Deluxe-Memory-Man desselben Herstellers war einmal einer meiner Favoriten; LINE6 beamt mich mit dem Preset 'Analog W/MOD' zurück in die Zukunft.
Auch die übrigen M5-Clones analoger Wiederholungstäter haben mich schnell für sich eingenommen.
Logisch: Nach dem Anpassen der jeweiligen Parameter das Abspeichern nicht vergessen!
Eddie Van interessiert mich zwar nicht, aber MXR-Modulatoren: Phase 90, Analog Flanger = abgehakt!
Der Clone des CE-1 Chorus spielt in derselben Liga. Chandler's Tube-Drive und ProCo's Nagetier machen da keine Ausnahme. Ebensowenig wie diverse Compressoren, ein netter Bass-Octaver, Envelope Follower und eine Voice-Box. Wenn man sich in jeden Effekt aus dem reichhaltigen Angebot eine Weile verbeißt, kann das Durchchecken seine Zeit dauern.
Erwähnenswert sind auch etliche EQ's, sowie zwei Sounds aus dem Guitar-Goes-Synthesizer-Bereich, die meiner Erinnerung nach die gleichen irgendwie leicht unberechenbaren Klänge produzieren wie ihre großformatigen Urväter. Mal eben einen externen Zerrer davor gestöpselt und ich frage mich, wo eigentlich mein alter X-911 aus der KORG-Schmiede abgeblieben ist.
Und zum Tremolo habe ich gerade ein anderes Verhältnis entwickelt. LINE6 bietet sowohl die fendereske als auch die vöxische Variante an. Mein Californier hat diesen altmodischen Sound nicht direkt vermisst, aber er bedankt sich trotzdem und erinnert mich sofort an seinen doch eher mauen Federhall: Alter, kann man da nicht was tun?
Kann man. Nämlich den M5er in den Einschleifweg stöpseln. Hier darf er beispielsweise Fender-artig hallen oder endlich diverse Delays vorstellen, die auch als Originale nicht vor dem Amp platziert werden wollen.
In beiden Disziplinen kommt der Proband ohne Ausnahme gut über die Runden. Oder auch: Die bisherige Performance bricht nicht ein.
Letzter Punkt auf der Tagesordnung: Der M5 im Stereo-Einsatz. Mixer-mäßig, Aux-Weg. Zuständig für Hallräume, Ping-Pong, Stereo-Delays, Panning oder stereophones Gewusche. Klar, so etwas tut man nicht. Ist doch normalerweise die Domäne 19-zölliger Flachbriketts. Wir erwarten jetzt natürlich keinen Lexicon-Hall und keine t.c.-Delays, sind aber keineswegs enttäuscht von den Ergebnissen.
Aha, der M5 ist also ein z.b.V.-Gerät. Fehlt an einer Stelle der Effekt X, dann nimm das große M.
Durch die Bank gute bis sehr gute Sounds, simple 'Programmierung' der FXe und No Secrets die globalen Einstellungen betreffend. Alles eben easy zu händeln.
Wenn das Teil jetzt noch einen ausklappbaren Korkenzieher besäße und ein rotes Gehäuse hätte ...
Spätestens jetzt kommt mir der Gedanke, dass es ziemlich geil wäre, wenn mir zwei von diesen netten Dingern zur Verfügung stünden. Zwei M5er allerdings ? nicht einfach nur einer der beiden größeren Brüder.
Wer nun die Geschwindigkeit in den beiden vorhandenen Rotary/Leslie-Presets mit dem Fuß regeln will, externen Zugriff auf diverse andere Parameter benötigt, das Vol-Pedal-Patch nutzen möchte oder eines der insgesamt acht gemodelten Wahs, der muß noch einmal in die Tasche greifen, denn ohne ein zusätzliches Expression-Pedal läuft in dieser Hinsicht nix.
Man könnte natürlich auch ein eventuell nutzlos herumliegendes Alt-Pedal (Volume oder Wah) kurzerhand umbauen, so dass es anschließend den Expression-Job übernehmen kann.
Oder man hat ein großformatiges Floor-Gitarren-Multi-Dings mit eingearbeiteten Pedalen in Petto, welches man -aus reiner Neugier- via Midi mit dem M5 verknüpfen kann, um dem Kandidaten per Fußwippe mal ein paar gezielte Controller-Daten rüber zu schieben: Mach' jetzt was, Kollege!
Macht er, der LINE6-Companero: Volume-Pedal = läuft. Speedregelung & Co. = funzt. Und alle acht Wah's wahen auch prompt ohne Zickerei los. Aber abgesehen davon, dass es sich nicht rechnen würde, ein M5 als Fußwippenalternative zu nutzen, gehören gemodelte Wahs eher in die Rubrik 'Na gut, wenn man es denn unbedingt dringend braucht'.
Wollen wir zum Schluß noch etwas meckern?
Das Regeln & Pegeln ist etwas für spitze Finger; kleine Potis, bzw. Knöpfe, die zudem sehr eng beieinander stehen. Der aufragende Trittschutzbügel macht die Sache nicht unbedingt Bedienungsfreundlicher.
Das Benamsen der Eigenkreationen mit Hilfe zweier Potis vor dem endgültigen Abspeichern gestaltet sich ziemlich nervig. Auch die vierundzwanzig Speicherplätze sind schnell belegt. Sehr schnell. Zu schnell.
Doch was soll's ? der M5 hat schließlich Midi auf der Pfanne. Gut ist, wenn ein Sequencer-Programm zum Austausch von SysEx-Daten vorhanden ist.
Wer einen M5er im Hardware-Midi-Verbund nutzen möchte, wird planvoll vorgehen müssen, denn hier gibt es keinen Programchangetable. Stur werden nur eingehende PG-Befehle von 1 bis 24 akzeptiert; wer mappen will, muß das von einem vorgeschalteten Gerät erledigen lassen.
Davon ab tut man gut daran, seine personalisierten Effekte überlegt und eben auch sortiert auf die Speicherplätze zu bannen. So läßt sich z.B. der Wechsel zwischen verschiedenen Modulations-FXen zügiger per Schuh meistern, wenn man alle entsprechenden Effekte auf aufeinanderfolgenden Speicherplatznummern unterbringt, und man beim Durchsteppen nicht immer wieder ein Delay-Patch o.ä. übertasten muß. Denn die Hürde der etwas umständlichen Fußtasterei läßt sich beim Verzicht auf eine Midi-Steuerung nicht umgehen.
Man kann sich natürlich auch die entsprechenden Originalgeräte aufs Board schrauben. Tja, und dort stehen sie dann ? unverrückbar, passgenau und in ausgeklügelter Reihenfolge nebeneinander montiert und verkabelt, nicht wahr? Und steppen muß man trotzdem.