...und dann macht der Mackie Big Knob Studio am Ende doch was er soll und das auch sehr gut!
Fazit: Wer anstatt Haare in der Suppe zu suchen lieber ein bisschen rumprobiert und optimiert (unten mehr dazu), praxisferne Regelbereiche vermeidet und für das Knacken und Bluppen beim Ein- und Ausschalten Workarounds akzeptiert, der kriegt mit dem Big Knob Studio ein Gerät, mit man in sehr guter Qualität und separat mit 2 Kopfhörern und 2 Lautsprechersets direkt von der DAW und/oder vom Mischpult abhören kann, inklusive A/B Vergleich mit Lautstärkeausgleich, Mute, Mono und Pegelabsenkung auf Knopfdruck. Dazu bekommt man noch ein ordentliches USB-Interface, über das man gescheit direkt in die DAW aufnehmen kann. Die Software Beigaben habe ich mir noch gar nicht angeschaut.
Negativ von wichtig zu weniger wichtig:
1) Ein- und Ausschalten sorgt für kräftiges Knacken bzw. Blupp in den Kopfhörern und Lautsprechern, ganz egal wie die Potis stehen und ob die Ausgänge aktiv geschaltet sind oder nicht. Das ist ärgerlich, aber wenn man die Reihenfolge beim Ein- und Ausschalten bzw. Ein- und Ausstöpseln diszipliniert beherzigt, kann man das Problem leicht umschiffen.
2) Beide Potis für die Kopfhörerlautstärke regeln von 0 bis ca 15° (so bis kurz vor 9 Uhr) unsauber, in diesem Bereich wird das Signal links und rechts ungleichmässig und mit Aussetzern verändert, d.h. etwa die ersten 20% des Regelwegs sind fast unbrauchbar, was in einigen Rezensionen zu Recht bemängelt wird. ABER: Die restlichen 80% des Wegs funktionieren dann sehr sauber und butterweich. Selbst wenn man sehr leise abhört, kann man den kritischen Bereich der Potis leicht vermeiden, indem man das digitale Ausgangssignal am Computer von 100% auf z.B. 80% oder weniger (Nachtrag: Ich bin inzwischen bei 50%) reduziert - in den Windows Systemeinstellungen, nicht etwa am Masterfader der DAW! Dann stimmt auch die Pegelanzeige des Big Kob etwas besser, bzw. so ließe sich die auch in etwa kalibrieren. Bei Kopfhörern mit niedriger Impedanz (z.B. Smartphone In-Ears) funktioniert das aus physikalischen Gründen nicht ganz so gut: Meine Shure SE315 In-Ears haben nur 27 Ohm Impedanz und sind mächtig laut, so dass man den Eingangspegel weit zurücknehmen muss, damit man den schlechten Potibereich verlässt und trotzdem nicht zu laut hören muss. So wenig Eingangspegel ist dann evtl. für die Lautsprecher wieder zu wenig. Also: Man kann mit dem Big Knob schon mal eben überprüfen, wie der Mix wohl über Smartphonestöpsel oder die trendy Dr Beats vom Sohnemann klingen wird, aber in der Regel wird man doch mit einem gescheiten Studio-Kopfhörer mit 250 Ohm (oder gar mehr) und Abhöremonitoren arbeiten - und dann funzt das Hin und Herschalten zum Vergleich bei angeglichener Lautstärke auch ohne Eingriff in den Eingangspegel ganz problemlos.
3) Mit dem gleichen Trick – digitalen Ausgang am Computer herunterregeln - kriegt man auch die in einigen Rezensionen bemängelte zu steile Kurve des Ausgangspotis für die Speaker in den Griff. Nun regelt das Poti butterweich über den ganzen Regelbereich.
4) Ausgänge sind Klinke statt XLR. Kann man mit leben, das weiß man ja vor dem Kauf und kann sich die entsprechenden Kabel gleich mitbestellen. Symmetrische Signalführung ist auch mit Klinkensteckern möglich.
5) Man kann die Phantomspeisung nicht pro Kanal getrennt einschalten, was in der Praxis ebenfalls keine große Einschränkung sein dürfte.
6) Das Ding wird ganz schön warm, zieht ergo mehr Strom als nötig.
Positiv von wichtig zu weniger wichtig :
1) Die beiden Kopfhörerverstärker sind völlig neutral, rauschfrei und bei weitem kräftig genug auch für meinen alten AKG K260 Professional mit 600 Ohm Impedanz. Den neuen Beyerdynamic DT 1990 pro mit 250 Ohm mag ich auch bei reduziertem Einganspegel nicht voll aufdrehen, da ist vorher schon die Schmerzgrenze erreicht. Schwieriger ist es mit Kopfhörern ("Stöpsel") mit geringer Impedanz (27Ohm), siehe oben. Wenn man bei denen mal den Ausgang ganz hochzieht, dann rauscht es sogar. Bitte größte Vorsicht beim Nachmachen! Wenn man aber in dieser Potistellung dann auch - und sei es versehentlich - ein Signal draufgäbe, dürften einem die Trommelfelle platzen! So laut dreht man in der Praxis niemals auch nur annähernd auf.
2) Die Ausgänge für die Lautsprecher sind ebenfalls rauschfrei und neutral. Gemessen habe ich noch nicht, nur Probe gehört und dann zur Probe die Line-Ausgänge in die Mikrofoneingänge meines Digitalpults geschickt und deren Gain bis weit jenseits von sinnvoll aufgerissen und ganz leise zugespielt – da rauscht immer noch nichts, es klingt bis in diese praxisfremde Extremstellung neutral und unverfärbt.
3) Die Mikrofonvorverstärker rauschen, aber erst in den ca. letzten 25% des Regelwegs der Gain Potis. Bei 24 Bit braucht man so hohe Vorverstärkung in der Praxis nicht und nimmt im Zweifel besser mit etwas niedrigerem Pegel, aber rauschfrei auf. Ich habe zum Test ein AKG C451 und ein Beyerdynamic TG 58C (beides gute und recht rauscharme Kleinmembran-Kondenser) angeschlossen. Wenn ich die Vorverstärkung auf fast ? hochziehe, rauscht immer noch gar nichts, aber das Gebrumm einer Fliege im Raum (einige Meter vom Mikro entfernt und nicht mal in der Einfallsrichtung des Mikros) gibt bei dieser hohen Gain Stellung schon ordentlich Pegel auf die mässig laut eingestellten Kopfhörer. Zur Aufnahme eines realen Instruments würde man den Gain also viel, viel niedriger einstellen. Ich ziehe den Gain zum Test mal noch weiter auf und komme bei normalem Abhörpegel mit dem (offenen) Kopfhörer DT1990 auf den Ohren kontrolliert in den Rückkopplungsbereich, bevor es rauscht. So what?
4) Über ASIO4ALL funzt der Big Knob auch mit anderen ASIO Geräten friedlich zusammen, was die Bedienungsanleitung verneint. Nachtrag: Das funzt auch über einen USB-Hub, was am Notebook mit wenigen USB Ports hilfreich ist.
5) Die Bedienung ist selbsterklärend, durch die beleuchteteten Tasten ist auf einen Blick klar, was Sache ist. Alle Bedienelemente haben genügend Abstand und sind sinnvoll angeordnet, nichts ist fummelig. Die neue Position der Kopfhörerbuchsen an der Front gefällt mir besser als an vorher der Oberseite.
6) Solides Metallgehäuse und Verriegelung des Steckers für Stromzufuhr.
Wieso nicht gleich aufgeben:
Bei ersten Anschließen hatte ich unbemerkt einen blauen USB 3.0 Port erwischt und schnell den Treiber von der Produktseite von Mackie istalliert. Dann hörte ich zunächst digitale Artefakte (Knacksen und Knistern) und eine bescheidene Soundqualität. Da sank die Laune schon mal um ein paar Grad in den Keller. Dann habe ich im Supportbereich bei Mackie einen neueren Treiber gefunden und installiert, der Sound war aber immer noch mau. Reboot, Treiber neu installiert, das ganze Programm. An meinem Roland SPD-SX mit 16Bit und 44,1Khz, den ich bisher zum Abhören über Kopfhörer genutzt habe, klang im Vergleich stets alles perfekt. Die ganzen Bedenken aus den gelesenen Bewertungen schienen sich zu bestätigen, die Laune sank in den Keller. Oder vielleicht ein Mängelexemplar erwischt? Zurückschicken? Aber was denn dann kaufen? Die Mail an den Thomann Support war schon grob entworfen, aber dann habe ich noch mal drüber geschlafen.
Am nächsten Tag noch mal alles kontrolliert und dabei dann auch einen anderen USB Port probiert. Und siehe da – nun ging‘s endlich voran, vor allem die nervigen Artefakte waren plötzlich weg.
Dann mal den (digitalen) Ausgangspegel am Rechner zurückgenommen und mein eigentlicher Hauptzweifel, die Qualität der Potis für die Kopfhörerlautstärke, war auch ausgeräumt, weil sich der real genutzte Regelbereich der Potis in den sauber arbeitenden Bereich verlegen lässt.
Dann alle Taster jeweils ca. 50 Mal betätigt. Die über den DT1990 hörbaren Schaltgeräusche wurden dabei geringer. Sie sind nicht völlig unhörbar, aber dann fiel mir auf: wenn ich in der DAW einen Effekt zuschalte oder einen Kanal mute / unmute, gibt es auch ein winziges Klicken - auch über andere Interfaces. Das ist wirklich nicht erheblich und war mir zuvor nie so aufgefallen. Die Bauteilqualität der Taster und der Potis des Big Knob mag nicht über jeden Zweifel erhaben sein, aber sie ist völlig ausreichend und reicht für 4 Sterne. Ich persönlich würde lieber 50 € mehr für das gleiche Gerät bezahlen, wenn dafür alle Ein- und Ausgänge verzögert einschalten würden und die Taster und Potis im Einkauf ein paar Eurocent mehr hätten kosten dürfen (Falls das hier jemand von Mackie liest...).
An meinem zweiten, jüngeren Computer (Laptop) funktionierte übrigens dann alles auch an den schnellen 3.0 USB Buchsen auf Anhieb. Merkwürdig. Zurück am Desktopcomputer klappte es nun auch an genau dem vorher unwilligen blauen USB Port. Warum es vorher nicht ging, konnte ich bislang nicht ergründen und auch nicht reproduzieren. Nachtrag: Betrieb an einen USB Hub, was bei Notebooks mit wenig USB Ports von Vorteil wäre, funktioniert auch.
Dann noch mal weiter getestet: Von den konservativen 512 Samples und Safe Mode nun mal runter auf 128 Samples Puffer und 3,6 ms Latenz. Funzt und reicht locker, um synchron auf dem SPD-SX über USB und ASIO4All in die DAW einzuspielen und über den Big Knob per ASIO 4All wieder auszugeben. Nebenbei geklärt: Der Big Knob duldet entgegen der Warnung in der Bedienungsanleitung auch noch andere ASIO-Mitspieler neben sich und ASIO4ALL als Zentrale. Auf einen Nenner einigen bei Samplingrate und Puffergröße und es klappt. Dann noch mal auf 32 Samples Puffer runter, die Latenz liegt bei 2,2ms. Geht auch noch, nur einmal zeigt die DAW einen Aussetzter an. Da war der Rechner wohl ganz anderweitig beschäftigt. Für meinen Hauptzweck, nämlich Abhören, sind 512 Samples Puffer, safe Mode und dann rund 10ms Latenz überhaupt kein Problem. Ich nehme in der Regel bei „nur“ 41,1 kHz oder 48 kHz in 32 bit auf, weil mein Mischer das so macht und dies weder die Dateigröße noch die Rechnerlast wesentlich erhöht, man aber an headroom gar keinen Gedanken mehr verschwendet werden muss. Ich vermeide von einer Samplingrate in eine andere umzuwandeln und halte die Vorteile von den „audiophilen“ 196kHz für Esoterik. Der Big Knob löst 24 Bit breit auf, das reicht auch locker, wenn man sich nicht total bescheuert beim Einpegeln anstellt. Die 196 Khz habe ich trotzdem für die Bewertung kurz mal ausprobiert: Da rauscht es auch nicht doller und die Latenz steigt nicht signifikant an. Besser klingt‘s nicht, aber wer‘s braucht...
Insgesamt bin ich nach 2 Tagen ausprobieren und anfänglichem Frust nun doch sehr zufrieden mit meinem Kauf. Sollte ich doch keinen Grammy bekommen - am Big Knob Studio wird es nicht gelegen haben werden.
Noch ein Nachtrag: Nach einigen Monaten Nutzung funktionierte ein Eingangskanal nicht mehr richtig. Nach kurzer Rücksprache hat Thomann das Gerät umstandslos gegen ein Neues ausgetauscht, das seither seinen Dienst tadellos versieht. Vorbildlicher Service!