Für die tl;dr-Fraktion, Software läuft instabil, funktioniert nicht mit beliebigem ASIO-Treiber, Arbeitsweise nicht zuverlässig, die Bedienung ist „verbesserungswürdig“. Das klangliche Ergebnis ist allerdings gut. Wer noch Zeit hat, sollte unbedingt mit dem Kauf warten bis die Software „Neumann-Niveau“ erreicht hat!
Um es vorweg zu sagen ich bin enttäuscht, so sehr enttäuscht, dass ich mir die Mühe mache, hier eine Rezension zu schreiben.
Von der Qualität der Firma Neumann bin ich eigentlich sehr überzeugt. Habe hier den KH-750 DSP in Verbindung mit den KH-120A (alles bei Thomann gekauft) und bin damit rundum zufrieden. Von der Anschaffung des MA-1 habe ich mir das i-Tüpfelchen auf den Sound erwartet – was sich dann schlussendlich auch bewahrheitet hat. Das Endergebnis ist sicher überzeugend! Aber der Weg dahin, die Software (bei mir Windows), ist schlicht eine Zumutung! Solch eine Qualität würde ich nicht mal bei einem Billigprodukt aus Fernost akzeptieren.
Die Installation ist kein Problem gewesen. Allerdings wird nur Windows 10 in der 64bit Ausführung unterstützt. Dies finde ich persönlich bedauerlich. Weder wird Windows 7, 8 oder die 32bit Versionen unterstützt. Linux wird gar nicht unterstützt, lediglich noch Apple. Dies ist auch so dokumentiert und soll nur der Vollständigkeit halber gesagt werden.
Messungen waren nach der Installation hier nicht möglich, weil vermeintlich kein Mikrofonsignal anlag. Mit anderen Programmen war allerdings mit dem Mikrofon Aufnahmen möglich – ergo es lag an der Software. Mit diesem ausführlich beschrieben Problem habe ich mich an den Support von Neumann gewandt. Diese „Mail-Freundschaft“ währte bis zur Lösung 10 Tage! Details spare ich hier aus. Nur soviel, erst neu aufsetzen auf einem anderen Rechner erlaubte dann den vorgesehenen Betrieb der Software.
Die Bedienung der Software funktioniert über serielles „Weiterschalten“ der einzelnen Dialoge. Eine direkte Anwahl der gewünschten Seite ist nicht möglich. Dies ist ultranervig, wenn man z.B. einfach einen anderen Aufnahmekanal wählen will und dann teilweise immer wieder die selben Einstellungen, wie die verwendeten LS, auswählen muss.
Weiter geschaltet werden kann auch nur, wenn auf der aktuellen Seite die technischen Bedingungen erfüllt sind. Qualifizierte Fehlermeldungen oder gar ausführlich Logs fehlen vollständig.
Auf einer Seite wird dann der aktuelle Rauschabstand im Raum ermittelt. Ist dieser nicht zufriedenstellend, gehts nicht weiter. Über das Warum schweigt sich die Software wie gesagt aus, einzig wird dieser Messwert grafisch visualisiert.
Eigentlich wird an dieser Stelle mit rosa Rauschen bei reduzierter Lautstärke gemessen. Einmal war es hier der Fall, das aus unersichtlichen Gründen, bei voller Lautstärke mit weißem Rauschen gemessen wurden! Das kann schon mal die Hochtöner dahin raffen. Warum? Vermute einen Softwarebug. Nach einem Neustart der Software trat das Problem dann nicht mehr auf und lies sich auch nicht mehr reproduzieren. So etwas darf keinesfalls passieren!
Die darauf folgenden Messungen, es sind 7 an unterschiedlichen Positionen, werden mit einem Sinussweep durchgeführt. Mit einem von mir verwendeten ASIO-Treiber brach die Software reproduzierbar nach der ersten Messung ab, was dann bedeutet, alles wieder von vorne. Mit einer Umstellung auf ASIO 4 All lief dann die Messung durch. An dieser Stelle sollte die Resilienz der Software dringend verbessert werden.
Nach den Messungen wir die Zielkurve mit dem Ziel-Frequenzgang angezeigt. Die Zielkurve wird aus den ermittelten Raumeigenschaften berechnet. Diese kann nicht einfach durch Auswahl geändert werden, oder ich habe es zumindest nicht gefunden. Wenn diese geändert werden soll, müssen die einzelnen Filter angepasst werden.
Weder das Speichern der Messwerte, der Zielkurve oder der Korrekturkurve sind möglich.
Die Korrekturkurve für das MA1 wird wohl im Hintergrund aus dem Internet geladen. Darüber erfolgt keine Information, ein Abspeichern ist ebenso nicht möglich. Ob die Kurve im Hintergrund gespeichert wird und somit auch für Offlinemessungen zur Verfügung steht kann nicht gesagt werden.
Es sollte in einer künftigen Version der Software auf jeden Fall ermöglicht werden, all diese Daten zu speichern. Dies wäre gerade für den Vergleich, von unterschiedliche Korrekturen sehr wünschenswert. Derzeit ist die zeitaufwändige Messprozedur immer von vorn zu durchlaufen. Das nervt kolossal!
Zwar auch dokumentiert, macht es aber nicht besser, die Software ist inkompatibel mit der Control App. Warum dies so ist?
Des weiteren für mich ärgerlich war, dass der Vorverstärker gemäß Dokumentation zwingend 48V Phantomspannung liefern soll. Mein Vorverstärker liefert „nur“ 24 V Phantomspannung.
Warum dies so sein soll, kann ich technisch nicht nachvollziehen. Die maximale Ausgangsspannung der MA1 (Maximum output voltage) ist mit 10 dBu angegeben, was knapp 7 Vss entspricht. Warum hier 24V Versorgungsspannung nicht ausreichen sollen, keine Ahnung.
Jedenfalls es hat auch mit 24 V Phantomspannung problemlos funktioniert.
Die Seriennummer ist mit einem Papieretikett auf das Mikrofon aufgeklebt – eine widerstandsfähige Lasergravur war wohl zu aufwändig. Die Seriennummer ist erforderlich um die Software starten zu können und um die passende Korrekturkurve zuzuordnen. Speichern der Korrekturkurve ist nicht möglich, d.h. wenn das Etikett unlesbar geworden ist, was durchaus beim einschieben des Mikrofons in die Halterung mit der Zeit passieren kann und man die Nummer nicht zuvor gesichert hat, kann man weder die Software später starten noch die Korrekturkurve holen. Mit anderen Worten die Investition ist zum Großteil dahin.
In der Dokumentation von Neumann sind ± 3 dB uncalibrated angegeben - deutlich schlechter als das 100 Euro preiswertere Messmikrofon MM1 von Beyerdynamic welches mit ± 1,5 dB uncalibrated spezifiziert ist und hier bekommt man die Korrekturkurve zum selber abspeichern und ein ausgedrucktes Frequenzdiagramm dazu!
Sicher das MA1 wird erst so richtig nützlich in Verbindung mit der Software. Leider gibt es beides nur gebundelt. Offensichtlich ist Neumann nicht daran interessiert, dass das Einmessmikrofon für anderweitige Zwecke verwendet werden kann (jedenfalls mit der zugehörigen Korrekturkurve) oder die Software mit einem anderen Messmikrofon genutzt werden kann.
Alles in allem ist die Software im derzeitigen Reifegrad schlicht nicht fertig und kann niemandem empfohlen werden, der nicht zum „basteln“ bereit ist und Neumann Qualität erwartet. Wer noch etwas Geduld aufbringen kann, sollte meines Erachtens noch einige Zeit abwarten, bis die „Banane“ gereift ist.
Wenn irgendwann mal die Software ausgereift ist und die Kritikpunkte abgestellt sind, könnte man über fünf Punkte nachdenken, zum gegenwärtigen Zeitpunkt sind es nur zwei und dies auch nur weil das Ergebnis stimmt.