Das SM57 hat im Vergleich zum heutigen Qualitätsstandard einen kastrierten Frequenzbereich, eine abenteuerlich zerklüftete Frequenzkurve und eine ziemlich niedrige Ausgangsleistung. Und als wäre das nicht schon negativ genug, bietet es eine nur als grobmotorisch zu bezeichnende Signalauflösung.
Aber es ist robust, besitzt einen günstigen Preis, macht den vielgerühmten Druck und kann trotz all der negativen Eigenschaften als recht vielseitig bezeichnet werden.
Man kann es für Gesang (mit Popschutz), für Flöte, Saxophon oder andere Instrumente im Mittenbereich einsetzen, aber man geht - wie bei dem Schwestermodell SM58 - das Risiko ein, dass bestimmte Instrumente oder Stimmen überhaupt nicht zum Mikro passen und wenn das der Fall ist, klingen SM57 wie auch SM58 grauenhaft. Fast wie eine Wiedergeburt des alten Volksempfängers. Oder anders ausgedrückt: Das Mikro kann vielseitig sein, aber nur unter Bedingungen, die vorher nicht abzuschätzen sind. Denn Stimmen sind in ihrer Kompatibilität zum SM57 genauso wenig einzuschätzen wie der Sound von Saxophonisten, Flötisten und anderen Instrumentalisten.
Es mag ja sein, dass es das beliebteste Mikro für Snare und Gitarrenamps darstellt, aber wenn beide Aufgaben nicht zum eigenen Anforderungsprofil gehören, dann wird die Angelegenheit eben recht ambivalent.
Ich habe mir das Mikro gekauft, um es in Reserve zu halten. Falls mir mal die besseren Mikros ausgehen sollten und ich nicht weiß, was ich vor eine Kuhglocke oder ein Paar Bongos stellen soll, dann dürfte das 57-er den Job immer noch irgendwie machen. Vielleicht sogar gut, vielleicht aber auch nur sehr mittelmäßig, das kommt eben ganz auf Instrumente und Spieler an.