Diesem Bändchen-Mikrofon muss man schon einen hohen Coolness-Faktor zusprechen, es sieht sehr schick und amtlich aus. Auf der Verpackung wird es als „Classical Broadcast Mikrophone“ bezeichnet. Wie bei Sprecher-Mikrofonen üblich kommt es mit einer speziellen Halterung aus Metall und sogar mit einem Mikrofonkabel mit Winkelstecker.
Das leicht metallic-graue Druckgussgehäuse ist makellos verarbeitet, lediglich der U-Bügel zur Aufhängung wackelt etwas bei Befestigung an einem Stativ. Das Innenleben macht einen guten Eindruck: Das 5 mm schmale und 40 mm lange, dünne Alu-Bändchen hängt locker zwischen 2 Neodymium-Magnetstäben. 2 Dicke Drähte verbinden das Bändchen mit einem Übertrager, der massiv in Eisen gekapselt ist und das winzige Mikrofonsignal auf ein höheres Niveau transformiert. Von da führen 4 dünne Drähte zu einer Platine mit 4 Transistoren (darunter 2 besonders rauscharme FETs), die das Signal nochmals verstärken. Im Vergleich rauscht das Mikrofon zwar weniger als sein Stallkollege S502 mit Kondensatorkapsel, ein Stereo-Mikrofon zum gleichen Preis. Beide gehören aber nicht zu Liga der besonders rauscharmen Mikrofone.
Die schwingende Fläche entspricht rechnerisch der Membranfläche einer kreisförmigen Membran mit 16 mm Durchmesser, allerdings ist die Richtcharakteristik völlig anders. In Längsrichtung ist die Keule sehr breit und in Querrichtung extrem schmal. Das heißt, die Mikrofonempfindlichkeit nimmt seitlich sehr rasch ab, und der Sweet Spot zum Einsingen ist sehr schmal. Nach oben und unten ist es hingegen unkritisch. Daher ist das Mikrofon nicht optimal, wenn sich der Sprecher oder Sänger hin und her bewegt. Außerdem ist das Mikrofon sehr plopp-empfindlich. Da das Mikro eine Achtercharakteristik hat, nimmt es rückwärtigen Schall (Raumhall) gut auf, was bei Anwendung als Live-Gesangsmikrofon zu Rückkopplungen führen kann, wenn man einen Monitor hinter dem Mikrofon hat. Dieser sollte 90 Grad seitlich stehen.
Was den Klang betrifft, so wirkt das R102 im direkten Vergleich mit einem Neumann KM184 deutlich eingeengt, fast etwas nasal. Allerdings fokussiert sich das Mikrofon ganz gut auf die wesentlichen Stimmanteile: die Stimme klingt sonor und es fehlen die scharfen Höhen bei Zischlauten, die oft Probleme machen. Bei einer weiblichen Stimme dürfte sich die inhärente Wärme noch mehr auswirken, ebenso bei der Abnahme eines Gitarrenverstärkers, wo auch die Form des Mikrofons gut passt. Man merkt aber schon, dass Obertöne fehlen. Bei der Abnahme einer Akustikgitarre machte das R102 keine gute Figur, es fehlen die glitzernden Höhen und die Bässe kommen eher mulmig rüber. Dafür ist es aber auch nicht gedacht.
Fazit: Für den Preis bekommt man sehr viel Mikrofon mit Vintage-Optik. Wem es also nicht auf die letzte Feinheit im Klang ankommt, sollte zugreifen.