Kurze Bewertung: siehe Titel und ich will eindeutig mehrere davon haben!
Ausführliche Bewertung:
Auf der Suche nach einem charaktervollen Preamp für unsere Live Recording Sessions im Proberaum bin ich auf den Warm Audio WA-412 gestoßen. Da ich bereits stolzer Besitzer eines API und Neve Preamps bin und diese stets mit Genuss in meinem Home Studio verwende, ersehnte ich mir schon länger einen API ähnlicher Preampsound für unsere 3 E-Gitarren und dem Bass. Etwas mehr Durchsetzungskraft und Charakter wäre erwünscht, aber ein API mit circa 800 Euro pro Kanal oder ein Neve mit 1200 Euro pro Kanal sind mir dafür einfach zu teuer. Als ich dann über den Warm Audio WA-412 gestoßen bin und vom diskreten Aufbau mit seinen Altran Eingangs- und Ausgangstransformatoren und den x520 OP Amps gelesen habe, wurde ich sehr neugierig und habe das Teil schlussendlich über Thomann bestellt.
Wow! Für knapp ein Drittel vom Preis eines API 3124 bietet der WA-412 einen so schönen API-artigen vintage Sound, dass es eigentlich kaum zu glauben ist. Dabei bietet der WA-412 weitaus mehr Möglichkeiten an, als ich zuvor angenommen habe.
Zunächst ein paar interessante technische Details: durch die Übertrager Symmetrierung und die von Warm Audio bzw. Altran gewählten Transformatorbauweise bzw. Wicklungszahlen (1:5 und 1:10 im Eingang, 1:2 im Ausgang) ergeben sich ungewöhnlich niedrige Eingangsimpedanzen, welche mittels Tone Schalter von bereits niedrigen 600ohm auf extrem niedrige 150ohm reduziert werden können. Warm Audio nimmt also gezielt Unteranpassung für die meisten der heute handelsüblichen Mikrofone in Kauf und widersetzt sich der goldenen Regel der Spannungsanpassung: die Eingangsimpedanz sollte mind. 5 mal oder besser 10 mal höher der Ausgangsimpedanz der Quelle sein. Hier lehnt sich Warm Audio an die historischen Kennzahlen der Model 312 Preamp Karte an, welche in den alten API Konsolen aus den 1970 Jahren verbaut wurde und ebenfalls Transformer gekoppelte Eingangsimpedanzen von 150 oder 600ohm aufweisen. Das frühere Konzept der Impedanzanpassung wurde historisch gesehen von der Telefonindustrie übernommen und wurde erst viel später an die weitaus funktionellere Spannungsanpassung (siehe goldene Regel) angepasst.
Bei Unteranpassung passieren je nach Bauart und Ausgangsimpedanz des Mikrofons rein technisch nun zwei Dinge:
1) das Mikrofon sieht eine zu geringe Last, kann Frequenzen nicht mehr linear übertragen und es fließt mehr Wechselstrom bei niedrigerer Spannung.
2) am Mikrofoneingang kommt es zwar durch die zu niedrige Last zu einer Spannungsdämpfung, aber das Windungsverhältnis des Übertragers verstärkt die gedämpfte Spannung um ein vielfaches (5 bis 10) und hebt damit den Pegel wieder deutlich an. Der magnetische Fluss im Eisenkern nimmt durch die sehr geringe Eingangslast und den resultierenden erhöhten Stromfluss zu, wobei einerseits mehr harmonischen Verzerrungen v.a. im unteren Frequenzspektrum erzeugt werden und andererseits bei höheren Pegeln eine weiche Kompression durch die Sättigung des Eisenkerns erzeugt wird. Die Möglichkeit auch am Ausgangsübertager die magnetischen Kräfte durch den OP Amp zu modellieren, erweitert die soundformenden Eigenschaften ungemein. Dabei löst der Output Volumenregler am WA-412 das leidige Problem des API, dass bei hohem Gain der Sound zwar ein schön gefärbt und der Übertrager in Sättigung fährt, aber die eventuell nachfolgenden AD-Wandler werden mit über 20dBu Ausgangspegel völlig überlastet (die neue Version des API 3124 hat daher jetzt auch einen Output Regler).
In der Praxis bedeutet dies im Grunde, dass der WA412 nicht den Anspruch auf maximale Transparenz und Sauberkeit erheben kann, andererseits aber dem Anwender die Möglichkeit überlässt, den Sound mittels Unteranpassung, Übertragersättigung und OP Amp-Farbe vielseitig zu modellieren. Verzerrung und Kompression sind eben angenehme Nebenprodukte der Transformatoren, die ursprünglich zur galvanischen Isolation und Impedanzapassung in den klassischen analogen Mischpulten eingebaut wurden. Klassiker wie Neve und API haben auf der Suche nach maximaler Transparenz bei hoher Verstärkung durch die spezifische Auswahl an Transformatoren und Verstärkerbauteile Sounds hervorgebracht, die nicht umsonst von vielen Musikschaffenden geschätzt und eben auch teuer bezahlt. Der WA-412 bietet diese Technik nun zum erschwinglichen Preis an und bietet hierfür einen Nachbau der alten 312 Preamps von API aus den 1970 Jahren an. Die unvorhersehbaren Auswirkungen der Unteranpassung auf die heutigen Mikrofone machen die Verwendung des WA-412 zudem sehr spannend.
Genug der Therorie, hier nun meine ersten Erfahrungen in der Praxis. Nach kurzen aber überzeugenden und vielversprechenden Tests im Studio, habe ich den WA-412 nun im Proberaum installiert: die Mikrofone der 3 Gitarrenamps (Sennheiser e906 und Beyerdynamic TG 201 mit jeweils 350ohm bzw. 200ohm Ausgangsimpedanz) sowie der aktive Bass (über Radial JDI, 50ohm Ausgangsimpedanz) werden vom WA-412 verstärkt und gelangen mit kontrollierten +10dBu zu den Wandlern in den Digitalmixer und auf die Festplatte. Dabei verwende ich für alle Instrumente die Unteranpassung von 150ohm und fahre den WA-412 Gain bis in den roten Bereich: der Sound den ich gesucht habe ist da, sogar viel mehr als ich erwartetet hatte! Die vier Instrument klingen wunderbar voll mit reichlich harmonischen Verzerrungen, der Bass ist ankomprimiert, zerrt schön körnig und alle 4 Instrumente setzen sich unglaublich schön im Mix durch. Die Abbildung der Dynamik ändert sich bei Unteranpassung ebenfalls und erinnert mich am ehesten an die "all buttons in" Kompression der 1176 Plugins oder des WA76. Rock Attitude all the way! Die Unteranpassung klingt in unserem Kontext einer Stoner Rock Band äusserst erfreulich und verleiht den tief gestimmten und dreckig verzerrten Gitarren nocheinmal deutlich mehr Schub und fetteren Sound, wobei die Gitarren im Frequenzspektrum merklich weniger dunkel wirken aber nichts von der dunklen Energie verloren haben. Der Preamp fügt den Instrumenten viel Farbe im Bereich der unteren Mitten hinzu, verleiht den einzelnen Instrumenten deutlich mehr Größe, eine viel präzisere Darstellung im Stereopanorama und insgesamt eine wesenltich bessere Durchsetzungsfähigkeit im Mix. Abgesehen vom Mix im Studio, erfreuten sich auch die noch unwissenden Bandkollegen bei den Proben sichtlich und hörbar am neuen Sound ihres In-Ear Mix! Das Geheimnis vom neuen Preamp wurde erst am Ende der ersten Sessions gelüftet, noch bevor die zahlreichen Biere dafür verantwortlich gemacht werden konnten!
Ich möchte an dieser Stelle aber auch warnen: man bekommt für den WA-412 keine 1:1 Kopie eines API 3124, sondern einen ähnlich klingenden Preamp mit viel Charakter. Wer eine transparente Schallverstärkung mit dem WA-412 versuchen will, sollte bei der Mikrofonauswahl auf die Ausgangsimpedanz und die Leerlaufübertragung achten, denn dann wäre auch eine sehr lineare und verzerrungsfreie Verstärkung durchaus denkbar. Die Magie und Stärke des WA-412 liegt aber in den färbenden Fähigkeiten der gezielten Unteranpassung, der Induktion der Eisenkerne und im Gain des OP Amp und genau diese Eigenschaften haben mich am WA-412 mehr als überzeugt. So konnte ich dem Zauber nicht widerstehen und habe auf Teufel komm raus zwei weitere WA-412 für die Drums bestellt! Mögen meine Frau und all die Götter des vernünftigen Umgangs mit Geld mir verzeihen, aber der WA-412 klingt so verdammt gut in meinen Ohren!
Nachtrag (3 Monate später und immer noch verheiratet):
3 Stück WA412 veredeln nun seit 3 Monaten unseren Sound und haben definitiv meine Erwartungen erfüllt. Charakter und eine ordentlich Portion rötliche Farbe (sprich Wärme) lässt die gesamte Band erklingen, als würden wir über ein großes analoges Kult-Mischpult spielen. Wohlgemerkt fahre ich alle Signale ein wenig in den roten Bereich und alle Signale erhalten dadurch die maximale Färbung. Die Drums klingen deutlich fetter, die Sättigungskompression reduziert die Dynamik und die Transienten sind einheitlicher über die gesamte Aufnahme verteilt. An dieser Stelle möchte ich auch darauf hinweisen, dass alle meine Kondensatormikrofone bisher nicht sehr begeistert von der niedrigen Impedanz waren, dafür klingen aber die dynamischen Drum-Mikrofone umso besser wenn sie unterangepasst sind.