Zusammenfassung:
Der Boss Katana 100 MkII ist ein Kompromiss, ohne sich wie ein solcher anzufühlen (hören). Vom Üben in nachbarschaftsschonender Lautstärke über Proben bis zu den ersten (und zweiten und dritten, sofern die Locations nicht riesig werden) Gigs in voller Lautstärke deckt er alles ab. Wer keine Scheu hat, sich vor Röhrenfetischisten zu verteidigen, liegt mit diesem Amp, sofern er nicht Wembley beschallen will, richtig. Der einzige Wermutstropfen ist der fehlende Fußschalter (GA-FC), ohne den der Amp nicht sinnvoll nutzbar ist.
Zielgruppe:
In Anbetracht des Preises und der "All-in-One-Lösung" könnte man auf die Idee kommen, die Zielgruppe sei im Anfängerbereich angesiedelt. Defakto wird das mit Blick auf die Verkaufszahlen so sein, Gründe gibt es dafür allerdings keine. Viel eher ist hier Flexibilität der springende Punkt. Wer sich fürs leise üben und den Proberaum keine zwei Amps leisten kann oder möchte, ist mit dem Katana perfekt bedient. Hinsichtlich der Flexibilität hängt er meiner Auffassung nach alle Wettbewerber ab.
Sound:
Gleich zu Beginn: Hört das geübte Ohr, in guter Schallumgebung, dass es ein digitaler Modellingamp ist? Ja.
Stört das? Nein.
Natürlich klingt der 350 € Modellingamp nicht wie der 2000 € Röhrenamp. In der perfekten Umgebung wird der Röhrenamp immer besser klingen. Der Punkt ist nur, in der perfekten Umgebung wird ein Amp so gut wie nie gespielt. Leise Üben im Wohnzimmer? Viel Spaß mit dem Röhrenamp! Laut üben im Proberaum mit einem Schlagzeuger ohne tonale Selbstkontrolle? Viel Spaß beim Feststellen des Unterschieds. Auftritt im kleinem Club? Die Mikrofonierung wird ohnehin dazu führen, dass die Unterschiede verschwimmen und jeder Tontechniker wird dankbar für den Direct-Out sein.
Boss hat hier tonal eine hervorragende Leistung abgeliefert. Vom Sound her wird man mit dem Amp weit weit über das eigene Anfängertum hinaus glücklich sein können (GAS einmal ausgenommen) .
Verarbeitung:
Soweit alles stabil, überlebt auch die ein oder andere Autofahrt im Kofferraum.
Features:
Die eingebaute Effektvielfalt liefert erstaunliches. Die verschiedenen Amp-Modelle und eingebauten Effekte liefern ausreichend Variabilität (lediglich die "Variations" der Amp-Modelle liefern - jedenfalls mir - keinen relevanten Mehrwert) und sind sowohl für den "Erstkontakt" mit Effekten, als auch für die tatsächliche Nutzung herausragend geeignet. Die Voreinstellungen sind auch ohne den Anschluss an den Computer ausreichend versatil und zugleich balanciert, sodass der Verstärker auch "out of the box" ohne großes Technikgefriemel hervorragende Dienste leistet. Das Problem vieler Multieffektboards, die ungeachtet ihrer theoretischen Fähigkeiten häufig ohne größere Voreinstellungen eher wirken, als hätten sich die geladenen Gäste eines sehr anstrengenden Kindergeburtstags daran vergangen, besteht hier in keiner Weise. Ein Anfänger wird ein wenig herumprobieren müssen; wer weiß, was er mag, und in welche Richtung er Knöpfe drehen muss, wird schnell zu befriedigenden Ergebnissen kommen.
Was allerdings stört, ist der fehlende GA-FC Fußschalter. Ohne diesen ist der Amp schlicht nicht im Sinne des Erfinders verwendbar. Wer den Amp nicht für externe Effekte (warum sollte er sich dann diesen Amp kaufen wollen?) nutzen oder bei jeder gewünschten tonalen Veränderung am Amp selbst Hand anlegen möchte (warum dann die 100w Version, deren entscheidenster Vorteil die Möglichkeit von 8 statt 4 Presets beim 50w ist?) braucht schlicht und ergreifend den Fußschalter. Eine leichte Preiserhöhung und dafür Verkauf des "kompletten Pakets" wäre hier sehr viel sinnvoller gewesen.
Alles in allem (nicht nur für den Preis) ein hervorragender Amp, in Kombination mit dem Fußschalter eine klare Kaufempfehlung.