Kurzfassung:
(plus) Guter Recorder, hochwertige Qualität und stabile Konstruktion, praxistauglich und vielseitig. Die enthaltenen Mikros sind gut. Die Latenz bei der Aufnahme ist für mich nicht spürbar. Die produzierten Audiospuren sind problemlos in DAWs importierbar und das Clocking scheint in Ordnung zu sein, da ich keine Tempoprobleme hatte.
(neutral) Kann nur ein Instrument oder Mikrofon gleichzeitig aufnehmen, das aber auf einer oder zwei Spuren.
(minus) Keine Standalone Lösung, um einen Computer mit DAW kommt man nicht herum.
(fettes minus) Der Drumcomputer ist umfangreich, aber umständlich in der Handhabung und Programmierung und die einzelnen Loops schlecht kombinierbar. Die rechtliche Situation zum Copyright der Audiodaten ist für Laien und Hobbymusiker absolut unzureichend erklärt und sorgt für Verwirrung.
GUTES:
Aufbau und Bedienung:
Boss-Qualität im besten Sinne. Der BR-80 hat ein schweres Metallgehäuse, griffige Gummifüße, hochwertig wirkende Tasten und Knöpfe, ein helles, gut ablesbares Display, hochwertige Klinkenbuchsen, geschmeidige laufende Lautstärkeregler mit sinvoll dosiertem Widerstand, sitzt fest auf der Tischplatte und rutscht nicht weg oder fällt vom Tisch. Alles bestens, mit Ausnahme des leicht fummeligen Drehrades, hier wäre eine weniger glatte Oberfläche wesentlich ergonomischer. In Summe bin ich sehr zufrieden.
Die Batterielebenszeit reicht meiner Erfahrung nach, wenn man das aufzunehmende Lied bereits komponiert hat, locker aus, um ein Stück üblicher Länge komplett aufzunehmen und zu bearbeiten.
Sound, Effektsimulationen und Recording:
Die integrierten Stereomikrofone sind, soweit ich das beurteilen kann, absolut praxistauglich und decken einen großen Lautstärkebereich ab. Ich freue mich schon darauf, für Song-Intros damit Umgebungsgeräusche zu samplen.
Der Multitrack Recorder (MTR-Modus) funktioniert ausgezeichnet. Man hat im Prinzip ein vollwertiges Achtkanal-Pult mit allen gewünschten Extras. Dreiband Equalizer, Kanal-Lautstärke Regler, Solo- und Mute Schalter. Die Kanäle lassen sich paarweise koppeln und werden dabei automatisch 100% links und rechts im Stereobild gelegt. Um das gedoppelte Signal auf die goldenen 30/60/90% legen zu können, muss man die beiden Kanäle entkoppeln und dann bei jedem Kanal die Einstellungen einzeln machen.
Superklasse sind auch die ganzen Bearbeitungstools, Auto-Punch-In um Fehler zu überspielen, Spuren schneiden, Abschnitte kopieren und verschieben, alles möglich und funktioniert ausgezeichnet. Man kann während des Abspielens auch zwischen den einzelnen V-Tracks hin- und her schalten, um zum Beispiel zwei am selben Kanal aufgenommene Spuren in Echtzeit miteinander zu vergleichen.
Die Effekte und Verstärkersimulationen für Gitarre und Bass sind gut und haben viele einstellbare Parameter. Es haben halt alle den typischen Boss-Sound, aber der ist ja mittlerweile Industriestandard und bei anderen Effektmodeling-Spezialisten ist eine gewisse Eigenfärbung ja auch nicht zu verleugnen. Auch in Kombination mit vorgeschalteten Effektpedalen sind für mein Halblaiengehör keine Beschwerden anzumelden. Die „Guitar to Bass“-Funktion ist im Endeffekt ein Pitch Shifter und hat mich noch nicht dazu verleiten können, ohne „richtigen“ Bass aufzunehmen; aber ich finde trotzdem gut, dass so etwas vorhanden ist.
Nicht veränderbar ist die Anzahl und Reinfolge der Effekte in der Signalkette und die Belegung der Signalkette, die da lautet:
Kompressor/Limiter → Drive/Distortion/Boost → Verstärker mit Cabsim → Modulation → Delay.
Bei Coverversionen von alten Sisters Of Mercy Songs wird das knapp, aber in der Regel lässt sich damit sauber arbeiten.
Mit der Qualität und Menge der vorhandenen Effekte und Simulationen wird der BR-80 auch zu einem sehr kompakten und vielseitigem Übungsverstärker für zu Hause und unterwegs. Davon kann sich ein gewisses nierenförmiges rotes Kompaktgerät eine große Scheibe abschneiden; gut gemacht, Boss!
BR80 Wave Converter:
Die Wave Converter Software ist ein mitgeliefertes Programm, mit dem man die im Boss Trackformat aufgenommenen Spuren in WAV-Dateien konvertieren und exportieren UND auch WAV-Dateien ins Boss Trackformat konvertieren und importieren kann. Man kann sich entscheiden, alle Spuren oder nur einzeln ausgewählte zu im-/exportieren. Das funktioniert auch alles spitze, allerdings hätte ich zumindest die Exportfunktion gerne am Gerät selbst gehabt, um das Gerät ein wenig von der Verfügbarkeit der Software zu emanzipieren. Weiters ist es nicht möglich, nur durch diese Exportfunktion das aufgenommene Lied als Wav-Datei zu exportieren, das geht nur, indem man die aufgenommen Spuren bounced (ja, das Wort habe ich auch erst gelernt).
WENIGER GUTES:
Die rechtliche Situation:
Boss hält in seiner Anleitung zwei Dinge fest (wörtliche Zitate):
'Sie können die Aufnahmen der Spuren mit einem Mastering-Effekt versehen und als WAV-Datei aufzeichnen. Diese kann dann als 'finalisierte' Audiodatei mithilfe eines Rechners auf eine CD gebrannt bzw. veröffentlicht werden.' (Bedienungsanleitung, deutsch, Seite 81)
'Das Copyright der Daten in diesem Instrument (die Sound-Wellenformen, Style-Daten, Audio Loops und Bilddaten) liegen bei der Roland Corporation und/oder Atelier Vision Corporation. Als Besitzer dieses Instrumentes erhalten Sie eine Nutzungslizenz für diese geschützten Daten. Die in diesem Gerät enthaltenen Sounddaten dürfen nicht kommerziell verbreitet werden (z.B. Aufzeichnen als Audidoatei und Vertrieb dieser Audiodaten über das Internet).' (Seite 8)
Darf ich jetzt oder darf ich nicht und wenn jein, was genau? Liebes Roland/Boss-Team, ich habe keine Lust, wegen fünf Minuten Hobbykrawall eine Anwaltskanzlei für Medienrecht zu konsultieren. Diese Fragen sind bitte bereits in der Anleitung zu klären, alles andere wird ja auch idiotensicher vorgestammelt.
Der Drumcomputer:
Es sind zwar eine riesige Menge verschiedener Drumloops enthalten (das Durchscrollen mit dem Drehrad dauert gefühlte Stunden), aber die Loops verschiedener Kategorien sind teilweise schlecht kombinierbar, da hier oft deutliche Lautstärke- und Dynamikunterschiede hörbar sind Das zwingt einen, im selben Baukasten zu bleiben. Der eine Riff, der einem dann für den Song eingefallen ist, fällt dann vermutlich auch mal weg, weil man keine passende Loop in der Kategorie hat, oder man lebt damit, dass die Schlagzeugspur und die Gitarre an ein, zwei Stellen im Lied nicht zusammenpasst. Desweiteren verstehe ich nicht, warum man sich bei den Loops so dermaßen um die Open HiHats herumdrückt, entweder nur ohne oder mit Ride statt HiHat.
Die enthalten Schlagzeugsets klingen, glaube ich, ganz ok. Es ist neben rockig klingenden Sets auch ein paar elektronische Sets enthalten, falls man mal die Kills covern will oder so. Ich hätte mir mehr Auswahl bei den Metronomsounds gewünscht, das Kling-Tack-Tack ist nicht unbedingt mein Favorit. Desweiteren hätte ich gerne irgendeine Form von visuellem Metronom gehabt, auf der Anzeige oder als LED Blinker.
Theoretisch kann man ja beim BR-80 seine Drumspuren selber programmieren. In der Anleitung steht, dass man hierzu .SMF Dateien importieren kann.
Die Internetrecherche ergab folgendes:
SMF steht für „Standard-Midi-Format“. Es gibt die Formate SMF0, SMF1 und SMF2; die sowohl die Endung .SMF als auch .MIDI haben können. Zugelassen sind am BR-80 Format 0 und 1. Um derartige Dateien erzeugen zu können, braucht man wiederum erst mal einen Computer mit einem Programm, mit dem man derartige Midispuren erstellen und exportieren kann, damit man diese dann auf die SD-Karte des BR-80 kopieren kann, um sie in den BR-80 einzusetzen und mit einem Untermenü des MTRs versuchen kann, diese Datei zu importieren. Das setzt natürlich voraus, dass man VOR dem Import aber NACH der Komposition der Drumspur die NotenNUMMERN aus der Anleitung (Tom 4: 41, Crash Cymbal: 49, Kick: 36 etc.) dem richtigen NotenNAMEN in seinem Sequencer zuordnen konnte. DABEI muss man wieder beachten, dass es hier ZWEI Nummernsysteme gibt, und man muss das erwischen, das Hersteller wie Roland und Kurzweil verwenden.
Warum man sich das allerdings antun sollte, nur um dann Schlagzeugspuren zu haben, die man sowieso nicht oder eventuell nur nichtkommerziell veröffentlichen darf, bleibt ein Rätsel.
Abschließend: siehe Kurzfassung oben.