Flexibles und preisgünstiges Helferlein, um Röhrenverstärker so weit zu "zähmen", dass man in der Wohnung damit spielen kann, ohne zum nächsten ersten sich eine neue suchen zu müssen.
Keine klangneutrale Lösung, aber wenn mans ich der Einschränkungen bewusst ist, auf jeden Fall empfehlenswert.
Um einen 100 Watt Röhrenboliden in der Wohnung spielen zu können, habe ich den "Bugera PS1 Power Soak" und den "Harley Benton PA-100 Power Attenuator" ausprobiert.
Zuerst einmal vorne weg: bei beiden Produkten wird der vorhandenen Box eine ohmsche Last zugeschaltet. Während eine Lausprecherbox frequenzabhängig reagiert, tut dies eine ohmsche Last nicht. Praktisch heißt das: beide Geräte sind nicht klangneutral. Das kann man konstruktionsbedingt auch nicht erwarten. Nimmt man jetzt noch dazu, dass das menschliche Ohr dieselbe Frequenzverteilung in zwei unterschiedlichen Lautstärken verschieden wahrnimmt (weshalb manche Stereo-Anlagen einen "Loudness"-Schalter haben), sollte klar sein, dass man eines nicht erwarten kann: dass sich die Anlage wie vorher anhört, nur eben leiser. Wer das erwartet, muss nach anderen Lösungen suchen.
Ich kann mir jetzt eine Bemerkung nicht verkneifen: ich kenne Leute, die ihr Verstärkertop zum Auftritt mitnehmen und an jede Box anschließen, die gerade so herumsteht; und beim Proben muss es dann exakt der Klang der eigenen Box sein, nur eben leiser?! Ehrlich jetzt?!
Für mich war daher die Frage, klingt es besser mit als ohne? Und die Antwort ist in beiden Fällen: im Distortion-Betrieb auf jeden Fall. Im milden Overdrive-Betrieb kann man sich streiten, Clean klingt es für mich ohne besser.
Beide Geräte machen ihren Job. Der Bugera ist kleiner und seine weiße Beschriftung ist unter Realbedingungen deutlich besser ablesbar. Allerdings dämpft er auch hörbar sehr hohe Frequenzen weg. Das kann man im Internet auch so bei anderen Nutzern nachlesen. Und das muss jetzt nicht unbedingt schlecht sein: Solo-Spiel mit einer SingleCut (ESP Ltd) mit Seymour-Duncan SH4-Tonabnehmer (Brücke) über einen Marshall JVM410H und einer 2*12" Orange-Box (closed) klang angenehmer und runder ohne die ganz hohen Höhen, die den Klang manchmal eben auch etwas "fizzelig" machen.
Der "Harley Benton PA-100 Power Attenuator" war da deutlich neutraler und kam dem gewünschten Klang schon sehr, sehr nahe.
Wenn ich eine Wahl treffen müsste, würde ich den "Harley Benton PA-100 Power Attenuator" dem "Bugera PS1 Power Soak" vorziehen. Die Harley Benton-Kiste klingt für mich neutraler, der Verstärker klingt mehr so, wie ich es gewohnt bin und wie er für mich klingen soll. Aber bei dem Preis habe ich sie einfach beide genommen. Seien wir ehrlich: haben wir Gitarristen für irgendein magisches Kästchen, dass die "Bässe straffer" macht oder "die "harschen Höhen" wegnimmt, nicht schon mehr Geld ausgegeben als das Bugera-Kistchen kostet?
Man sollte sich einfach vorstellen, dass der Einsatz dieser Geräte so ist, als würde man sein Verstärkertop an eine andere Box anschließen. Die Frage ist dann einfach: gefällt mir der Klang oder nicht.
Man sollte auch nicht vergessen, dass beide Geräte 4 Ohm, 8 Ohm und 16 Ohm abdecken. Man kann sie also in vielen verschiedenen Kombinationen einsetzen. Am Marshall JVM410H haben sie auf jeden Fall den Klang bei Zimmerlautstärke bei "aufgerissenem" Volume im Overdrive oder Distortion-Kanal deutlich verbessert. Die Gitarre ist auch schneller in die akkustische Rückkopplung gegangen, wenn man dicht vor der Box steht, das läßt sich über den Abstand gut steuern und ist sehr angenehm.
Die Line-Ausgänge und "analogen Speaker-Emulationen" habe ich gar nicht erst getestet, sondern wie immer meine Box mit einem dynamischen Mikrofon abgenommen.
Wer eine "es soll sich bei halber Zimmerlautstärke genauso anhören wie im Bunker"-Lösung sucht, ist hier völlig falsch. Wer eine "ich will meinen Röhrenverstärker in der Wohnung spielen und hier noch länger wohnen"-Lösung sucht, kann hier für kleines Geld glücklich werden. Und ich behaupte sogar, dass man mit den Geräten auch ernsthaft aufnehmen kann, wenn man sie als eigene Komponente in der Klangformungskette betrachtet; quasi als eine "alternative und sehr viel leisere Box".
Ob man sich für den Bugera entscheidet, ist Geschmacksache. Wem die Höhen zu schneidend sind, der ist hier richtig. Oder man macht es wie ich und nimmt zu dem Preis einfach beide.