Kurzes Vorwort: Die ESP LTD EC-1000 VB habe ich bereits vor Jahren mal angespielt, allerdings mit den EMG pickups. Damals hat mich die Gitarre schon völlig vom Hocker gehauen. Gekauft habe ich sie aber doch nicht, weil das Wohnzimmer mittlerweile schon mit 7 Gitarren zugekleistert ist und ich damals nicht mehr viel in Bands aktiv war.
Dieses Jahr dachte ich mir: Schenk dir selbst mal etwas zu Weihnachten! Gesagt, getan. Jetzt sitze ich seit drei Tagen jede freie Minute an der Gitarre und hämmere in die Saiten. Die beste Gitarre, die ich seit meinen Anfängerstunden vor 15 Jahren in den Händen gehalten habe.
Da es zu der Duncan-Variante noch nicht viele Reviews gibt, versuche ich mal etwas genauer im Detail zu erläutern, warum diese Gitarre unter all den Ibanez, ESP's, Gibsons und Schecters für mich ein absolutes Highlight ist. Also gerne mal einen Kaffee oder Tee schnappen, könnte etwas länger dauern...
Bespielbarkeit:
Für mich das Wichtigste an einer Gitarre... Was bringt der beste Klang, wenn man jede 2. Note versaut oder seine Solos nicht mehr gebacken bekommt. Ich habe für einen Mann recht durchschnittlich große Hände mit eher kurzen Fingern, komme mit dünneren Gitarrenhälsen also besser zurecht. Bis jetzt war für mich der Wizard-Neck von Ibanez, was Bespielbarkeit betrifft, immer ein absoluter Traum. Das Problem: Meistens sind die Ibanez-Necks bolt-on, also angeschraubt, beim Sustain ist halt Luft nach oben.
Ich habe dann die letzten Jahre ein wenig auf Komfort verzichtet und oft mit meiner Schecter C-1 Hellraiser gespielt. Schecter-typischer, etwas dickerer Hals, gute, aber nicht so gute Saitenlage wie bei Ibanez, aber dank eingeleimten Hals eine Menge Sustain. Trotz einiger Jahre mit der Schecter kann ich Solos allerdings noch nicht so schnell und sauber spielen, wie auf meinen Ibanez.
Das nächste Problem ist, dass wenn ich 22 oder 24 Bünde habe, diese mit meinen Fingern ja auch erreichen will. Was bringt eine Gitarre mit 24 Bünden, wenn ich nur bis zum 20. Bund komme? Schon seit Jahren wollte ich eine echte Gibson haben, habe auch oft mit echten Paulas gespielt, aber mir nie eine gekauft weil der Hals nichts für mich ist. Dazu kommt man sehr schwer an die oberen Bünde. Der Korpus ist bei Paulas einfach recht fett, das Cutaway nicht so großzügig und dazu kommt noch, dass der Ansatz vom Gitarrenhals wirklich sehr dick aufträgt. Für meine Hände ein Ding der Unmöglichkeit, sauber und verlässlich in den Hohen lagen zu spielen. Das hat mich bis jetzt vom Kauf von Single-Cut-Modellen abgehalten.
Jetzt kam die EC-1000 und sie ist hinsichtlich der Bespielbarkeit ein Traum, denn:
1. Der Korpus ist zwar dick, aber nicht so dick wie bei einer echten Les Paul. Sie ist wertig schwer, aber man kann mit ihr längere Gigs spielen, ohne Schulterschmerzen zu haben. (Habe direkt am Liefertag mit ihr einen 3-Stunden-Gig gespielt, alles top...)
Dazu kommt, dass man dank des nicht so dicken Korpus schon mal besser an hohe Bünde kommt.
2. Der Hals ist recht dünn, aber fühlt sich dank dem durchgehenden Radius nicht so übetreieben dünn an wie bei Ibanez. Bespielbarkeit ist für mich 1A. Man kann schön beim Wechseln von hohen auf tiefen Saiten zwischen Daumen und Zeigefinger der Griffhand rollen. Top.
3. Der Hals ist geleimt, wodurch die Gitarre viel Sustain hat. Der Sound hat dank des massiven Holzes und der Verleimung viel Fülle, auch top.
4. Der Halsansatz ist nicht so klobig kantig wie bei 95% der anderen Les-Paul-Modellen von Gibson, Epiphone und ESP. Das liegt auch daran, dass bei der EC-1000 der Halsansatz nicht wie bei einer klassischen Les Paul eine kantige, aufgesetzte Form hat, sondern abgefräst wurde und einen sanften Übergang zum Korpus hat. Die Stelle, an der der Hals verleimt wurde, ist also wesentlich dünner, wodruch man zusätzlich besser an die hohen Bünde kommt.
5. Das Cutaway selbst geht bis zum 24. Bund und ist hinten zum Bauch des Gitarristen hin zusätzlich ausgefräst. Das schafft zusätzlich Platz für die Hand und erleichtert das Erreichen der hohen Bünde.
6. Durch die matte Lackierung klebt die Griffhand nicht hinten am Griffbrett sondern rutscht geschmeidig beim Wechseln der Bünde den Hals hoch und runter.
7. Ich habe es oben zwar nicht aufgeführt, aber der Hals verläuft parallel zum Korpus. Ich habe manche Les-Paul-Modelle gespielt, bei denen der Hals angewinkelt zum Korpus verlief, also zum Gitarristen hin angeleimt war, die Saiten verlaufen zum Korpus hin also "weg vom Gitarristen", wodurch die Brücke viel weiter entfernt vom Korpus angesetzt war, man hatte also sehr viel Platz zwischen Korpus und Saiten. Damit ich präzise Picken kann, stütze ich den kleinen Finger meiner rechten Hand aber an der Unterkante der Tonabnehmer. Und hier punktet die EC-1000 auch: Der Hals verläuft so schön parallel, dass die Brücke wirklich nah am Korpus sitzt. Ich kann meine rechte Hand also sehr gut an der Umrahmung der Pickups stützen.
Trotz meiner recht kleinen Hände kann ich also schnell und sauber spielen, habe einen guten Sound und top Sustain und dank der Ausfräsungen komme ich wirklich bis zum 24. Bund. Die Erreichbarkeit der hohen Bünde ist identisch mit der Schecter C-1 Hellraiser. Das Cutaway is jetzt nicht so großzügig, wie bei meinen verschiedenen Ibanez, aber ich komme selbst mit meinen eher kurzen Fingern (zwar leicht angewinkelt) bis zum 24. Bund und kann diese zumindest ohne großer Umgewöhnung gut verwenden. Und das ist absolut geil. Ich habe also für mich den idealem Kompromiss aus Bespielbarkeit und Sound gefunden. Wie oben kurz erwähnt, habe ich die Gitarre erhalten und abends sofort auf einem Gig für 3 Stunden gespielt. Erst war ich mir unschlüssig, wegen der eventuellen Umgewöhnung. Aber sie lies sich so klasse spielen, dass ich am Abend ohne Probleme den Gig spielen konnte, ohne bei jeder Note aufs Griffbrett zu schauen, ob ich richtig spiele. Top.
Stichwort Sound:
Sound ist meiner Meinung nach direkt hinter der Bespielbarkeit das Wichtigste. Und hier braucht sich die EC-1000 echt nicht verstecken. Schon ohne Verstärker klingen die Töne laut und sauber. Das massive Holz trägt natürlich ordentlich dazu bei, aber auch der eingeleimte Hals ist top. Ich habe mich bewusst für die Duncans entschieden, statt die EC-1000 mit EMG's zu bestellen. Nein, nicht weil EMG's alles totkomprimieren, alles gleich und steril klingt. Meiner persönlichen Meinung nach absoluter Käse.
EMG's sind geile Pickups, nicht nur für Metal. Die können auch Clean und Rock. Darum habe ich mir damals die Schecter C-1 Hellraiser in der Farbe Weiß gekauft. Wolf im Schafspelz halt. Geil für Clean, geil für Rock, geil für Metal. In der splitbaren Ausführung kann man damit wirklich einiges anstellen. Die EMG's klingen immer sehr klar und definiert. Ich habe mittlerweile alle meine Gitarren entweder auf Seymour Duncan oder EMG umgerüstet.
Und warum habe ich die die EC-1000 jetzt mit Duncans genommen? Ganz einfach, ich wollte eine Gitarre haben, die einen tick wärmer klingt und nicht so krass definierte Attacks hat. Allerdings sind mir manche Gibson-Tonabnehmer in den Les Pauls schon zu warm gewesen, mit einen Tick zu wenig Attack. Die Duncans sind hier ein ausgezeichneter Kompromiss zwischen warmen Cleans, klassischem Rocksound und fetzigem Metal. Persönlich habe ich bei meinen Ibanez sehr oft zum SH6 von Seymour Duncan gegriffen. Aber die Kombi, die in der EC-1000 verbaut ist (JB an der Brücke, 59er am Hals) ist ein Klassiker, der schon lange so verwendet wird. Zurecht, wie ich finde.
Die Tonabnehmer haben einen recht hohen Output, können bei Bedarf gut zerren ohne zu matschen, können aber auch etwas sanfter und sahniger klingen mit weniger Attack und Biss. Sie bilden für mich den perfekten Spagat zwischen klassischem, sahningen Paula-Sound und modernerem Sound wie die Hellraiser mit EMG's.
Was in der Beschreibung der EC-1000 etwas untergeht: Die Pickups sind splitbar. Ich weiß nicht, ob das bei der EMG-Variante auch der Fall ist. (Es gibt auf jeden Fall Splitbare EMG's, die habe ich ja auch in der Hellraiser verbaut). Ich war aber überrascht, als die EC-1000 bei mir ankam. Da war ein kleiner Zettel am Poti, mit dem Hinweis, dass er ein Push-Pull-Poti ist. Poti rausgezogen: Single-Coil. Poti rein: Humbucker. Sehr fett. Wusste ich nicht, ist aber nice to have. Da ich mit der Band viele verschiedene Songs aus verschiedenen Stilrichtungen covere, ist das natürlich ein dicker Pluspunkt. Klar, klingt nicht wie eine echte Strat oder Telecaster, das kann man vergessen. Aber das erweitert das Einsatzspektrum der Gitarre ungemein.
Am Ende des Tages ist es Geschmackssache, welche Pickups man verwendet. Zur Not kann man diese ja recht einfach tauschen. Ich finde EMG's genau so geil wie die Duncans und ich werde in Zukunft weiterhin beide für alle möglichen Stilistiken verwenden. Persönlich finde ich die Duncans in der EC-1000 ideal, aber die EMG's sind auch verdammt gut. Es soll sich bitte keiner einreden lassen, dass EMG's nur für Hi-Gain taugen. Absoluter Käse. Die Unterscheiden sich einfach ein wenig in der Charakteristik, aber nicht im möglichen Einsatzspektrum. Meine Meinung...
Verarbeitung und Features:
Das ist der letzte Punkt, auf den ich eingehen werde. Die letzten Jahre habe ich immer wieder in Rezensionen und in diversen Foren verfolgt, was die verschiedenen Gitarristen so über die EC-1000 sagen. Ab und zu sagen User, dass der Lack nicht tadellos am Übergang vom Hals zum Korpus nicht immer perfekt wäre. Manchmal wären die Bindings nicht 100%ig Tadellos. Allerdings sagen viele, es waren nur sehr minimale Schönheitsfehler und kein Grund zum Zurückschicken. Ich hatte wohl Glück. Bindings top, Lack überall top, Bundstäbchen top. Keine Deadspots, keine scharfkantigen Bünde, sehr geil.
Die Werkseinstellung ist vielleicht nicht ganz perfekt, aber ganz ehrlich: Die Gitarren werden teilweise im Sommer und Winter geliefert, liegen Stundenlang bei extremen Temperaturen im Postauto. Klar, dass die Gitarre nicht 100%ig perfekt eingestellt ankommt. Zumal die Einstellung ja auch subjektiv ist. Es gibt nicht die eine perfekte Einstellung. Manche nehmen leichtes Saitenschnarren in kauf, weil sie einfach einen brutal niedrigen Saitenabstand bevorzugen. Andere Kämpfen lieber mit der Gitarre, weil sie es so gewohnt sind und bevorzugen einen höheren Saitenabstand. Ich finde den Saitenabstand so recht gut. Lediglich am Steg-Tonabnehmer habe ich etwas angepasst. Das hohe E und die H-Saite waren etwas zu Dominant bei cleanen Akkorden. Eine Umdrehung mit dem Schraubendreher und den Pickup dort ein wenig abgesenkt. Fertig. Alles andere war für mich schon perfekt.
Die Mechaniken machen auf mich einen sehr guten Eindruck, agieren recht genau, lassen sich schön drehen aber sind nicht zu weich. Dass man die Saiten locken kann, ist ein großer Pluspunkt. Erspart lästiges gekurble beim Saitentausch. Dadurch, dass die Saiten nicht übertrieben oft um den Pin gewickelt werden, kann man neue Saiten aufziehen, diese ein wenig per Hand dehnen, nochmals nachstimmen und fertig. Da verstimmt sich nicht mehr so viel. Nach 1-2 Songs noch mal kurz nachstimmen und die Stimmung ist stabil.
Manche beschweren sich, dass man einen Sattel aus Knochen hätte nehmen können. Ist mir persönlich pupsegal. Ich habe eine Graphit-Paste, die ich in die Kerben vom Sattel schmiere, damit beim Stimmen die Saiten nicht verhaken. Habe ich oft bei der G-Saite. Da dreht man zum Stimmen an der Mechanik, nichts passiert. Dann dreht man einen Millimeter weiter und plötzlich macht die Stimmung einen Sprung. Etwas Graphitpaste bei jedem 2. Saitentausch auf den Sattel und solche Probleme sind Geschichte.
Geil sind die oben erwähnten Splitbaren Humbucker. Das fehlt in der Produktbeschreibung, finde ich aber ein top Feature und ist echt erwähnenswert.
Zur Optik. Absolut top. Ich wurde am Gig von vielen Leuten aus dem Publikum angesprochen, weil die noch nie so eine absolut edle Gitarre gesehen hätten. Dem kann ich persönlich nur zustimmen.
Das Matt-Schwarz mit den Goldenen akzenten ist einfach ein absoluter Hingucker. Die ganze Gitarre ist für mich persönlich die schönste, die ich je gesehen habe. Ist natürlich Geschmackssache, aber definitiv eine sehr geile Kombination.
Man sollte allerdings im Hinterkopf haben, dass der Matte lack an den Stellen, die man oft berührt, mit der Zeit glänzt. Das ist leider unumgänglich. Wer das nicht in Kauf nehmen will, muss die Gitarre in eine Vitrine stellen oder einen Glanzlack wählen. Ich finde das Matt aber absolut genial und hatte vorher schon eine matte Ibanez RGR 320 EX RBK. Klar, mit der Zeit sieht man ihr das Alter an. Aber die Story hinter den alten Instrumenten ist für mich als Gitarrist oftmals genau so viel Wert, wie das Instrument selbst.
Fazit: Für mich persönlich nach 15 Jahren die absolute Traumgitarre. Perfekter Kompromiss aus Preis, Sound, Bespielbarkeit und Optik. Wobei es ehrlich gesagt kein Kompromiss ist, ich mache ja keine Abstriche. Was Negatives kann ich absolut nicht finden. Ein Kritikpunkt wäre eventuell, dass die Hardware nicht Spitzenklasse ist, aber man bezahlt ja auch keine 2000 Euro für eine echte ESP, sondern 825 (derzeitiger Stand) für eine LTD, die trotzdem einen viel höheren Preis anmuten lässt. Es gibt kaum einen merklichen Unterschied zwischen der LTD und der echten ESP-Variante. Aber dazu gibt es genug Tests im Internet.
Ich kann die Gitarre wirklich nur wärmstens empfehlen. Mehr Gitarre geht für den Preis einfach nicht. Echt nicht.
Update:
Die EC-1000 hat mich so überzeugt, dass ich mittlerweile eine ESP E-II Eclipse gekauft habe. Natürlich habe ich die beiden Gitarren verglichen, auch wenn die echte ESP über doppelt so teuer ist: Sie sind beide wirklich tadellos. Das Binding ist bei der EC-1000 nicht ganz so makellos und perfekt, wie bei der echten Eclipse. Auch sind die Bünde nicht aufpoliert. Die Bünde selbst sowie die Bespielbarkeit sind aber bei beiden erstklassig. Durch die Seymour Duncans ist auch der Sound der EC-1000 immernoch top, selbst im direkten Vergleich zur echten Eclipse mit Full-Thickness-Korpus. Ich will damit betonen, dass man für die ca. 900€, welche die EC-1000 kostet, wirklich eine absolut tadellose Gitarre erhält, sowohl klanglich, optisch als auch die Bespielbarkeit betreffend.