Tastatur:
Die Verarbeitungsqualität ist sehr gut, aber nicht Spitzenklasse:
Mechanische Toleranzen beim Bewegen der Tasten als auch die Geräusche der internen Hammer und der Tasten selbst variieren.
Bei einigen Tasten ist das Hammer Rückfallgeräusch dominant, bei anderen das Anschlaggeräusch. Bei den meisten Tasten sind die Geräusche jedoch kaum hörbar (wie es idealer Weise sein sollte).
Dies kenne ich von ebenfalls hochwertigen Digitalpianos wie z.B. der Yamaha CVP Klasse nicht. Da klingt und ist mechanisch jede Taste nahezu identisch (abgesehen von der Gewichtung natürlich).
Da von Kawai die Tastatur so extrem hervorgehoben wird, bin ich natürlich mit besonders akribischer Analytik an das neue Instrument herangegangen. In der Praxis jedoch tut all dies dem Klavierspiel keinen Abbruch und man wird nichts davon bemerken, da die Geräusche nur in absolut stiller Umgebung wahrnehmbar sind und man sie regelrecht suchen muss.
Die gewichtete Holztastatur ist insgesamt gut gelungen und wirklich sehr nahe am Spielgefühl eines richtigen Flügels, näher als die des erwähnten Konkurrenten, die sich mir zu "federlastig" im Nachhinein im Vergleich dazu anfühlt. Schnelle Tastenfolgen wie Triller, Glissandi etc. gehen auf dem MP11SE wesentlich "geschmeidiger" runter, wie in Butter.
Pedal:
Das 3er Pedal ist, wie das gesamte Piano, ebenso von überzeugender Qualität. Einzig die Höhe der Bodenplatte von ca. 1 cm unter den Pedalen ist am Anfang etwas gewöhnungsbedürftig. Warum hat man hier nicht statt des "dicken" Kunststoffpodestes die 2mm Metallplatte der Unterseite einfach nur verlängert?
Klang:
Die Klaviersounds sind grandios und bieten viele Optionen der Adaption. Im SUB-Bereich würde ich mir noch ein paar Instrumente / Klangfarben mehr wünschen, aber es ist ja primär ein Digitalpiano ...
Bedienkonzept:
Alle wichtigen Funktionen sind direkt über die Knöpfe erreichbar, sauber strukturiert und selbsterklärend. Dementsprechend leicht findet man sich darin zurecht.
Auch das relativ kleine Display kann mit seiner strukturierten Darstellung überzeugen und ist von seiner Dimensionierung trotz anfänglicher Skepsis völlig ausreichend.
Einzig die Tatsache, dass ein gesteckter Kopfhörer nicht den Line-Out muted (zumindest optional), ist ein kleiner Wermutstropfen.
Portabilität:
Einer der Gründe ein MP11SE als Zweitklavier haben zu wollen war dessen Portabilität. Das hohe Gewicht von 34 kg ist jedoch nicht zu unterschätzen. Nach dem Transport des (sperrigen) Pianos über zwei Etagen relativiert sich der Gedanke an eine mögliche Portabilität gewaltig ...
Fazit:
Für die knapp 2200 Euro bekommt man sehr viel Klaviergefühl geliefert. Angesichts der Tatsache, dass man noch Keyboard-Tisch, Abdeckhaube und eine vernünftige Lautsprecheranlage benötigt, ist man preislich schnell jenseits von 3000 Euro.
In Anbetracht des Gewichtes (MP11SE nebst Zubehör kam bei mir auf 110 kg Pallette an) und der dadurch eingeschränkten Portabilität ist für nicht Bühnenmusiker evtl. ein herkömmliches Digitalpiano in der 3000 Euro-Klasse die vielleicht bessere und sogar gewichtsmäßig leichtere Wahl. Ob man dort dann auch die tolle Flügeltastatur bekommt?
Auf einem zweifüßigen Keyboadständer ist das MP11SE bei intensiver Akkordbeackerung jedenfalls eine wackelige und ungewohnte Geschichte ...
Erwähnen will ich auch, dass das Gerät im Neuzustand relativ intensiv und unangenehm riecht. DIes verflüchtigt sich jedoch innerhalb der ersten zwei Tage und ist nach einer Woche in einem akzeptablen / üblichen Rahmen für ein fabrikneues Gerät.