Nach nun etwa 9 Jahren in denen ich den »Pod X3 Live« verwendete, wurde es Zeit für einen Umsgtieg. Einerseits liebäugelte ich mit dem GrandMeister40 von Hughes&Kettner, da ich aber seit Jahren Variax-Gitarren nutze und ebenfalls seit Jahren nur noch direkt insPult, also über die PA spiele, blieb ich bei altbewährtem und einem weiteren Modelling-Amp aus dem Hause Line6. Letztes Jahr ersetzte ich meine alte Variax 700 durch eine neue Variax Standard und musste feststellen, dass diese sich vom alten Pod X3 Live nicht mehr hinreichend steuern ließ, bzw. dass diese nun Optionen bot, die mit dem X3 nicht nutzbar waren.
Also fiel meine Wahl auf den kleinen Helix, also die etwas abgespeckte Version des Modelling Flaggschiffs von Line6. Ich möchte hier keine Grundsatzdiskussion über Modelling oder Analogtechnik führen. Ich stelle lediglich fest, dass schon rein klanglich der Schritt vom alten X3 zum Helix ein größerer als erhofft war. Die Kombination von Modelling-Gitarre und Modelling-Amp war für mich seit neun Jahren ein guter, praktikabler Weg und die soundtechnischen Möglichkeiten werden mit einer aktuellen Variax und dem Helix nochmal in neue Sphären gehoben.
Das Bedienkonzept des Helix LT ist durchdacht, man sollte sich dennoch zunächst mal grundsätzlich damit auseinandersetzen, bevor man das volle Potential des Amps ausschöpfen kann. Im Vergleich zum »großen« Helix gibt es kaum Unterschiede. Man findet beim LT weniger Anschlüsse auf der Rückseite und die einzelnen Fußtaster signalisieren ihre Funktion lediglich durch farbige LED-Ringe, während der große Bruder ein eigenes kleines Display pro Fußtaster bereithält. Die Sounderzeugung ist bei beiden Helix-Amps jedoch identisch. Der kleine Helix bietet jedoch noch immer mehr als genügend Anschlüsse (so z.B. zwei AUX-Sends und -Returns) und das Fehlen der kleinen Displays ist aus meiner Sicht mehr als zu verschmerzen. Bei dem dann doch recht beachtlichen Preisunterschied gab es für mich nicht mehr viel, das für den großen Bruder des Helix LT sprach.
Als Nutzer des »Pod X3 Live« findet man sich ganz grundlegend mit dem Helix sofort zurecht, auch wenn die einzelnen Presets nun anders organisiert sind. Neu ist der sogenannte Stomp-Modus, bei dem sich ausgewählte Blöcke auf die Fußschalter legen lassen, um diese - genau wie bei einem analogen Floorboard - beim Spielen an- oder abzuschalten. Beim Programmieren von Sounds lässt sich individuell festlegen, welche Blöcke im Stompmodus sicht- und damit schaltbar sein sollen. Typischerweise landen dort Verzerrerpedale, Delay- oder Choruspedale, aber selbst die Ampsimulation ließe sich als eigener Stomp-Block einrichten. Schön daran ist, dass man Blöcke, die man nicht als Stompbox benötigt, dort einfach weglassen kann. Das erhöht die Übersichtlichkeit enorm.
Überhaupt ist das Bedienkonzept des Helix darauf ausgelegt, zur Not alle relevanten Parameter auch mit den Füßen programmieren zu können. Das ist gerade für kleinere Änderungen im Proberaum oder beim Soundcheck auf der Bühne sehr praktisch.
Im Standard-Modus kann man Presetbänke und dazugehörige Presets umschalten. Sah man beim X3 Live immer nur eine Bank und hatte dort die Auswahl aus vier Presets, so sieht man beim Helix immer zwei Bänke gleichzeitig und hat somit direkten Zugriff auf 8 Presets. Hierbei ist das große, farbige Display enorm hilfreich, welches einem stets detaillierte Informationen zum aktuell verwendeten Modus liefert. In der Regel werden dort die Funtkionen der darunterliegenden Fußtaster angezeigt.
Alleine über den Stomp-Modus durch das An- oder Abschalten einzelner Blöcke erhält man soundtechnisch eine ungeheure Flexibilität, der eigentliche Clou beim Helix sind jedoch die sogenannten Snapshots. Man verfügt pro Preset über bis zu acht Snapshots, was Einstellungs-Momentaufnahmen aller verwendeter Blöcke entspricht. Man kann also von Snapshot zu Snapshot keine Blöcke ersetzen. Also z.B. plötzlich den Amp-Block mit einer anderen Verstärkersimulation zu bestücken oder in den Dealyblock ein anderes Delaypedal einzuhängen ist bei Snapshots NICHT möglich. Basis für die Snapshots ist immer die Bestückung des Presets in denen die Snapshots erzeugt werden. Man kann allerdings von Snapshot zu Snapshot so ziemlich jeden Parameter eines jeden Blocks ändern, also z.B. den Gain-Wert des Amp-Blocks hochdrehen oder in Snapshot 2 eine Reihe von Blocks aktivieren, die in Snaphot 1 noch deaktiviert waren. Auch Schaltzustände der Variax lassen sich in Snapshots speichern. So nutze ich z.B. ein Akustikgitarren-Preset, welches die Variax per Default auf eine 6-Saitige Westerngitarre schaltet. Snapshot 2 des Akustik-Presets schaltet die Variax dann auf einen 12-Saiter. Dies ließe sich zwar auch direkt an der Gitarre umschalten, aber wenn es schlecht läuft, habe ich vor dem Song vergessen, den Modellwahlknopf der Variax auf Acoustic zu drehen und dann ist es alleine mit der Pickup-Wahlschalterstellung alleine nicht mehr getan. Snapshot 3 desselben Programms wählt wieder einen 6-Saiter, stimmt die Variax aber gleichzeitig einen Halbton höher (digitaler Kapo auf Bund 1). Das direkt an der Variax einzustellen wären im Zweifelsfall drei Handgriffe - abgesehen davon, dass es per Default bei der Variax keine Stimmprogramme zum Hochstimmen gibt. Hier müsste ich also zunächst in der Variax eine Custom-Stimmung erzeugen. All das ist mit den Snapshots nicht nötig. Ich kann pro Snapshot jede der 6 Saiten individuell umstimmen, ohne die in der Gitarre befindlichen Stimmprogramme zu verwenden oder zu überschreiben.
Noch einmal zurück zum Szenario "ich hätte gerne auf Snapshot 2 einen völlig anderen Amp als auf Snapshot 1". Auch wenn man von Snapshot zu Snapshot nur auf im Preset vorhandene Blöcke (Speicherplätze für alle Art von Modulen, also Amps, Speaker, Effektpedale, etc.) zugreifen und diese nicht austauschen kann, so lässt sich selbst eine solche Anforderung mit Snapshots lösen, solange man es mit dem Einsatz von Effektblöcken nicht maßlos übertreibt. Der Helix verfügt über eine ganze Menge Rechenpower und stellt im Signalweg eines Sounds eine große Anzahl verfügbarer Blöcke zur Verfügung, die nach Belieben bestückt werden kann. Wo es beim X3 Live noch DEN Amp-Block gab, in den man einen Amp einhängen konnte, oder eben auch nicht, kann man beim Helix theoretisch mehrere Amp-Blöcke hintereinanderhängen. Möchte man also in der Strophe beispielsweise über einen cleanen Fender-Amp spielen, im Refrain aber über einen verzerrten Plexi45, so hängt man einfach beide Amps in die Signalkette und schaltet den Plexi per Default auf Bypass. Dann erzeugt man einen zweiten Snapshot (Snapshot 1 ist immer die Defaulteinstellung des Presets) und schaltet in diesem den Fender ab und den Plexi an.
Alles in allem stehen einem im Helix 1024 Preset-Speicherplätze zur Verfügung, welche sich über die Snapshots theoretisch verachtfachen ließen. In der Praxis (im Livebetrieb) reicht mir dank der Snapshots eine Bank, also eine Auswahl aus vier Presets. Von der zusätzlich sicht- und schaltbaren Bank habe ich bislang ein Preset belegt, welches grundsätzlich von den vier Basispresets abweicht. Sollte ich noch mehr Sounds benötigen, werde ich live mit der Band trotzdem sicher mit maximal zwei Bänken, also acht Presets auskommen, die ich durch Schalten der Stompmodule und/oder durch Verwendung von Snapshots hinreichend variieren kann. Der Rest steht mir für Soundspielereien oder meine Privatprojekte zur Verfügung.
Ich habe jetzt bewusst wenig zum Sound geschrieben, da dies aus meiner Sicht ein sehr subjektives Thema ist. Wie eingangs erwähnt, spürt man auch beim Sound aber die enorme Rechenleistung des Helix und gerade die Zerrsounds haben im Vergleich zu meinem mittlerweile in die Jahre gekommenen Pod X3 Live erheblich gewonnen. Als Fazit muss ich jedoch sagen, dass gerade in Kombination mit einer Variax-Gitarre der Helix ein super flexibles und mächtiges Werkzeug darstellt.
Zuguterletzt lässt sich der Amp sehr benutzerfreundlich und schnell über die Editor-Software die für macOS und Windows erhältlich ist, programmieren. Über die Customtone-Webseite von Line6 lassen sich darüber hinaus eigene Presets mit der Community teilen und Presets anderer Nutzer herunterladen. Natürlich findet sich dort auch viel Schrott, aber gerade wenn man für einen bestimmten Song ein Preset erstellen möchte, findet man dort oft sehr passende Basis-Sounds, die man nach eigenen Vorstellungen verfeinern kann.
Bei der Verarbeitung habe ich einen Stern abgezogen. Ich bin zwar mit der Verarbeitung prinzipiell sehr zufrieden und der Helix macht einen stabilen und hochwertigen Eindruck, dennoch liegt das große Display ein wenig ungeschützt auf der Geräteoberseite. Der Pod X3 Live verfügte über zwei massive Chrombügel über die sich das Gerät zum einen bequem tragen ließ, die zum anderen aber auch einen gewissen Schutz darstellten. Ich glaube so etwas wäre auch beim Helix sinnvoll gewesen. Prinzipiell ist die Verarbeitung aber sehr gut.
Fazit: speziell für Variax-Nutzer und/oder »Direkt-ins-Pult-Spieler« absolute Kaufempfehlung.