Wie viele Hersteller haben in den letzten Jahren versucht, DEN Plexi-Sound zu reproduzieren und zu verfeinern? Und wie viele haben versucht, das alles in ein kleines, leichtes Format bei etwas angenehmerer Lautstärke zu packen?
Marshall hat sich auch ans Werk gemacht und meiner Meinung nach mit dem Kleinen einen ganz großen Wurf gelandet - wie übrigens auch mit den Modellen SC20 und 2525. Kurzum: Klein, leicht, portabel, hat aber alle Qualitäten, die das Original auch hat. Dynamischer, offener Sound mit besonderen Stärken im Crunch bzw. Clean "at the edge of breakup". Wer sagt, dass Marshall keine guten Clean-Sounds produzieren kann, hat wahrscheinlich noch nie einen Plexi oder JTM45 gespielt.
Ich habe mir den Spaß gemacht und den SV20H mit einem echten, originalen JTM45 aus den 60ern verglichen (immer schön, wenn man die richtigen Leute kennt...). Ja, das Original klingt deutlich voluminöser und brachialer, aber auch runder und weniger harsch in den Höhen. Wie so oft haben die ganz alten Drosseln, Trafos und Kondensatoren einfach eine ganz spezielle Magie, die sich nicht so einfach kopieren lässt. ABER: Der SV20H kommt dem sehr, sehr nahe - auf jeden Fall näher als irgendein Master-Volume-Amp wie zum Beispiel ein JVM.
Bitte beachtet nur eins: Ja, die Verzerrung stellt sich bei 20 Watt natürlich etwas früher ein als bei 50 oder gar 100 Watt. Aber 20 Watt Vollröhre sind alles, nur kein leiser Wohnzimmeramp. Nicht mal mit der Leistungsreduktion auf 5 Watt! Das alles macht den SV20H insoweit bandtauglich, als dass man nicht alle anderen Instrumente von der Bühne föhnt, aber auch dieser Amp braucht LAUTSTÄRKE, um richtig gut zu klingen. Plexi-Crunch a la AC/DC bei Zimmerlautstärke ist hier ohne weitere Hilfsmittel wie einem Attenuator (Power Soak) nicht zu machen.
Der Amp reagiert sehr gut auf hochwertige Overdrive- oder Boost-Pedale. Der typische Marshall-Chunk stellt sich ein, wenn man ihn vorne ein bisschen "anbläst" und die Endstufe ordentlich zum Arbeiten bringt. In diesem Grenzbereich will der Amp sein und ist dann verdammt nahe am Original, auch wenn der Purist das Original wahrscheinlich als runder und wärmer beschreiben würde. Umgekehrt könnte man sagen: Der SV20H ist etwas straffer, tighter und verträgt höhere Zerrgrade etwas besser als das Original.
Qualitativ ist der Amp gut verarbeitet. Marshall hat sich viel Mühe gegeben, das Kleinformat ästhetisch schön zu gestalten. Punktlandung aus meiner Sicht! Ich muss hier trotzdem was abziehen, denn bei meinem Amp produziert der Presence-Regler ein deutlich hörbares Kratzen. Das lässt sich zwar mit Kontaktspray beheben, aber sowas muss bei einem nagelneuen Amp wirklich nicht sein.
Damit kommen wir aber auch schon zum Preis. Preis und Leistung stehen aus meiner Sicht in einem überragenden Verhältnis. Ein handverdrahteter Boutique-Amp ohne Platinenbauweise für 2000 Euro aufwärts klingt definitiv nochmal das Quäntchen besser, aber was Marshall hier anbietet, braucht sich vor keiner Konkurrenz zu verstecken.
Klare Kaufempfehlung für alle, die für die Band, live oder im Studio einen portablen, superleichten Plexi brauchen, aber ohne Master-Volume und ohne mehre Kanäle arbeiten können. Zwischen Clean und Crunch entscheiden hier die Pedale, aber am besten der Volume-Regler an der Gitarre. Klare Empfehlung, die Finger davon zu lassen, wenn man daheim spielen möchte und sich "Plexi in einer leisen Box" wünscht. Dafür gibt es definitiv andere Produkte.