Nach fast 40 Jahren endlich ein bezahlbarer Direktantrieb von Thorens - da musste ich mal nachhaken. Allerdings ist dieser hier Made in Taiwan - und leider merkt man dass....
Nach dem Auspacken und dem Lesen einer recht nutzlosen da unbebilderten Anleitung - Aufbau und Einstellung kein Thema für einen alten Hasen - allerdings ist das Anbringen des Tonarmgegengewichtes nicht erklärt und braucht etwas Gewalt - eher suboptimal. Mein Benchmark ist ein Dual CS 704 von 1978! Eine kurze Gegenüberstellung was dem Thorens alles fehlt: Tonarmbasis kein Metall und nicht höhenverstellbar, Lift gefährlich nah am Arm und nur downwards gedämpft, upwards springt er irgendwo hin, keine Feinjustage der Auflagekraft, kein Stroboskop, keine Pitchcontrol, Haube ohne Griffschalen oder einstellbarer Federmechanik und quietscht, kein Subchassis, keine Rillenrasterung, Halbautomatik hebt Arm nicht hoch und braucht zudem 20 s in der Auslaufrille zum stoppen (kratzt den Dreck an die Nadel), externes Netzteil, dünner klingelnder AluPlattentelle, Freilauf des Direktantriebes stoppt schon nach wenigen Sekunden - der Dual läuft minutenlang frei..., Plattenteller mit Verfärbungen an der Aussenseite ggfs. unwuchtig? Tonarmklammer unf Führung aus Joghurtbecherplastik...Gleichlauf nur 0.13% erreicht nicht die Comfortzone von max. 0,075% (der Dual hat 0,05% dank Papstmotor), keinerlei Leuchtanzeigen ob Eingeschaltet oder auf Standby, keine Angaben über Kapazität der Verkabelung - wichtig bei MM-Abtastern und Konfektionierung der Anschlusskabel, träge elektronische Drehzahlregelung - reagiert bei Zusatzlast z.B. Mitlaufbesen mit Überschwinger, keine Metallknöpfe, kein Fach für den 45er Puck, keine Einstellschablone, Acrylhaube recht dünn ohne Logo - neigt zum Schwingen..., kein echer Ausschalter, Externes Netzteil ohne Metallabschirmung (streut und stört beachtlich)
Zu den Sachen auf der Haben-Seite:
Carbontonarm, Standard-headshell (allerdings mit Kröpfung und aus Plastik), Thorens-typisches Design, magnetisches Antiskating (?), Aluminiumplatform, Aluminiumteller, gute Gummimatte, gute Fussdämpfung, eingebauter Pre-EQ, vergoldete Anschlussbuchsen, kompakte Bauform, verbautes AT Magnetsystem das leiches Upgrade erlaubt
In Summe hat man für 800 € einen brauchbaren Plattenspieler der sofort einsetzbar ist und keine Rätsel aufgibt, allerdings vermisst man das haptische Vergnügen ein high-tech Gerät zu bedienen oder die visuelle Sensation hervorragender Mechanik und Top-of-the-line Verarbeitung, ebenso Komfortfeatures wie den Rillenfinder, vollgedämpfter und versetzter Tonarmlift, Messgerätetypische gut ablesbare Einstellung der Aufkagekraft und des Antiskating und eine Halbautomatik die den Arm anhebt und nicht ewig in der Endrille läuft (Automatiken sind im Highend eher ungeliebt...). Wer das sucht sollte sich lieber einen klassischen Thorens zulegen z.B. einen 209er der dann aber mit Riemenantreib und komplexerem Tonarm deutlich mehr Feingefühl bei der Bedienung erfordert.
Warum durfte er bleiben? Der Motor produziert tatsächlich sehr wenig Rumpeln und der Tonarm sehr wenig Resonanzen was zusammen eine beeindruckende Ruhe beim Abspielen ergibt - zum Vergleich produziert ein AudioTechnica-120 deutliches Polschwingen und Noise durch Einstreuungen im Leerlauf. Wenn man das System mit einer MicroLine oder Shibata Nadel aufrüstet, ein gutes Kabel konfektioniert und das Netzteil möglichst weit weg plaziert, erreicht man eine beeindruckende Wiedergabequalität - das Herz schlägt am rechten Fleck!
PS. das beiliegende Kabel (Strippe...) war defekt (Masse tot) - lieber gleich ein ordentliches mitbestellen und der eingebaute PreAmp limitiert die tonalen Qualitäten - wer keinen guten HiFi-Amp mit brauchbarem Phonoeingang hat, sollte sich einen separaten PreAmp zulegen.
PPS: Ich werde oft gefragt, warum es denn ein Direktantrieb sein muss? Ich reinige Platten grundsätzliche gegen die Laufrichtung mittels Carbonbürste - das macht einem DD nichts aus, beim Riemen tut das schon weh und braucht mehr Kraft. Zudem spiele ich Platten „nass“ ab wozu ein Anfeuchter immer mitläuft als zusätzliche Last was bei einem Drehmomentstarkem DD keinen Einfluss hat. Im Gegensatz zur landläufigen Meinung können Platten, wenn sie sofort nach dem Nassabspielen trockengewischt und getrocknet werden, ohne Probleme auch Trocken abgespielt werden - ohne jedwedes Knistern.
PPPS: Ein Extra-Kudo an den Thorens-Service. Ich hatte Freitagnachmittag per Email eine Frage gestellt, die der CEO (!) innert 1 h kompetent beantwortet hat. Ich denke das zeigt das aussergewöhnliche Committment und Herz der Firma - Chapeau!