…doch es könnte schöner sein!
Bisher habe ich zu Hause mit einem Mesa CabClone hinter meinem Mark V gespielt. Klanglich OK, hatte aber nix mit dem zu tun, was man bekommt, wenn man den Amp im Proberaum mit einem Micro abnimmt oder daneben steht. Mehr noch als der Sound leidet das Spielgefühl: Genauso wie beim Pod 2.0 damals oder bei der Ampsimulation im Logic ertappe ich mich dabei, die Gitarre ständig lauter zu machen. Immer das Gefühl, gegen den Sound zu spielen, anstatt dass er mich beim Spielen trägt und pushed wie im Proberaum.
Da wir ja nun alle dank Pandemie mehr Zeit zu Hause verbringen, als uns lieb ist, wurde bei mir der Leidensdruck in Sachen „Spielen soll wieder Spaß machen!“ von Lockdown zu Lockdown größer…
Auch für Aufnahmen und Live (Haha!) soll das neue Gerät gute Qualität liefern.
Aus dem Bewerberfeld habe ich die OX Box gewählt, weil sie keinen Lüfter besitzt (da bin ich etwas empfindlich) und die Meinungen im Netz sehr positiv waren.
Erster Eindruck
Schicker Karton, schickes Gerät.
Powerschalter auf der Frontplatte gibt es bei UA anscheinend frühestens ab der zweiten Hardware-Generation, aber die Regler und Anschlüsse fühlen sich gut und wertig an. Ich mag es, wenn man Kabel einstöpseln kann, ohne ein Gerät festhalten zu müssen.
Sehr gediegen und groß und schwer. Gefällt!
Praxis
Die Software auf meinem Gerät ist Version 1.2, WLan und Betrieb sind stabil.
Schön: Alle Presets („Rigs“) werden im OX gespeichert und nicht in der App. So kann man problemlos verschiedene Devices (abwechselnd) zum Editieren nutzen.
Schade, dass die App auf dem Mac nicht skalierbar ist, die Presetauswahl versperrt auch auf 27“ mit 5K-Auflösung immer das obere Drittel.
Cool: Die Impedanz ist schaltbar und der Lastwiderstand ist auch bei ausgeschaltetem OX aktiv.
Schön, dass zwei Digitalausgänge (Stereo, beide führen identisches Signal) vorhanden sind, aber leider sind die nur sehr eingeschränkt nutzbar: Das Gerät kann sich nicht auf externe Clocks synchronisieren und ist nur mit eine Samplefrequenz von 44,1kHz nutzbar. Will man also in Projekten mit anderen Samplefrequenzen OX nutzen, muss diese(r) entweder analog angeschlossen werden (was zwei weitere, im Grunde unnötige Wandlungen mit sich bringt) oder man brauch einen Sample Rate Converter. Betreibt man OX per SPDiF, wird das Gerät zwingend zur Clock des gesamten digitalen Verbunds - sehr unflexibel, das!
Auch empfinde ich es als starke Einschränkung, dass nur zwei Kanäle ausgegeben werden können: Man muss sich vor einer Aufnahme entscheiden, wie die insgesamt bis zu vier Micros (2x close Mic und 1 Raummic, welches auch Stereo sein kann) plus Effekte lautstärkemäßig und im Panorama verteilt werden. Möchte man für den Mixdown flexibel bleiben, kann man maximal zwei Mics nutzen und muss diese hart pannen. Effekte fallen dann automatisch raus. Schade!
Vor diesem Hintergrund finde ich es total schräg, dass eine USB-Schnittstelle verbaut ist, die aber keinerlei Funktion hat. Wie schön wäre es, die digitale Sektion des OX als Plugin im Logic zu haben - man könnte pro Mic einen Audiostream in den Rechner geben und alles wäre schick!
Midi gibt es auch nicht - will man OX live nutzen, muss man die Rigs von Hand oder per App umschalten oder sich live den ganzen Abend mit einem Rig begnügen. Hä? Sämtliche Mitbewerber bieten Midi.
Witzig in diesem Zusammenhang: Der Fußschalteranschluß. Der kann Effekte an und aus schalten, aber keine Rigs umschalten. Und die Idee, das Tempo eines Delays mit dem Fuß zu steuern, ist 2021 bei UA auch noch nicht erfunden worden…
Klang
Die Loadbox-Funktion macht echt Spaß.
Ja, selbst in der lautesten Stufe wird die Lautstärke leicht reduziert. Ja, es klingt etwas anders als ohne OX zwischen Amp und Box.
Aber: Wer das nicht möchte, kann ja einfach die Gitarrenbox direkt an den Amp anschließen und den/die/das OX an einen zweiten Speaker-Out hängen.
Alle anderen lassen den OX dazwischen, stellen den Sound so ein, wie er gefällt und freuen sich über die Möglichkeit, ohne Klangverlust in sechs Stufen leiser (bis stumm) zu schalten.
Die Simulationen von Boxen und Mikros sind sehr gelungen, die Auswahl an Sounds ist groß. Eigene IRs lassen sich nicht einbinden - OX verwendet Physical Modeling und keine IRs.
Die Effektsektion ist klanglich auch sehr überzeugend: EQ und Kompressor sind super.
Das Delay fand ich etwas farblos im Vergleich zum Timeline. Der Hall ist großartig.
Ziel erreicht - es klingt fast so gut wie im Proberaum! Natürlich ohne flatternde Hosenbeine, unendliches Sustain per Feedback und Druck im Bauch, aber das Spielgefühl trägt.
Fazit
Ein Gerät, irgendwie zwischen alles Stühlen:
Zum reinen Üben fehlt die Möglichkeit, einen iPod oder wasauchimmer anzuschliessen zum drüberspielen. Und Tap Tempo wäre echt schön gewesen.
Als Livegerät habe ich nix von den Effekten (die hört man natürlich nur über die Ausgänge der Digitalsektion, nicht aber in der Gitarrenbox) und Rigs umschalten ist nur per Hand möglich. Vielleicht auch ein wenig zu schwer und unhandlich.
Im Studio fehlt mir die Flexibilität in den Ausgängen (siehe oben) und Stereo ist einfach etwas wenig, zumindest, wenn man was von den netten Effekten haben möchte. Ich habe mir einen Splitter und eine ReampingBox besorgt, um diese Einschränkungen etwas zu lindern.
Aber:
OX klingt großartig!
Der Spaß beim Spielen ist wieder da, zum Aufnehmen ist das Gerät sehr praktisch, wenn man mit den genannten Einschränkungen leben kann. Es ist toll, mal eben einen aufgerissenen Amp in hoher Qualität ins Logic zu bekommen. Egal zu welcher Uhrzeit und ohne das ganze Zeug in den Proberaum schleppen zu müssen. Ich vermute, dass ich mich sehr daran gewöhnt haben werde, lange bevor wir die Herdenimmunität erreicht haben.
So gesehen darf das hübsche Pummelchen gerne bleiben und ich hoffe auf Updates vom Hersteller.