Ich habe mir den VOX VT20X als weiteren Übungsverstärker ausgesucht, um nicht immer in den Keller laufen zu müssen, wenn ich mal ein bisschen Klimpern möchte. Für solche Zwecke kommt für mich heutzutage aus rein praktischen Gründen nur ein Modelling-Amp in Frage. Damit ist man in der Lage verschiedene Genres abzudecken, hat die dafür nötigen Effekte gleich an Bord und das Gerät lässt sich leicht transportieren. Dass man mit dem 50Kg schweren Röhrenamp und ein paar guten Effekttretern einen noch besseren Sound hinbekommt ist klar, aber ein anderes Thema.
Den Mustang III V2 habe ich im Laden kurz ausprobiert. Er hat mich nicht überzeugt, war mir zu steril. Vielleicht muss man sich damit länger beschäftigen, aber egal das ist eine andere Geschichte.
Da ich sonst nur auf Röhren stehe, habe ich mir von der Röhrenvorstufe des VOX VT20X einen wärmen, natürlicheren Klang und eine direktere Reaktion auf die Gitarre erhofft. Das Bedienpanel bietet offenbar ausreichend Einflussmöglichkeit und mittels der Tone Room Software sollte es möglich sein den Sound entsprechend den eigenen Vorlieben zurechtzubiegen. Zur bequemeren Bedienung habe ich mir den passenden Fußschalter VOX-FS-5 gleich mitbestellt.
Der VOX VT20X und der FS-5 kamen gewohnt schnell und tadellos verpackt bei mir an.
Das Gehäuse ist stabil und sauber verarbeitet, es entspricht dem klassischen Vox-Design und macht einen wertigen Eindruck. Metallecken hat er nicht, aber als Buhnenverstärker ist er ja auch nicht vorgesehen. Das Gehäuse ist komplett geschlossen, als Bass-Reflex-System ausgelegt. Angesichts des nur 8? großen Lautsprechers ist das vielleicht eine gute Idee.
Das Bedienpanel ist recht umfangreich, aber übersichtlich und sinnvoll gruppiert und intuitiv bedienbar. Das Layout orientiert sich am Design der Vorgänger. Ein einfaches Handbuch liegt bei, gebraucht habe ich es nicht. Ein Netzteil ist nicht eingebaut, dafür wird ein loses Schaltnetzteil von der VOX-Mutter Korg mitgeliefert.
An Presets stehen einem am linken Regler 11 Positionen zur Verfügung, jeweils in drei Varianten, die man durch kurzes Drücken eines daneben liegenden Tasters erreicht. Eine korrespondierende LED im Taster zeigt über den Farbwechsel von Grün über Orange nach Rot an, wo man sich gerade befindet. Hierbei sind dann immer jeweils drei Effekte vorgewählt, die man mit den Tastern der Effekt-Sektion, oder mit dem FS-5 ein-und ausschalten kann. Die letzten drei Stellungen des Drehreglers nennen sich User A, B und C. Hier kann man eigene Kombinationen von Amp- und Effekt-Simulationen abspeichern.
Wenn man ohne Preset arbeiten möchte, muss man den Taster etwas halten. Die bunte LED erlöscht dann und der Amp ist im manuellen Modus. Hier hat man dann zunächst jeweils nur die reine Simulation des Amps aktiv. In der Effektabteilung kann man sich dann bis zu drei Effekte dazu auswählen und mittels zweier Regler jeweils entsprechend einstellen.
Wenn einem ein Sound gefällt, egal ob aus den Presets oder komplett manuell zusammengebastelt, kann man ihn in einem der acht Speicherplätze ablegen. Wenn man die Speicherbänke angewählt hat, dient der FS-5 übrigens nicht mehr zum ein- Und Ausschalten der Effekte, sondern zum Umschalten der Speicherplätze. Wenn man den Schalter für den aktuellen Speicherplatz drei Sekunden durchdrückt, kann das Pedalboard wieder zum ein-/ausschalten der Effekte benutzt werden. Ein Druck auf CH3 schaltet dann wieder in den Speicherplatz-Modus. In der Effektabteilung gibt es einen mehrfach belegten Taster, der im Normalbetrieb nicht leuchtet. Wenn er rot leuchtet, ist die Stimmfunktion aktiv und gleichzeitig kann mit dem Value 1-Knopf die Noise-Reduction der Amp-Simulation eingestellt werden. Wenn er blinkt dient er zum Tappen der Hallgeschwindigkeit. Ganz rechts gibt es noch die Möglichkeit mittels Bias-Shift den Ruhestrom der Röhre zu varieren und die Betriebsart der Verstärkung zwischen A und A/B umzuschalten. Ein Gimmick das sich je nach gewähltem Amp und den übrigen Einstellungen (vor allem Gain) unterschiedlich stark von kaum merklich bis deutlich auf den Sound auswirkt.
Die zur Verfügung stehenden Amp-Simulationen finde ich alle sehr authentisch. Mir gefallen nicht alle gleich gut, weil sie nicht alle gleich gut zu mir passen, aber das gilt auch für die zugrundeliegenden Originale und ist eben Geschmackssache. Vermutlich aus rechtlichen Gründen wird nicht genau gesagt, welches Original simuliert wird. So wie ich das sehe/höre haben mit Fender Blackface und Bassman, Dumble Overdrive Special, VOX AC30, Marshall 1959, JCM 800, EVH 5150, Orange Rockerverb, Mesa Boogie Double Rectifier und Engl Invader offenbar die begehrtesten Geräte Pate gestanden.
Die vorhandenen Effekte sind ebenfalls sehr gelungen und lassen sich sinnvoll regeln.
Der Verstärker reagiert sehr gut auf die Gitarre, so wie man es von einer Röhre erwartet. Der Gain-Regler beeinflusst sehr schön die Vorstufenröhre. Auch mit dem Gitarrenvolume kann man gut arbeiten. Der Dreiband-EQ macht das was er soll. Der Volume-Regler beeinflusst einen Teil der Endstufe und beinhaltet nach meinem Eindruck die Simulation einer Endstufenverzerrung(ca. ab 2 Uhr-Stellung). Die Lautstärke wird mit dem rechten Regler, namens Power Level geregelt. Er wirkt sozusagen auf die physikalische Endstufe. Dadurch sind auch üble Zerrsounds bei Zimmerlautstärke möglich. Wenn man die Kiste aufreißt, kann sie ordentlich losrocken! Normaler Overdrive geht fast bis Vollgas bei gutem Ton. Bei den High-Gain Simulationen muss man sich aber mit dem Power Level zurückhalten, da die Endstufe anfängt zu Klippen und der verhältnismäßig kleine Lautsprecher immer weniger mitmacht, je mehr Gain und Zerre eingestellt ist. Allerdings ist der Kasten auch bei 12 Uhr Stellung für die eigenen vier Wände eigentlich zu laut. Um bei einem ambitionierten Drummer mitzuhalten könnte es aber knapp werden.
Die für den Amp gemachte Software Tone Room muss man sich von der VOX-Internetseite herunterladen. Es gibt sie für Windows PC, MAC und iphone (itunes). Die Versionen für PC und iphone habe ich probiert. Beide funktionieren tadellos. Für den Download muss man sich nicht mit irgendeiner Nummer registrieren und Tone Room läuft auch ohne den angeschlossenen Amp. Man bekommt somit schon mal eine Idee, was man mit dem Amp machen kann, ohne ihn gekauft zu haben!
Der Amp funktioniert, wie geschildert, auch ohne PC-Verbindung einwandfrei. Dennoch sollte jeder Benutzer auch die Tone Room Software (egal welche Variante) benutzen, um komfortabel die Sounds für die Speicherbänke und die User-Presets am Drehregler nach eigenem Geschmack zu erarbeiten. Mit Hilfe von Tone Room können praktisch alle weiteren regelbaren Werte der originalen Verstärker und Bodentreter eingestellt werden, für die am Gerät gar keine Regler vorhanden sind. Außerdem stehen neun weitere Amp-Simulationen und diverse zusätzliche Effekte zur Verfügung. Diese stehen als insgesamt 60 Presets zur Verfügung, von denen 40 konkrete Song-Presets verschiedener Gitarrenhelden unterschiedlicher Geschmacksrichtungen darstellen. Mit Tone Room erhält man also zusätzlich zu den 33 im Gerät gespeicherten Sounds noch 27 weitere Presets, die alleine am Gerät, also ohne Handy oder PC, nicht auswählbar sind. Wenn der VT20X mit dem PC verbunden ist, wirken sich alle Einstellungen in Tone Room sofort auf den Amp aus. Genauso wie Manipulationen an den Geräte-Potis des VT20X in der Grafik zeitgleich angezeigt werden. Außerdem kann man seine eigenen Kreationen bequem Abspeichern und bei Bedarf wieder auswählen. Speicherplätze und User-Presets lassen sich einfach per Drag and Drop belegen. Will man im Preset/Speicherplatz irgendwelche Werte ändern, so klickt man einfach das Bild des Amps bzw. Effekts und dann den entsprechenden Regler an und scrollt mit dem Mausrad rauf oder runter. Haut man dabei kurz in die Saiten, merkt man auch gleich was man anrichtet.
Fazit: Der VT20X hat meine Erwartungen mehr als erfüllt. Das Ding klingt super. Die Amps und Effekte sind sehr gekonnt simuliert. Die Auswahl an Amps finde ich sehr gut und die Simulationen sind meiner Meinung nach sehr gelungen. Da ist für jeden Geschmack etwas Passendes dabei. Der VT20X bietet, insbesondere im Zusammenspiel mit der Tone Room Software, ein wahres Füllhorn an Soundmöglichkeiten. Dieser Amp empfiehlt sich meiner Meinung nach als Übungsverstärker sowohl für den Anfänger, als auch für den altgedienten Gitarristen, der Soundvielfalt sucht, ohne den Hausfrieden zu gefährden. Sehr gut gefallen mir die Experimentiermöglichkeiten. Viele sind ewig und drei Tage auf der Suche nach einem bestimmten Sound. Mit dieser Kombination kann man unendlich viele Dinge ziemlich realistisch und schnell ausprobieren, ohne Verstärker und Effekte kaufen oder ausleihen zu müssen. Z.B. was bewirkt eigentlich ein Tape-Echo und was kann man mit den sechs Reglern erreichen, oder welche unterschiedlichen Sounds kann ein Flanger mit all den Reglern liefern oder wie viel Compressor ist im Overdrive, oder, oder, oder...
Wer das Gerät mit zur Bandprobe nehmen will, sollte vielleicht lieber einen der beiden größeren Brüder VT40X oder VT100X nehmen, wenn der Drummer analog arbeitet.
Reelle Kritik habe ich nicht, da das Gerät tatsächlich alles sehr gut kann, was versprochen wurde.
Ein paar Anregungen hätte ich aber schon:
1. Die nächste Evolutionsstufe sollte mit einem Display ausgestattet werden. Aber bitte nicht so ein Mäusekino wie bei den Mustangs. Ohne iphone oder PC-Verbindung muss man jetzt einen Zettel dabei zu haben, auf dem man sich die Daten der Presets, User-Presets und Speicherplätze notiert um nicht durcheinander zu kommen. Die detaillierte Programmierung per PC/iphone kann gerne so bleiben, wie sie jetzt ist, aber ein Display sollte je nach gewähltem Preset/Speicherplatz wenigstens im Klartext Auskunft über den Namen des Setups, das Amp-Model und die gewählten Effekte geben.
2. Tone Room sollte auch für Android-Geräte verfügbar sein. Solche Geräte hat heute fast jeder in irgendeiner Form und man spart sich den Camera-Adapter fürs iphone.
3. VOX sollte mehr Song-Presets erstellen (die sind ziemlich cool) und zum Download bereitstellen und auch für die User die Möglichkeit schaffen Presets zu teilen.
4. Wünschenswert wäre außerdem ein Firmware Update, welches weitere Effekte ermöglicht, z.B. Auto-Wah-Wah, Vibe, Octaver, Pitch-Shifter, ein weitere Chorus und ein zusätzlicher Compressor um nur die beliebtesten zu nennen.
5. Die nächste Evolutionsstufe sollte einen DSP mit mehr Rechenleistung und Speicher haben und bis zu fünf Effekte gleichzeitig ermöglichen, sowie die Platzierung wahlweise vor der Vorstufe oder in der Effekt-Loop, so wie man es real auch macht. Auto-Wah-Wah (gibt es z.Z. gar nicht) oder Compressor, Overdrive und Chorus sollten gleichzeitig im Setup sein können, was z.Z. nicht geht. Außerdem Vibe oder Reverb und Echo oder Hall. Das würde dem durchschnittlichen Setup von Gitarristen weit besser entsprechen, auch wenn man zwei bis drei der Effekte meist nur für bestimmte Teile eines Songs braucht. Ich bin ziemlich sicher, dass das schon bald Standard für Modeling Amps wird.
Keine Ahnung, ob diese Anregungen ihren Weg zu VOX/Korg finden, aber vor lauter Begeisterung musste ich das mal loswerden.
Ich hoffe dieser Review hat weitergeholfen!
Keep on Rocking!