Nachdem ich bereits einen VOX AD 15 VT und einen VT 30 besessen habe und damit viel Spaß hatte, dachte ich, ich hole mir den neuesten Vertreter der Valvetronix-Serie mit 40 Watt. Während der VOX VT20X bereits seit Dezember 2015 lieferbar war, ist der VT40X erst jetzt (Anfang März 2016) erhältlich.
An der Verarbeitung gibt es fast nichts auszusetzen. Negativ aufgefallen ist mir, dass der Amp beim Hochheben am Griff in die Schräglage geht, da der Griff nicht optimal platziert wurde. Warum man schwarze Knöpfe auf schwarzem Hintergrund verwendet, kann ich nicht nachvollziehen. Bei den Vorgängern waren es cremefarbene Knöpfe, die sich vom dunklen Hintergrund besser abgehoben haben. Aber immerhin sind es Chicken-Potis die die Reglerstellung ertasten lassen.
Das externe Netzteil stört mich nicht, wenn der Amp dadurch weniger Nebengeräusche hat. Im Vergleich zum VT 30 mit internem Netzteil sind die Nebengeräusche nicht verschwunden, aber auch nicht so laut, dass sie mich stören würden.
Positiv zu erwähnen wäre das schöne schwarze Kleid des Combos und die verführerisch hübsche Bespannung der Lautsprecheröffnung. Warum man einen relativ großen Teil der Vorderseite mit einem Brett verschließt, ist wahrscheinlich das Ergebnis höherer physikalischer Erkenntnisse. Meinem Empfinden nach wird der Lautsprecher dadurch in seiner Klangentfaltung eingeengt.
Nun zum Sound:
Die cleanen Ampmodelle klingen (besonders auch bei höheren Gaineinstellungen) recht dynamisch. Bei den Mid- bzw. Highgain-Ampmodellen hätte ich kaum ein Modell erkannt, wenn ich nicht vorher die Bezeichnung gelesen hätte. Hört man sich diese Amp-Modelle über den Kopfhörer an (hierbei ist die ClassA/ClassA-B-Schaltung deaktiviert), klingen sie von der Zerrstruktur alle ziemlich ähnlich. Nur der Gainbereich und die Klangregelung sind den Vorbildern nachempfunden. Meiner Meinung nach kommt der eigentliche Grundcharakter des gemodelten Verstärkers nicht rüber (z.B. im Gegensatz zum POD HD). So klingt der Rectifier-Sound bei mittlerem Gain und Akkordspiel recht gequetscht und wenig transparent, also ganz anders als das Original. Auch dem Brit-800-Sound fehlt der typische Marshall-Biss. In einem Produkt-Video auf der VOX-Seite hieß es, dass die Amps analog gemodelt sind. Vielleicht ist das der Grund. Für jedes Ampmodell eine eigene analoge Schaltung einzubauen wäre ein riesiger Aufwand und würde zu einem wesentlich höheren Preis führen.
Zudem arbeiten die meisten ?heißen? Verstärker-Modelle mit der ClassA/B-Schaltung. Diese Schaltung lässt den VT40X sehr klein und mittenbetont klingen, als würde man plötzlich den Speaker wesentlich verkleinern. Schaltet man auf ClassA um, muss man die Bässe um einiges zurück drehen und die Höhen stark anheben. Hierzu muss ich anmerken, dass ich dies nur bei Zimmerlautstärke getestet habe.
Die Einstellung des Bias mit Normal/Cold/Hot funktioniert gut und man fühlt beim Spielen wirklich einen Unterschied.
Ein weiterer Nachteil ist, dass sich das Noisegate nicht komplett deaktivieren lässt. So muss nach jedem Drehen am Preset-Regler der Effekt-Taster gedrückt werden und dann der Value-Regler nach links gedreht werden. Man kann zwar drei verschiedene Stufen voreinstellen, doch selbst die niedrigste Stufe greift meiner Meinung nach zu schnell ins Klanggeschehen ein.
Zu den Effekten:
Unverständlich ist für mich, warum der Chorus in der ersten Effektgruppe eingereiht wurde. Die Kombination Compressor-Chorus-Hall ist damit nicht mehr möglich. Delay ist meines Erachtens in der zweiten Effektgruppe auch deplatziert. Besonders störend ist, dass beim Versuch einen Effekt zu editieren, sich bei Anwahl des Effekts die eingestellten Parameter auf einen anderen Wert einstellen. Mehrere gute Effekte des VT 30 wurden ganz gestrichen (z.B. Auto-Wah, Octave und Rotary).
Die App ?Tone Room? habe ich auf dem iPad installiert. Hiermit lassen sich noch zusätzliche Einstellungen vornehmen, die man am Panel des Amps nicht findet. Leider ist die App für mich nicht bedienbar da fast alles auf einen Bildschirm gepresst wurde (keine Scroll-Funktion) und somit die Regler extrem klein sind. Mit den Bedienungshilfen VoiceOver und Vergrößerung arbeitet die App nicht zusammen. Aber ich kann mir vorstellen, dass selbst gut sehende Menschen Probleme mit der Bedienung der App haben, da die Knöpfe auf dem Bildschirm zu klein sind. Der Editor für den PC ist angeblich nicht zu Windows XP kompatibel.
Mein Fazit:
Wer authentisch klingende Mid- bzw. Highgain Amp-Modelle sucht ist hier falsch. Die cleanen bis angezerrten Sounds sind recht gut, besonders wenn man sie mit den gut klingenden Effekten veredelt. Das ein oder andere verzerrte Amp-Modell ist nicht schlecht, aber für meinen Geschmack zu wenig dynamisch. Dazu muss ich auch sagen, dass meine Ohren sehr verwöhnt sind (Blackstar HT1R Vollröhre über HarleyBenton 12?-Vintage30-Box, Line6 POD HD-Bohne über Kopfhörer). Für den vergleichsweise niedrigen Preis kann man vielleicht nicht mehr erwarten. Soweit ich mich noch erinnern kann, waren die Zerrsounds des VT 30 aber näher am Klang eines Vollröhrenverstärkers. Beim Kauf hatte ich angenommen, dass das neueste Modell eine Weiterentwicklung der beiden früheren Modelle ist. Anscheinend hat man hier aber mit dem analogen Amp-Modeling einen neuen Weg eingeschlagen. Also heißt es für mich, vielleicht noch mal eine Generation abwarten.