Über den AKG K812 ist schon sehr viel Positives geschrieben worden. Ich will mich daher auf einige - überaus positive - zusätzliche Anmerkungen von der Warte des technisch versierten Liebhabers klassischer Musik aus beschränken.
Zum Vergleich besitze ich den neuen Studiokopfhörer Beyerdynamic DT 1770 PRO, bei dem Beyerdynamic die gleiche "Tesla 2"-Technologie einsetzt wie bei seinem Spitzenmodell T1, sowie die Studiolautsprecher Klein+Hummmel O 300D (die ursprüngliche teure Ausführung mit trafosymmetrierten Analogeingang - zusätzlich zum digitalen Eingang - aus der Zeit, als Klein+Hummel noch selbständig und nicht von Sennheiser liquidiert war). Ich verwende ausschließlich digitale Quellen, D/A-Wandlung über ein externes Gerät (die in Player/Recorder eingebauten D/A-Wandler taugen nichts, sondern erzeugen in der Regel die berüchtigte digitale Schärfe). Angesteuert wird der Kopfhörer über einen externen professionellen Kopfhörerverstärker Palmer PHDA 02 (siehe meine Bewertung dieses Geräts).
Um mein Urteil vorwegzunehmen: Der AKG K 812 übertrifft selbst meine - nach der Lektüre von Testberichten - hochgespannten Erwartungen bei weitem. Der Beyerdynamic DT 1770 PRO wird regelrecht deklassiert. Überdies ist der AKG K 812 der erste Kopfhörer, den ich der Lautsprecherwiedergabe vorziehe. (In den 70er Jahren hatte ich den berühmten Jecklin Float, einen helmartigen Kopfhörer mit riesigen elektrostatischen Wandlern; trotzdem habe ich die Wiedergabe über meine damaligen elektrostatischen Lautsprecher Quad ESL vorgezogen.)
Der größte Nachteil der Kopfhörerwiedergabe ist die "Im-Kopf-Lokalisiertheit" (IKL). Literatur dazu: Jens Blauert: Räumliches Hören, Hirzel-Verlag Stuttgart 1974. Wirklich überzeugende Abhilfe läßt sich nur mit der Kunstkopfstereophonie schaffen; diese ist aber nicht Lautsprecher-kompatibel und deswegen gibt es keine Kunstkopfaufnahmen mehr auf dem Markt. Mit dem K812 konnte AKG das Problem der IKL zwar auch nicht lösen, aber so weit mildern, dass es nicht mehr störend wirkt. Die Klangquellen scheinen bei der Wiedergabe mit dem K812 nicht im Kopf, sondern in einer Wolke rund um den Kopf zu sein.
Darüber hinaus ist der AKG K812 der neutralste Kopfhörer, den ich in langer Erfahrung (ich bin 70 Jahre alt) gehört habe. Kein Teil der Frequenzspektrums wird hervorgehoben oder abgeschwächt. Dabei ist der K812 durchaus kein Schönfärber oder Weichzeichner, wie man es bei vielen HiFi-Kopfhörern erlebt. Die charakteristischen Schärfen von Blechbläsern oder Barockviolinen (dazu unten mehr) werden durchaus nicht gemildert.
(Der von der Kritik hoch gelobte Beyerdynamic DT 1770 PRO besitzt eine deutliche Bass- und Höhenanhebung und ähnelt in seinem Klangbild dem berüchtigten "Taunus-Sound" der Lautsprecherhersteller Heco und Canton in den 70er Jahren).
Ich beschränke mich auf zwei Musikbeispiele, bei denen ich den Beyerdynamic DT 1770 PRO als besonders unbefriedigend empfand:
Brahms: Das Orgelwerk, Georges Athanasiades an der Orgel der Stiftbasilika Waldsassen (TUDOR, 1992). Diese Orgel gehört zu den größten und klangprächtigsten Kirchenorgeln der Welt, und die Stiftbasilika Waldsassen besitzt eine so ausgezeichnete Akustik, dass sogar Orchester wie die Bamberger Symphoniker dort spielen.
Der Beyerdynamic DT 1770 PRO erzeugt hier ein völlig unnatürliches Klangbild: die tiefen Pedal-Register dröhnen geradezu, die oberen Höhen sind zuweilen so dominant, dass ich erschrecke, und die mangelhafte Räumlichkeit tritt unüberhörbar zutage. Man kann den Räumlichkeitseindruck durch sehr hohe Lautstärken verbessern (das menschliche Ohr empfindet sehr laute Musik als räumlicher), aber die hohe Lautstärke wirkt sehr unnatürlich - so laut hört man die Orgel in der Kirche nicht. Ich habe deswegen mit einem Hallgerät experimentiert, aber da wandelt man auf einem sehr schmalen Grat zwischen Klangverbesserung und Verschlechterung. (Die mangelhafte Räumlichkeit des Beyerdynamic DT 1770 PRO ist übrigens nicht ausschließlich darauf zurückzuführen, dass er ein geschlossener Kopfhörer ist; der offene Beyerdynamic DT 990 klingt auch nicht räumlicher.)
Ganz anders der AKG K812: Der Räumlichkeitseindruck ist so frappierend, dass ich zeitweilig vergesse, dass ich einen Kopfhörer aufhabe, und mich ganz auf die Musik konzentriere. Die tiefen Bässe sind deutlich hörbar, aber dröhnen nicht mehr; und wenn ein hohes Register gezogen wird, erschrecke ich nicht mehr wie bei dem Beyerdynamic DT 1770 PRO.
Vivaldi: Concerti della natura, Sonatori de la Giosa Marca, Giuliano Carmignola, Barock-Violine (Erato, 2000). Das Kammerorchester besteht aus gerade sieben Musikern/Musikerinnen (einschhließlich dem Cembalisten); der Solist - Giuliano Carmignola - spielt eine Barockvioline, die niemals verändert worden war. (Die berühmten Meistergeigen der Amati, Guarneri und Stradivari wurden ja im Laufe der Jahrhunderte dem steigenden Bedürfnis nach mehr Lautstärke angepasst; sie klingen zwar immer noch sehr gut, aber ganz anders als zur Zeit ihrer Entstehung). Die Barockvioline hat ein besonderes Timbre, graziler und schärfer als die umgebauten Violinen (Nicolaus Harnoncourt hat der Barockvioline in den 70er Jahren zu neuer Popularität verholfen.)
Mit dem Beyerdynamic DT 1770 PRO wird das Mini-Kammerorchester auf die doppelte Größe aufgeblasen und Giulianos Barockvioline klingt wie eine moderne.
Mit dem AKG K812 kehrt die Intimität des kleinen Orchesters zurück und Giulanos Barockvioline hat ihr charakteristisches Timbre.
Ich könnte noch viele andere Musikbeispiele anführen, will aber den Leser nicht überstrapazieren.
Zusammenfassung: Der AKG K812 ist der ideale Kopfhörer für den Klassikliebhaber (Pop-Liebhaber sind mit dem halb so teuren Beyerdynamic DT 1770 PRO sicher gut bedient, ich will diesen durchaus nicht schlecht reden.) Die AKG-Ingenieure, die dieses Meisterwerk entworfen haben, besuchen vermutlich regelmäßig den Wiener Musikvereinssaal, um die Wiener Philharmoniker zu hören.
Für Toningeniere, die kein gedämmtes Studio zur Verfügung haben, hat AKG kürzlich eine geschlossene Version dieses Kopfhörers vorgestellt.