Meine Epiphone ES 335 IbG (eine in jeder Hinsicht absolut fabelhafte "Gibson" aus China!) war mit einem üblichen 10er Satz ausgeliefert worden und klang damit akustisch wie auch elektrisch sehr klar, aber leider auch etwas dünn und charakterlos. Um einen volleren und differenzierteren, eher "Jazz-box"-artigen Klang zu bekommen, wechselte ich auf den etwas stärkeren Satz Harley Benton Valuestrings EL 10-52, Roundwound. Die Bass-Saiten waren nun wirklich gesättigt und hatten ein wunderschönes Sustain, aber der leicht klirrende und fast grelle Sound der Diskant-Saiten blieb leider bestehen. Gerade beim Akkordspiel störte diese Saiten-Charakteristik. Eine preiswerte Alternative zum Ausprobieren boten die Harley Benton HQS EL 11-50 Flatwound.
Verarbeitung u. Handhabung:
Die Harley Benton HQS EL 11-50 Flatwound sind wie alle Harley Benton Saiten einzeln sauber beschriftet in Klarsichtfolien verpackt (die wohl auch für eine längere Lagerung geeignet sind). Vergleichbar mit den Daddario ECG24 Chromes besitzen diese Thomann-Saiten farbige Kugelenden zur Wiedererkennung. Die geschliffene Oberfläche der umsponnenen Saiten (E-A-D-G) ist nicht ganz so glatt und blank, sondern läßt immer noch eine Umwicklung erkennen und haptisch spüren. Aber anders als bei Roundwounds, ist kein störendes Schleifgeräusch mehr bei Slides oder schnellen Akkordwechseln zu hören. Die Saiten lassen sich leicht aufziehen, da das andere Saiten-Ende nicht umsponnen/umwickelt ist und sich somit leicht in Stoptail und Tuning-Peg einfädeln läßt. Die Saiten neigen leider zum Nachsetzen, d.h. man muß sie nach dem Aufziehen wiederholt stark dehnen, um eine konstante Stimmung zu erreichen. Auch die Intonation der Gitarre hat sich bemerkenswert verändert: Mit der neuen Einstellung sind die Reiter der ARB-1-Brücke nun fast zick-zack-artig angeordnet für eine perfekte Intonation. Der Zug der Saiten auf den Hals scheint ebenfalls höher zu sein, denn auch das Truss-Rod mußte nachjustiert werden. Positiv ist jedoch, daß ein Haken/Springen der Saiten im Sattel (Nut) aufgrund der glatten Oberfläche nicht auftraucht und sich somit auch die Stimmstabiliät insgesamt erhöht. Bendings sind dagegen spürbar kraftaufwendiger, schon allein deshalb, weil die G-Saite umsponnen/umwickelt ist. Die geschliffenen Saiten-Oberflächen sind für die Greifhand auffallend weich und geschmeidig und man hat den Eindruck, als könne man schneller spielen. Wie die Daddario Chromes haben auch die Harley Bentons einen hexagonalen Stahlkern, der sich angeblich negativ auf das Schwingungsverhalten und Sustain auswirken kann, was ich jedoch nicht beoabachten konnte.
Einen Negativ-Punkt haben die Saiten leider doch und zwar in puncto Geruch: Ein intensives Metallaroma, das merkwürdigerweise eher an patiniertes Messing (Zink-Kupferlegierung) erinnert, als an Nickel oder Stahl. Auch das bewährte und effektive GHS-Fast-Fret schafft hier keine Abhilfe.
Klang:
Die Harley Benton HQS EL 11-50 Flatwound sind tatsächlich der richtige Saitensatz in Kombination mit einer ES 335 o.Ä., die idealerweise mit PAF-artigen Humbuckern bestückt sein sollte:
Das Tonspektrum dieser Flatwounds läßt sich nur in Ansätzen mit Worten, wie kraftvoll, harmonisch rund und klar, sehr ausgewogen differenziert und fein nuanciert charakterisieren. Die Abstimmung der Saiten untereinander, was Klangfarbe und Lautstärke betrifft, wirkt dezent elegant und erinnert fast an ein wohltemperiertes Piano. Dabei reagieren die Saiten sehr lebendig auf eine dynamische Spielweise. Man hat den positiven Eindruck, als habe man ein komplett anderes Instrument unter den Fingern, sehr qualtiätvoll und mit reichen Klangfarben. Nun entfaltet diese auch optisch wirklich schöne ES 335 die so vielfach gerühmte, Genre übergreifende Bandbreite einer klassischen Halbakustischen.
Ein den Flatwounds häufig attestierter gedämpfter, leicht muffiger Klang ist nach 3 Wochen intensiven Spielens nicht wahrnehmbar. Ich habe jedoch den Eindruck, daß die Saiten akustisch (unverstärkt) etwas leiser als vergleichbare Roundwounds sind. Elektrisch verstärkt sprechen sie dagegen außergewöhnlich sensibel auf unterschiedliche Stärken u. Materialien bei Pektren an: Dunlop Ultex 2.0, HB-Zelluloid 1.20, das Dunlop Tortex Standard 0.88 und das Ibanez Kiko Loureiro 1.20 sind meine Favoriten. Jedes dieser Pektren holt weitere Farbnuancen aus diesen Saiten heraus. Für jazziges Fingerstyle- und Thumb-Picking "à-la Wes Montgomery" sind diese Saiten natürlich von Haus aus prädestiniert.
- Eine gute Alternative auch für klassischen Rock/Pop u. tiefen Blues -
Aber die Qualtiäten der Harley Benton HQS EL 11-50 Flatwound liegen nicht nur im eleganten Jazz-Klang. Sie interagieren sogar gut mit dem verzerrten Klang eines Marshall Plexi samt Tube-Screamer und "Tretmine". In diesem rauheren Umfeld liefern sie zusammen mit dem Bridge-PU einen dominaten, fetten und gleichzeitig aggressiven Ton, ohne in einem kakophonischen Klangbrei unterzugehen. Vielleicht muß man anfügen, daß bis Mitte der 1960er Jahre Roundwound-Saiten auf E-Gitarren eher die Ausnahme waren und nicht nur Wes Montgomery oder Kenny Burrell, sondern auch die Beatles oder die Rolling Stones Flatwounds bewußt benutzten.
Fazit:
Die Harley Benton HQS EL 11-50 Flatwound sind die perfekte klangliche Erweiterung für eine ES 335 oder vergleichbare Gitarre. Sie sind gut verarbeitet, lassen sich leicht aufziehen und sehr leicht spielen. Etwas Nacharbeit bereitet die veränderte Intonation und das Nachstellen der Halskrümmung am Trussrod, aber man wird mit einer niedrigeren Saitenlage entschädigt. Als etwas störend empfinde ich den metallischen Geruch der Saiten.
Insgesamt eine ausgesprochen preisgünstige Option, die klangliche Vielfalt des eigenen Instruments zu erweitert.
Und damit eine Empfehlung!