Kurz vorweg: Der GrandMeister war ein kleiner "Lustkauf", da die Features wirklich schon überragend sind. Eigentlich habe ich mich nach 15 Jahren auf meinen Marshall JVM eingeschworen und früher ehrlich gesagt Amps von H&K vermieden. Meiner Meinung nach sind diverse Modelle noch immer ein wenig "klinisch", aber beim Grandmeister 40 Deluxe haben H&K ihr Versprechen gehalten und den Sound wirklich so brutal ins Positive gedreht, dass mein Marshall JVM (eigentlich Marshalls Flagschiff) einen ernsten Gegner hat. Nicht nur was Sound betrifft.
Angefangen mit der Verarbeitung, Haptik und Optik:
Der Amp ist einfach absolut einwandfrei verarbeitet. Man findet absolut NICHTS. Die Potis laufen sauber und geschmeidig, auf der Plexiglasfront sind keine Fingerdappen drauf, er hat auch hochwertige Buchsen und Switches verbaut. (JVM, ich schiele auf deine Plastikbuchsen.....)
Optisch ist das Gerät ein echter Augenschmaus. Die Blaue Front ist Geschmackssache, hat mir vor 10 Jahren nicht gefallen. Jetzt, wo ich den Amp hier in echt stehen habe, bin ich begeistert. Ist der Amp aus, sieht man die Schriftzüge kaum und man sieht die wunderschönen Innereien des Amps, ein wenig wie bei einem Ausstellungsfahrzeug bei einem Tuning-Treffen, bei dem der Motorraum lackiert und verchromt wurde. Hier wurde wirklich Wert drauf gelegt, dass der Amp innen auch optisch verdammt gut aussieht. Schaltet man den Amp an, wird das Plexiglas seitlich beleuchtet und die darin befindlichen Gravuren werden plötzlich sichtbar, weil sich das blaue LED-Licht an ihnen bricht. Was sehr sehr geil ist: Die Namen der Potis sind ebenfalls im Plexiglas eingraviert und leuchten. Also egal wie Dunkel eine Bühne sein mag, man sieht immer welcher Regler welche Funktion hat. Absolut Praxistauglich.
Nun zum Sound: Ich habe den Amp an einer 2x12 mit Celestion V30 Speakern am laufen und der holt eine Bassansprache aus dieser kleinen Box raus, das ist unglaublich. Die V30 harmonieren meiner Meinung nach sehr gut mit dem Amp. Etwas "Fizz" hört man, aber das ist auch eben die Frequenz, die einen im Bandkontext nicht untergehen lässt. Insgesamt ist der Amp mit seinen Kanälen hervorragend aufeinander abgestimmt. Hatte ich beim JVM mit extremen Lautstärkesprüngen zu kämpfen, so ist der Grandmeister 40 wirklich in jederlei Hinsicht einwandfrei. Das Umschalten der vier Kanäle geht stets ohne Störgeräusche oder Wartezeiten von der Hand. Wirklich gut.
Der Sound der einzelnen Kanäle ist wirklich so gut abgestimmt, dass er mit allen Reglern auf 12 Uhr exakt so klingt, wie ich es will. Habe direkt mit dem Grandmeister ein paar Riffs aufgenommen und mit Bass und Drums hinterlegt. Ohne die Settings am Amp zu ändern, sitzt der Amp durch sein Grundvoicing einfach schon brutal gut im Mix. Beim JVM hat das einiges mehr an Arbeit und Bearbeitung benötigt.
Der Sound reicht von Fender-mäßig Clean, über Britisch Crunch und Lead bishin zu amerikanisch Hi-Gain. Auch der britisch klingende Lead-Kanal hat mehr Gain, als man für Metal bräuchte. Durch die integrierten Booster kann man die Kanäle weiter veredeln. Man kann Clean durch den Boost in einen sahnigen Overdrive kitzeln. Bei Crunch wird das Gain etwas erhöht. Im Lead und Ultra-Kanal verhalten sich die Boost-Schalter ein wenig wie Tubescreamer. Bassbereich wird aufgeräumt, die MItten werden etwas gehoben. Sehr gute Geschichte. Nach einigen Vergleichen mit meinem alten Maxon OD 808 habe ich mich entschieden, dass die programmierbaren Boosts im Amp mehr als ausreichen sind. Das hört Live keiner, ob das jetzt ein echtes OD 808 oder TS9 ist, oder der eingebaute Boost des Amps. Der Sound ist auf jeden fall sehr hochwertig und das Sterile, was man H&K nachgesagt hat, ist dank der überarbeiteten Vorstufe verschwunden. Mir gefällt der Lead-Kanal sogar besser, als mein Marshall JVM. Auch generell ist der Amp sehr gut abgestimmt. Der Sound hat eine Menge "Punch", also der Attack der Noten pumpt beim Anschlag, ähnlich wie man es nur von aufgerissenen Amps kennt. Selbst auf Zimmerlautstärke ohne der Verwendung des eingebauten Attenuators. Klingt einfach geil und macht Spaß.
Zu den Features:
Der Amp ist wirklich klein und handlich, mit seinen nicht mal 8 Kilogramm ist er hervorragend zu transportieren. Die beiden seitlich angebrachten Tragegriffe erleichtern den Transport zusätzlich. Es wird eine kleine gepolsterte Tasche für den Amp mitgeliefert, die auch noch einen Umhängegurt besitzt. Den Amp zur Probe oder mit auf Gigs zu nehmen ist absolut kein Problem. Sound-Technisch muss er sich ohnehin nicht vor den großen Vollröhrenamps verstecken, Lautstärketechnisch übrigens auch nicht. Die 40 Watt Vollröhre reichen definitiv für Gigs jeglicher Art aus. Für kleine Clubs ist er selbst mit 40 Watt overpowered. Bei größeren Bühnen sind die 40 Watt auch absolut praxistauglich und selbst dann, sind die Amps in der Regel per Mikrofon abgenommen. (Was der Grandmeister überflüssig macht, aber dazu später mehr).
Kein Schwein braucht einen 100 Watt Amp um eine Konzerthalle ohne PA zu beschallen, zumal das dem Sound nicht zulänglich ist. Endstufenzerre ist geil, ja. Aber zu viel Endstufenzerre versaut den Sound. Also kommt man auch selbst mit 100 Watt Amps nicht weit, soll der Sound perfekt sein. Für den Clean-Kanal ist mehr Headroom natürlich von Vorteil, wenn er absolut clean bleiben muss. Aber ich kriege den Grandmeister sogar mit EMG's noch auf hohen Lautstärken clean. Sollte also kein Problem darstellen. Zur Lautstärke allgemein: Um den Lautstärke eines identischen Verstärkers zu verdoppeln, braucht man das zehnfache an Leistung. Ein 40 Watt Vollröhrenamp ist also nicht nur halb so laut, wie ein großer 100 Watt Amp. Rechnet man sich das aus, kommt man Rechnerisch darauf, dass ein 40 Watt Amp nur 25% leiser ist, wie derselbe Amp mit 100 Watt. Ich persönlich habe noch nie die letzten 25% Lautstärke eines 100 Watt Topteils benötigt... Man hat dadurch aber Vorteile: Man kommt bei geringeren Lautstärken in die gern gewollte Endstufenzerre. Bass benötigt natürlich viel mehr Energie, aber mal ehrlich: Im Studio und auch Live sind zu viel Bass in der Gitarre ein No-Go. Das ist der Job vom Bassisten. Die Gitarre lebt in den Mitten... Man kriegt mit dem H&K also mehr als ausreichend Leistung für nur jeglich erdenkliche Bandsituation.
Aber was kann der Amp noch so? Die Features sind wirklich absoluter Hammer:
- Reaktive Loadbox. Ja, der Amp hat eine reaktive Loadbox an board. Normale Loadboxen saugen den Sound weg, wenn man die Endstufe drosselt oder komplett ohne Gitarrenlautsprecher spielt. Beim Grandmeister 40 kein Problem, da er eine hochwertige Loadbox verbaut hat.
- Integriertes Noise Gate, welches hervorragend arbeitet. Das Noise-Gate ist "intelligent" und prüft die Lautstärke des eingangssignals (Gitarrenbuchse) und überwacht auch die Lautstärke zwischen Preamp und Poweramp. Anhand der beiden Messstellen entscheidet das Gate anschließend, ob es öffnet oder schließt. Vorteil: Es reagiert hervorragend und wesentlich natürlicher und zuverlässiger als mein Bodentreter-Noisegate vor dem Amp oder im FX-Loop. 2. Vorteil: Effekte werden nicht abgeschnitten, wenn das Gain schließt. Man kann die Gitarre ausklingen lassen, ohne das das Noisegate plötzlich am Ende vom langen Sustain einen abbrupten Cut macht. Hall und Reverb klingen weiter und natürlich aus.
- TSC (Tube Safety Control). Absoluter Hammer. 1. stellt der Amp sein Bias selbst ein, Röhrenwechsel sind also im wahrsten Sinne des Wortes "Plug and Play". Neue Röhren, die nicht ordentlich vom Hersteller "eingebrannt" wurden, können ihr benötigtes Bias noch leicht verändern. Das ist beim H&K kein Problem mehr, da er es selbst einstellt.
2. Warnt der Amp wenn möglich schon vor dem Ausfall einer Röhre, dass diese nicht mehr im Toleranzrahmen läuft. Man kann also vor dem Gig die Röhre noch austauschen. Natürlich wird dies per LED auf der Rückseite des Amps angezeigt. Man sicht also nicht nur ob eine Röhre schwächelt, sondern auch ganz genau welche der Übeltäter ist.
3. Sollte eine der Endstufenröhren ausfallen, schaltet der Amp das Röhrenpaar ab. Ein Vorteil, dass in der Endstufe 4 EL84 verwendet werden, statt 2 El34. Warum? Wenn eine der 4 Röhren ausfällt, schaltet die TSC-Schaltung die Partnerröhre automatisch ab und der Amp funktioniert ohne Zutun noch mit den restlichen zwei intakten Endstufenröhren. Zwar wird die Leistung halbiert und man hat bei Auftritten einen plötzlichen Lautstärkedrop, den man aber mit einem kleinen Dreh am Master-Regler wieder ausgeglichen hat. Und der Gig ist gerettet.
4. Kann man sich mit dem Amp über die TSC-LED's das Bias der einzelnen Röhren ausblinken lassen. Das ist zum Beispiel top, wenn man schauen will, ob gematchte Endstufenröhren wirklich "gematched" sind.
- Der Attenuator/Loadbox: WIe gesagt, rekative Last, also kein Soundverlust bei höheren Leistungsreduzierungen. Man kann den Amp also locker in 40, 20, 5, 1 Watt und komplett ohne Lautsprecher betreiben. Schaltet man den Verstärker von 40 auf 20 Watt, wird die Leistung nicht durch die Powersoak vermindert, sondern der Amp schaltet erst mal 2 der 4 Endstufenröhren ab. Dadurch kann der Sound nicht verfälscht werden. Drosselt man die Leistung weiter, greift die reaktive Last und der Amp bleibt weitgehends Klangneutral. Feine Sache, zumal die eingebauten El84 Röhren ohnehin schneller in die Sättigung fahren, als 6l6 und El34.
- Der Amp kann komplett frei programmiert werden. Alle Regler außer Master, also Presence, Resonance, die Effekte, Treble, Mitten, Bass, Channel Volume und Gain, Noise Gate, FX-Loop sowie der interne Boost können auf 128 Presets abgespeichert werden! Sogar die Power-Soak kann bei Wunsch programmiert werden. Verwendet man ein Midi-Board, hat der Amp quasi 128 Kanäle mit unabhängigen Presence, Resonance, EQ, Effekten, Channel Volume, Gain und Boost, Noise Gate, Fx Loop. Und das alles in Vollröhrentechnik. Noch Fragen?
"Was ist, wenn ich 50 Presets habe und möchte die Presence und Resonance-Werte an einen Live-Gig anpassen, weil der Amp in der Halle zu viel Bass produziert?" Kein Problem: Man kann eine globale Presence und Resonance aktivieren. Die Einstellung der beiden Regler im Preset wird dann überschrieben mit den aktuellen Settings der Regler an der Front des Amps. Man muss also nicht per Hand in 50 Presets gehen und Resonance/Presence anpassen.
Dasselbe funktioniert übrigens mit der programmierbaren Leistungsreduzierung.
Aber wozu eine programmierbare Leistungsreduzierung? Nun, damit kann man kleine aber effektive Tricks betreiben:
Man kann den Clean-Kanal auf 40 Watt programmieren, damit er nicht anfängt zu zerren, auch bei Gig-Lautstärken. Den Lead-Kanal kann man dann auf 20 Watt programmieren, damit dieser früher in die Endstufensättigung fährt. So hat man einen glasklaren Clean-Kanal, der auf 40 Watt läuft und beim Wechsel in den Lead-Kanal automatisch eine 20 Watt drossel, die den Amp in eine sahnige Endstufenzerre fährt. Wirklich geil...
- Loadbox: Die Loadbox ist wie oben erwähnte rekativ, verfälscht den Klang des Amps also so gut wie nicht. Was aber noch absolut erwähnenswert ist: Angenommen jemand stolpert über das Boxenkabel und zieht den Stecker, raucht ein normaler Vollröhrenamp ab, weil die Endstufe ohne Last läuft. Der Grandmeister 40 erkennt das Problem und schaltet sofort auf die Loadbox um, damit die Endstufe nicht gegrillt wird. Sollte man den Amp einschalten ohne eine Box angeschlossen zu haben, schaltet er auch sofort auf Loadbox um. So kann man beim Silent Recording über die hervorragende Redbox nicht vergessen, eine Lautsprecherbox anzuschließen und versehentlich die Endstufe grillen. Der Amp ist also absolut Idiotensicher.
- Zur Redbox: Ich habe ungelogen noch nie eine so geil klingende Cab-Sim gehört. Nie. Ich verwende zum Recorden schon immer eine Loadbox und einen hardware IR-Loader mit hervorragenden IR's, damit nicht nur die Vorstufe sondern auch die Endstufe im Aufnahmesignal vorhanden ist. Auch live geht man so gerne mal in die PA um sich das Mikrofon zu sparen. Die Redbox klingt sowas von gut, dass man wirklich meint, man hätte eine Mesa 4x12 oder eine Marshall 4x12 am Amp mikrofoniert. Mit allen Reglern auf 12 Uhr und mit dem Redbox-Ausgang auf Vintage sitzt der Sound sofort im Mix und klingt dazu noch absolut hochwertig. Dagegen ist der Line-Ausgang mit Boxensimulation meines Marshall JVM's wirklich absoluter Schrott. Im Vergleich zu guten IR's klingt die Redbox nicht schlechter, nur leicht anders.
Man kann dazu noch zwischen Vintage und Modern wählen, oder auch ob es eine kleine 2x12 oder eine große 4x12 Box ist. Das Signal kann man von Line auf Mikrofon umschalten, falls es nötig ist. Wenn nicht, sollte man aber bei Line bleiben. Das liefert den besten Sound. Obendrein besitzt die Redbox (die es so in dieser Ausführung nur exklusiv im Grandmeister 40 verbaut gibt) noch eine Ambience Emulation. Das Signal ist also nicht furztrocken, sondern es wird ein leichter Raumklang hinzugemischt, als hätte man den Amp wirklich im Studio mit Mikrofon aufgenommen. Es ist kein Hall, den man wahrnimmt, aber der Sound klingt trotzdem organischer und echter. Es hört sich jetzt einfach wirklich nach Box und Mikrofon an, statt Line-Out. Man kann auch die Lautsprechersimulation komplett deaktivieren und im Loadboxbetrieb per XLR direkt ins Audiointerface gehen, um dort eigene IR's zu laden.
Dazu gibt es noch einen Line-Ausgang um die Vorstufe des Grandmeisters in eine externe Endstufe zu jagen und natürlich einen Midi Ein- und Ausgang. Der separat erhältliche Fußschalter aus Metall (eigentlich ein Midi Controller) wird durch den Amp mit Strom versorgt. Man kann übrigens auch schon am Fußschalter Midi-Kabel anschließen, wenn man zum Beispiel ein zusätzliches Midi-Board verwenden will. Der Fußschalter arbeitet dann als Midi-Merger und schickt ein gemeinsames Signal zum Verstärker. Wenn man also für seine 128 Presets 128 physikalische Knöpfe am Boden haben will, nur zu. Achja, man kann den Fußschalter noch mit Switches und Expression Pedalen erweitern, welche man auf die verschiedenen Regler und Funktionen des Amps legen kann. Das alles gibts für ca. 1200 Euro (ohne Fußschalter ist der Amp natürlich günstiger...).
Fazit: Muss ich dazu überhaupt auch noch ein weiteres Wort schreiben?...