Zuerst einmal ganz großes Lob für das Thomann Team, seit 15 Jahren kaufe ich hier ein, die Bestellungen wurden wie auch diesmal immer zuverlässig im Eiltempo abgearbeitet und nach Österreich versendet. Hier maximale Punktezahl für das Team!
Zur Bewertung: Ich bin seit 46 Jahren Hifi Fan und Vinylfan (früher sagte man Schallplatte dazu), seit ca. 36 Jahren Verwender von Monitorlautsprechern der verschiedenen Marken, aber kein Kopfhörerfan (Musik spielt sich „in Kopf“ ab, nicht klar vorne zu hören, keine richtige Bühnen Abbildung, keine gute Ortbarkeit von Einzelinstrumenten oder Instrumentengruppen). Weiterhin im richtigen Leben außerhalb der Wohnung ein Opern- und Konzertbesucher (Klassisch, Jazz, Rock).
Alle meine klanglichen Eindrücke bei diesen beiden Kopfhörern sind meine subjektiven Hörerfahrungen, die ich mit meinen Ohren und meiner Kopfform (großer Kopf) wahrgenommen habe, daher können die Ergebnisse bei anderen anatomischen Gegebenheiten anderer Mitbürger und -hörer durchaus auch anders sein.
Nachdem ich nicht immer mit „richtiger“ Lautstärke Musik genießen kann, (Nachbarn, Abendzeit, Ehefrau) muss dennoch ein moderner Kopfhörer her. Neutral soll er klingen, sauber und verzerrungsfrei arbeiten, ohne Verfärbungen sein und mein Budget nicht überschreiten. Weiters muss er offen sein (ich will ja auch etwas von den Umgebungsgeräuschen hören und nicht ständig erschrecken) und auch ohrumschließend (kein Druck in und auf den Ohren).
Nach langem Studium der Thomann Seiten, stundenlangem Gegoogle und Geyoutube (das war zwar die modernste, aber auch die zeitaufwendigste, unergiebigste und bis auf einzelne Ausnahmen inkompetenteste Quelle) entschied ich mich für den AKG K612 pro. In der finanziell gleichen Liga lag auch noch der Ultrasone pro 1480i, den ich gleich mitbestellte.
Nach einer kurzen Einspielzeit (lang geht leider organisatorisch nicht) am Kopfhörerverstärker dann mit vielen unterschiedlichen Musikstücken (Oper, Symphonien, Songschreibern, Jazz, alle sowohl digital als auch analog) angehört und verglichen.
Ultrasone pro 1480 i:
Die S-logic Technologie mit den vorne unten sitzenden Lautsprechern soll laut Firmenwebsite dazu führen, dass die Musik nicht im Kopf, sondern wie bei guten Hifi Lautsprechern vor einem auf einer Bühne ähnlich wie ein Life Konzert stattfindet. Das allerdings bleibt dann doch Wunschdenken des Unternehmens. Mit einiger Konzentration kann man sich im Vergleich zu anderen Kopfhörern den Raumklang etwas weiter vorne vorstellen, die Musik bleibt aber weiterhin im Kopf. Das S-logic System in ähnlicher Form gabs schon vor ca. 45 Jahren in der Konstruktion des Schweizers (wer hat?s erfunden?) Jürg Jecklin zu hören, nämlich bei dem Jecklin Float model two mit den dynamischen Treibern (damals beeindruckende 55mm Durchmesser), den ich auch besitze.
Der Klang: Beeindruckend positiv ist der unglaublich dynamische und „schnelle“ Sound, die Musik „schießt“ regelrecht in die Ohren, die Dynamik ist durchaus realistisch zu einem Life Erlebnis. Negativ empfinde ich den bei weitem nicht neutralen Sound, der Bass“buckel“ bei geschätzten 100 Hz ist deutlich zu hören, der Bass wirkt dadurch schwammig, der „Buckel“ übertönt wahrscheinlich die wirklich tiefen Töne, die nur mit konzentriertem, aktivem Hinhören zu leise zu vernehmen sind. Weiters ist der Kopfhörer im unteren Hochtonbereich zu hell, was zwar die Singstimmen sehr lebendig und präsent macht, bei kritischen Aufnahmen die Sibilanten allerdings unangenehm zischend bis schrill. Das leider auch schon bei mittleren Lautstärken.
Das Äußere: Gut gebaut, alles wirkt trotz viel Kunststoff stabil und haltbar, die kardanische Aufhängung der Muscheln funktioniert gut, trotz des hohen Druckes des Kopfbügels angenehme und langdauernde Hörsitzungen möglich. Ohrpolster (im Nachkauf sehr teuer) per Bajonett gut austauschbar, scheinbar gut reparierbar durch Verschraubungen statt Verklebung. Kabel per verschraubbarem 3,5mm Klinkenstecker austauschbar.
AKG K612 pro:
Klassische Bauweise mit riesig viel Platz für die Ohren, die werden nicht überhitzt, bei meinem großen Kopf stabiler Sitz trotz fragiler Höhenverstellung, bei kleineren Köpfen könnte diese, so hab ich schon gelesen, vielleicht wackelig wirken.
Der Klang: Auffällig ist hier die riesige Breite im Klang, das kann bei kleinen Arrangements positiv sein, bei halligen Aufnahmen von großen Klangkörpern manchmal negativ, nämlich zu viel.
Positiv am Klang ist hier aber der deutlich neutralere Frequenzgang festzuhalten, die Bässe daher tiefer gehend und trockener wahrnehmbar, keine wesentliche Verfärbung im Mittel- und Hochtonbereich, nie scharf oder unangenehm, die Dynamik allerdings nicht so direkt und unmittelbar, manchmal geht das dann schon in Richtung „langweilig“, ein Wechsel auf einen anderen KHV brachte hier eine etwas dynamischere Präsentation.
Das Äußere: Scheint durchaus stabil, die Ohrpolster ( im Nachkauf sauteuer) auch durch Bajonett austauschbar, im Raum zwischen Treiber und Ohrpolster kann man mit verschiedenen Einlagen den Sound modden (wer?s will), allerdings sehe ich keine Schrauben für eine umwelt- und kostenbewusste Reparatur, hier sieht?s leider kunststoffverschweisst aus. Kabel fix montiert.
Fazit: Zwei im Klang total unterschiedliche Geräte, beide können meine Vorstellung nach annäherndem Ersatz zu einem korrektem Lautsprecherpaar-Setting in Räumlichkeit und Neutralität nicht erfüllen, sehr gut wäre eine Kombination aus beiden, die Wertung daher bei AKG K612 pro nur 4 von 5 Punkten - Mangel an Dynamik und Lebendigkeit trotz kräftigem Kopfhörerverstärker, die Wertung bei Ultrasone 1480i pro nur 3 von 5 Punkten wegen der offensichtlichen Mängel im Klangbereich (schwammiger Bass und überschießende Sibilanten). Der AKG bleibt dennoch als Notnagel bei mir (Preis-Leistungs-Verhältnis gut), der Ultrasone geht zurück.
Nachtrag vom 2.4.2022 (AKG K612 pro): Nach ca. 2 Jahren ist alles nach wie vor o.k., im Klang ist der Kopfhörer "lockerer" geworden, d.h. die Dynamik ist besser und lebendiger. Allerdings ist die Basswiedergabe jetzt leicht überbetont und weniger trockener als früher beschrieben. Nicht wirklich störend, bei zu übertrieben basslastig gemixten Musikstücken nur manchmal lästig. Bei digitalen Quellen bekomme ich das aber mit sanftem EQ zwischen 50 und 630 Hertz gut hin.