Die HE Torres 2024 Ziricote/Fichte überzeugte mich mit ihrem filigranen Aufbau und dem schlanken, eher schlicht gehaltenen Design. Die Mechaniken mit Durchblick auf den Untergrund haben fast schon was Erotisches. Ich spürte schon beim ersten zaghaften Anzupfen, welche Wucht dieses Meisterstück sogar bei leisen Tönen entfaltet. Geht man richtig zur Sache, dann haut es einen fast um. Wagt man vorsichtig gespielte Rasgueados, wird der Klang brachial. Das liegt auch, aber nicht nur am Schellack der Decke. Wer noch mehr reinlangen will, der kann den mitgelieferten, höheren Steg einsetzen mit 0,5 mm höherer Saitenlage am 12. Bund.
Der gelungene Mix aus dem weichen, empfindlichen Schellack für die Decke, welcher der HE Torres maßgeblich den warmen Ton verleiht, und dem pflegeleichten Nitrolack für den Rest, kam mir, dem gealterten und orthopädisch geschädigten Musiker, sehr entgegen. Jede Saugnapf-Stütze kann an Boden und Zarge angebracht werden, ohne erst mal den Gitarrenbauer zu beauftragen, Folien unter den Saugnäpfen anzubringen. Das schnell liebgewonnene Instrument erst mal für ein paar Tage wieder wegzugeben, das käme einer seelischen Grausamkeit gleich.
Unbedingt zu empfehlen ist eine Unterarmauflage für den Zupfarm, an der Spielposition der Kante von Zarge zur Decke oder ein weiches Mikrofaser Tuch oder Nappaleder. Ich verwende hier eine Saugnapf-Auflage oder notfalls ein Tennis-Schweißband. Ab und zu muß die HE zum Gitarrenbauer zum Aufpolieren der Decke, dessen sollte man sich bewußt sein.
Klangbeschreibungen sind schwierig, die HE liefert aber unstrittig diese Eigenschaften: Auf der e-Saite chromatisch bis zum 19. Bund (!) laufende, weiche, singende Höhen trotz Carbonsaiten; markige, nicht dröhnende Bässe; gleichmäßiger, fein auflösender Klang und eine ziemlich hohe Grundlautstärke. Die Resonanz ist phänomenal und man kann es richtig genießen, die sich aufbauenden Oberton-Akkorde an geeigneten Stellen auch mal ganz frech ausklingen zu lassen, um darin zu baden, auch wenn das nicht in den Noten steht...
All das ermöglicht alle klassische Musik von Renaissance bis Moderne, aber auch Blues und Folklore. Mein Favorit für die HE ist Bach. Der klingt auf mancher sonst gut klingender Ceder-Decke eben nicht. Der Klang der HE ist auch mit der Renaissance-Lautenstimmung D'G'CFAd hervorragend, also alles einen Ganzton tiefer. Von Musik mit Geklopfe rate ich ab, die HE ist kein Percussion-Instrument. Dafür empfiehlt sich eine Flamenco Gitarre mit Golpeador oder eine handgemachte Javier Mengual (bei Thomann) mit Nitrolack. Natürlich können fortgeschrittene Gitarristen auf der Hanika auch Rasgueados (ohne golpe) spielen, die hier richtig wuchtig klingen. Wer aber noch nicht so weit ist und immer noch Finger auf die Decke knallen läßt, der sollte ein Zweitinstrument zum Üben nehmen.
Die Ausstattung ist perfekt: Der Hochglanz-Koffer von "bam" ist GFK-verstärkt, leicht, super stabil und ein echter Hingucker. Damit er es auch bleibt, gibt es für ihn eine Schutzhülle (!), ferner einen 2. Steg, die auf 10-tel mm genaue Angabe der beiden Saitenlagen, 2 Mikrofasertücher, 2 Tragriemen, und einen Herkunftsnachweis der Hölzer. Erfreulich ist, daß ca. 80 % der Hölzer nicht aus tropischen Regenwäldern kommen.
Besaitet war die HE mit den beschichteten "Hard Tension XTC46FF Classical Carbon" Saiten von D'Addario, die ziemlich lange halten, allerdings auch mindestens 6-8 Std. eingespielt werden müssen, bis sich das Gequietsche der Bässe einigermaßen beruhigt. Sie ist meine erste Gitarre, wo der Hersteller nicht an den Saiten sparte. Ich probierte kurz andere "High Tension" Bässe mit etwas geringerer Spannung aus, schon war die D-Saite nicht mehr hörbar und klang wie ein Gummiseil. An den preislich moderaten XTC46FF oder an einem gleichwertigen Material führt also kein Weg vorbei. Die HE ist auf höchste Spannung gebaut und ziemlich zickig, wenn sie diese nicht bekommt. Fast wie im richtigen Leben.