Es gibt kein schlechtes Equipment, nur schlechte Anwendung. Deswegen sollte man sich immer fragen, wofür man den Kram den man kauft braucht und ob es es das richtige für die eigenen Ansprüche ist.
Seit vielen Jahren mache ich Homerecording und nehme auch andere Bands auf und produziere deren Platten. Da muss mal eine Demo für den neuen Song der eigenen Band eingerumpelt werden oder es braucht halt einen amtlichen Gitarrensound für die nächste Band, die vorbeikommt oder halt das dicke Brett für die nächste Soloplatte. Seit eh und je benutzte ich dafür Guitar Rig 5 von Native Instruments, wenn ich nicht gerade einen Amp abmikrofoniere, und war damit auch bisher eigentlich immer zufrieden. Aber schon seit einiger Zeit geht mir diese Ampsimulation total auf den Geist und das liegt vor allem an den EQ's. Wenn ich bei Guitar Rig an den EQ's der Amps drehe passiert mir einfach zu wenig. Der Sound wird fast überhaupt nicht beeinflusst und man muss total viele Effekte in die Kette einbinden um ein passables Ergebnis zu erzielen. Dazu noch jede Menge Processing im Mix und das geht mir auf den Senkel.
Also dachte ich mir die True Tone Dinger von Harley Benton mal auszuprobieren. Für 30€ kann da ja wohl nicht viel schief gehen. Und: oh boy, das war es wirklich wert.
Ich spar mir jetzt mal ewig lange Absätze über die Verarbeitung und konzentriere mich auf das Wesentliche, nämlich den Sound. Klar: die Kiste ist vernünftig gebaut, solides Gehäuse, Potis fühlen sich toll an, True Bypass hält was der Name verspricht bla bla bla.
Was mach ich damit. Ich spiele gerade eine Black Metal Platte ein und verwende den British True Tone als Grundsound für die Gitarren. Dazu stelle ich einen geilen Cleansound ein und baller die Distortion mit dem Harley Benton Extreme Metal (genauso geile Kiste) rein. Und das funktioniert unglaublich gut. Nämlich weil das British True Tone mir eine extrem große Bandbreite an Sounds liefert, die alle wirklich amtlich klingen. Ich gehe aus dem Teil direkt in mein Interface. Mit nem bisschen Hall hinten dran klingt das einfach unfassbar gut. Weiß nicht wie man sich da beschweren kann. Die Bandbreite an Tone ist unfassbar für so ein kleines günstiges Ding. Vor allem verändert sich wirklich was, wenn man an den Reglern, allen voran dem EQ dreht. Da bring ich lieber etwas Fingerspitzengefühl auf, als keine Veränderung zu hören, wenn der Regler auf 0 oder auf 10 steht. Jeder Regler am British verändert wirklich deutlich hörbar den Klang auf eine Art und Weise, die auch Sinn macht. Die Frequenzbänder sind gut gewählt.
Und wenn ich mir dann die Frequenzanalyse in der DAW anschaue kann ich wirklich nur frohlocken. Abgesehen davon, dass kaum Störgeräusche ankommen, werden auch wirklich nur relevante Frequenzen an das Interface geschickt. Oberhalb von 6500 Hz ist Feierabend, selbst bei Höhen auf 10 gedreht. Alles nur Gequietsche und Gefiepe, das ich sowieso rausfiltern würde. Und untenrum fällt die Kurve ab 200 Hz richtig fein ab. Bei 200 Hz liegt die Fatness bei Gitarren. Alles darunter macht nur Matsch, den man auch wieder rausfiltern würde. Was will ich also mehr? Geiler Sound, geiles Frequenzspetrum, keine Störgeräusche, Pegel optimal einstellbar. Perfektes Pedal also?
Eine ganz kleine Sache zum Motzen hätte ich dann doch. Und zwar folgendes: Das British True Tone soll mir ja eine Bandbreite an Marshallsounds in the Box inklusive Cab liefern. Tut es auch, klar. Aber wie geil wäre es denn bitte, wenn ich den Drive mit nem separaten Taster dazuschalten könnte? Weil so kann ich nur einen einzigen Sound einstellen und den entweder ein oder ausschalten. Macht im Studio jetzt keine Probleme, aber für live wäre es doch richtig killer, wenn ich sowohl einen cleanen, als auch den verzerrten Sound parat hätte. So ist man quasi darauf angewiesen entweder die ganze Zeit den gleichen Sound zu fahren oder das Cleansignal eines externen Amps als Cleansound zu benutzen und die Zerre über das True Tone zu holen, oder halt eine zusätzliche Zerre vor das True Tone zu klemmen, so wie ich das mit dem Extreme Metal mache. Wenn ich aber aus dem True Tone direkt in die PA gehen will (was nämlich möglich ist) kann ich nur einen Sound fahren und muss mir die Zerre aus nem weiteren Pedal holen. Was natürlich auch nicht so schlimm ist denn die ganzen fetten Bretter von Harley Benton kosten genauso viel wie das British True Tone und das verträgt externe Zerren und Distortions ausgesprochen gut.
Fazit: Für mich genau das Richtige. Kostet fast gar nix, kann viel, klingt gut. Im Studio der absolute Hammer. Das ganze dumme Geseier von wegen Rauschen dies das kann ich gar nicht verstehen. Wenn du willst, dass dein Gitarrensound nicht rauscht spiel halt keine Zerre. Das liegt in der Natur der Sache. Ich glaube auf lange Sicht werd ich sogar meinen Amp wegtun und dann auch live aus dem True Tone direkt in die PA gehen. Deswegen klare Empfehlung, tausend Sterne und Sonnenaufkleber für die Studiosituation. Live noch nicht getestet. Falls das passiert gibt's nen Edit. Bis dahin sollen die ganzen Gearelitisten und Markennamennazis mal die Füße still halten und sich mal auf ihre Ohren und die Anwendbarkeit, statt auf das Prestige ihrer überteuerten Boutique Pedals verlassen. Dann kann man nämlich auch Leuten mit nem schmalen Budget mal nen amtlichen Tone zugestehen. Dafür kauft man dann das British True Tone oder halt eines seines Pendants, wenn man eher auf den Fender, Mesa Boogie oder Vox Sound steht. Die werd ich mir auch noch holen. Wer braucht schon ein Helix oder nen Kemper, wenn man mit fünf Pedalen alle wichtigen Sounds der letzten 70 Jahre Gitarrengeschichte abdecken kann? Niemand.