Die Hohner Blues Harp trägt ihren stolzen Namen mit Recht, weil sie die Bluesharp schlechthin ist. Hunderttausende Musiker schwören auf sie, und das hat mehrere gute Gründe. Sie spricht sehr leicht an (viel leichter als die Marine Band oder die Marine Band Deluxe), setzt alle Befehle in gefühlter Lichtgeschwindigkeit um und braucht sehr wenig Luft. Gerade dann, wenn Dir noch Spielerfahrung fehlt, wirst Du Dich über kinderleichte Bendings und Effekte freuen. Die gehen mit der Blues Harp fast von allein, was bei der Marine Band /Deluxe übrigens keinesfalls der Fall ist. Für die Ansprache gibt es volle Punktzahl, allerdings versteht es sich von selbst, dass Du die Harp behutsam einspielst, vor jedem Gebrauch anwärmst und weder Kekskrümel noch Limonadentröpchen in die Stimmzungen schmetterst! ;-)
Der Bambuskanzellenkörper ist Kunststoff klanglich klar überlegen und schmeckt am Anfang sogar nach Bambus. Ich mag Bambus und fand es fast tragisch, dass sich der Geschmack nach einiger Zeit langsam verflüchtigte. Manchmal kommt er aber noch durch. Dass die Messingstimmplatten unter dem Deckel einen Millimeter hervorstehen, stört mich und meinen Bart nicht im geringsten, und ich kann beim besten Willen auch keinen metallischen Geschmack feststellen.
Die Deckel sind ergonomisch gut geformt, mir persönlich gefällt jedoch die Deckelform der Seydel Session Steel oder Favorite eine Idee besser. Dennoch liegt die Hohner hervorragend in der Hand und im Mund. Du kannst sie stundenlang, tagelang und monatelang spielen, ohne dass es unbequem wird. Das Deckeldesign wäre im übrigen auch der einzige Punkt, den ich an der Hohner Blues Harp verbessern würde, denn alles andere ist wirklich perfekt. Deckel und Stimmplatten sind jedenfalls auch hier wartungsfreundlich verschraubt, Du kannst also Reinigung, Setting und kleine Reparaturen leicht selbst erledigen und brauchst die Harp nicht für jede Kleinigkeit zur Wartung einschicken. Klarer Vorteil gegenüber genieteten Modellen wie der Marine Band.
Die Blues Harp ist insgesamt ein wunderbares Instrument, insbesondere der Sound ist weltklasse. Sie klingt exakt so, wie man es von einer Bluesharp erwartet. Ihren Klang zu beschreiben, würde tausende Worte erfordern und dennoch nicht aussagekräftig genug sein. Darum in einem Wort: weltklasse. Verarbeitung und Intonation sind ebenfalls hervorragend und werden höchsten Ansprüchen gerecht. Dieses Instrument macht richtig Spaß und kostet vergleichsweise wenig.
Stichwort "vergleichsweise": In der Preisklasse bis 40 Euro gibt es einige Mitbewerberinnen, die vergleichbare Features haben und der Hohner Blues Harp durchaus ebenbürtig sind, teilweise sogar im Detail überlegen sind. Die Marine Band und Marine Band Deluxe klammern wir mal aus. Die sind relativ schwer zu spielen und nichts für Anfänger. Die Lee Oskars sind ebenfalls tadellos verarbeitet und haben zwar eine perfekte Ansprache, aber auch einen Kunststoffkanzellenkörper. Wenn Du zwischen Lee Oskar und der Hohner Blues Harp abwägst, gib einen Fünfer mehr aus und nimm die Hohner. Sie klingt einen Tick besser und kann nichts schlechter. Und Holz ist grundsätzlich die bessere Wahl.
Bleiben noch die Harps mit Holzkorpus und Messingreeds übrig: Da gibt es die etwa gleichteure Hering Delta Blues, die ansprache- und soundmäßig locker mit der Hohner mithält und nicht zuletzt wegen ihrer 1,2mm dicken Reeds (Hohner: 0,9mm) und der wuchtigen Verarbeitung aufhorchen lässt. Die ist fast doppelt so schwer und eine absolute Empfehlung für Spieler, die "was massives in der Hand" haben wollen. Hering Harps kommen allerdings aus Brasilien, müssen also um die halbe Welt und über den Äquator transportiert werden, bis sie hier sind. Der Weg von Trossingen über Treppendorf zu Dir nach Hause weist da klar die positivere CO2-Bilanz auf! Außerdem gibt's die Heringe bei Thomann gar nicht, was ja an sich schon ein Ausschlusskriterium ist ;-)
Die interessantere Alternative zur Hohner Blues Harp ist die Seydel Soloist Pro, die zu 100% in Sachsen produziert wird. Sie kann alles, was die Hohner auch kann, klingt genauso fett, spricht traumhaft an, kostet aber auch ein paar Euro mehr. Dafür sieht sie besser aus. In den Tonarten G bis D nehmen sich die Hohner Blues Harp und die Seydel Solist Pro nicht viel. Ich persönlich mag die Standardstimmungen ab D aufwärts nicht so, weil sie mir zu schrill klingen. Hier spielt Seydel einen entscheidenden Trumpf gegenüber Hohner aus, weil sie die Solist Pro auch in den tiefen Stimmungen anbieten. In den Tonarten Db, D, Eb, E, F und F# sollte ein L davor stehen, also LD, LE etc. Das gibt's nur bei Seydel, weshalb ich je nach Stimmung veschiedene Hersteller spiele und rundum zufrieden bin. Wie Du Dich in den mittleren Stimmungen (G bis D) entscheidest, ist eine persönliche Geschmacksfrage - mit der Hohner Blues Harp machst Du nichts falsch.