Ich hatte mir diese Reisegitarre aus Karbon bestellt, da ich als Sänger mit klassicher Gitarre (und weiteren Musikern) manchmal auf Konzertreisen im Flugzeug unterwegs bin und mir auf Dauer die Extrasitzplätze für die Gitarre etwas zu kostspielig sind. Auch ist mir das Abgeben des Instruments nicht angenehm. Ich habe schon von einigen Schäden erfahren. Die Idee, das Instrument als Handgepäcktasche mitnehmen zu können und die Unanfälligkeit gegenüber Temperatur- und Luftfeuchtigkeitsschwankungen hat mir konzeptionell sehr gefallen.
Das Instrument kam - dank Thomann und DHL - sehr schnell geliefert: es ist mattschwarz, glänzt definitiv kein bisschen, obgleich die Fotos auf der Thomannwebseite das zumindest in Teilen (Vorderseite) vermuten lassen. Das hat bei mir die Stimmung etwas getrübt, da ich vorher sogar mit einem Thomann-Mitarbeiter telefoniert und das Interesse am Glanzlack betont hatte. Leider hatten sich auch beim Journey Instruments-Akustikbass - den ich vor einiger Zeit schon gekauft hatte - ein paar Fehler auf der Thomannseite offenbart (die Mensurdaten und die Saitenangaben waren nicht korrekt), die aber nach Hinweis sehr schnell angepasst wurden. Das ist lobenswert: Natürlich kann so etwas mal passieren (obgleich ich dies bei Thomann in all den Jahren vorher noch nie erlebt hatte). Wichtig ist, wie man dann damit umgeht und das war vorbildlich.
Die Gitarre ist hervorragend leicht und klingt im Vergleich zu vielen klassischen Gitarren aus Holz unverstärkt unglaublich ausgeglichen (über das Frequenzspektrum), ist aber auch sehr leise. Sie kann meiner Meinung nach ohne Verstärkung nur in wenigen Situationen eingesetzt werden - zumindest sehr viel seltener als eine Holzgitarre. Das Instrument klingt darüber hinaus für meinen Geschmack auch etwas kühl. Der eingebaute Tonabnehmer ist passiv und bemerkenswert laut. Trotzdem kommen vergleichsweise wenig Höhen rüber. Darüber hinaus hat das Instrument eine hörbare Überbetonung einiger Frequenzen (Resonanzen), die ich persönlich als nicht besonders überzeugend empfand und einen parametrischen EQ notwendig macht. Meine zugegebenermaßen deutlich teurere Holz-Yamaha mit eingebauter aktiver Verstärkung klingt da ausgewogener und schwingt - möglicherweise aufgrund des Holzes - sehr viel lebendiger. Auffällig war auch, dass nach 2 Wochen testen die Saiten immer noch weit entfernt von stimmstabil waren, obgleich damit ja Werbung gemacht wird. Zeitgleich hatte ich neue Saiten auf die Yamaha aufgezogen, die schon nach wenigen Tagen ziemlich gut die Stimmung gehalten hat. Darüber hinaus sind die Mechaniken des Karboninstruments nicht hochwertig, fühlen sich sogar erstaunlich schlicht bzw. nach "made in China im vorletzten Hinterhof" an. Das finde ich sehr schade - es wird diesem in vielen Bereichen offensichtlich gut durchdachten Instrument nicht gerecht.
Was dagegen wirklich sehr beeindruckend ist, ist die Intonation. Trotz der Möglichkeit, den Hals ab- und wieder anzubauen, ist diese über das gesamte Griffbrett erstklassig und besser als bei vielen anderen Gitarren.
Die mitgelieferten Saiten haben eine sehr geringe Spannung. Für meinen Geschmack wirklich viel zu gering, so dass ich mich im Wesentlichen relativ nahe bei Steg zupfen erlebe. Saiten mit einer höheren Spannung könnten einerseits evtl. den Klang verbessern andererseits die Spielbarkeit positiv beeinflussen. Das habe ich aber nicht getestet, um mein Recht auf Rückgabe nicht zu gefährden.
Ich habe - aufgrund der beschriebenen Aspekte - mir nachträglich zusätzlich die OC522 von Journey Instruments bestellt, um als Vergleich ein Reise-Massivholzinstrument desselben Herstellers mit der patentierten Halsmontage zu testen. Diese Gitarre hat mich deutlich mehr überzeugt: der Klang ist lebendiger und schöner, sie ist ohne Verstärkung sehr viel lauter, kann somit auch rein akustisch verwendet werden und sieht für meinen Geschmack auch sehr viel schöner aus. Da sie ebenfalls sehr gut intoniert, bessere Mechaniken hat, ebenfalls auseinandernehmbar sowie transportabel und dazu sogar noch preiswerter ist, habe ich mich für sie entschieden. Sie ist im Vergleich zur OC660M deutlich schwerer (auch ein wenig im Vergleich zu anderen Holzgitarren): möglicherweise ist das Holz etwas dicker als gewöhnlich, um die Reisen besser zu überstehen, und/oder die flexible Halsmontage steckt dahinter. Das Massivholz ist natürlich auch nicht so temperatur- und luftfeuchtigkeitsschwankungsunabhängig wie Karbon. Der Resonanzkörper und die Tasche der OC522 sind etwas tiefer/größer als die OC660M. Falls man hier im Flieger etwas dazuzahlen müsste, dürfte es jedoch sicher weniger sein als ein gesamter Sitzplatz. Auch denke ich, dass die großen Fluglinien dies nicht beanstanden werden. In ein paar Wochen weiß ich aber mehr und gebe dann Bescheid.
Abschließend kann ich das Instrument wegen seiner positiven Eigenschaften wirklich loben. Wem diese wichtiger sind als lebendiger Holzinstrumentenklang und wer ohnehin verstärkt spielen möchte sowie eine gute Anlage mit entsprechendem EQ hat, dem könnte diese Gitarre ein solider Begleiter werden.