Die Pluspunkte:
- optisch hochwertiger Eindruck
- gepolstertes, großes Notenfach
- Koffer hat eine "Hartschale" im Gegensatz zu vielen anderen Billigkoffern, die nur einen überzogenen Styroporkern haben. Trotzdem ist er sehr leicht.
- viel Stauraum für Zubehör im Inneren
- U-Bahn-Griff
- Sehr gute Schwebelagerung
- Anpassung an fast alle Bratschengrößen möglich
- das Band, mit dem die Bogenhalterung hinterlegt ist, ist nur verschraubt nicht verklebt; dadurch kann man hübsch seine Fotos etc. dahinter stecken
Die Negativpunkte:
- Unerträglicher Gestank nach Lösungsmitteln, der sich zur Zeit noch weigert zu verfliegen. Nach wenigen Minuten geöffneter Koffer im Raum entsteht bei mir Brechreiz (das ist nicht übertrieben formuliert!). Wenn der Geruch nicht verfliegt, werde ich den Kasten deshalb zurückschicken müssen.
- das Rückentragesystem ist völlig untauglich, denn die obere Befestigung der beiden Schultergurte besteht in einem gemeinsamen D-Ring. Dies führt zu schmerzhaftem Einschneiden der Schultergurte am Hals und Drücken der Karabiner im Nacken, so daß sich der Kasten nicht erträglich auf dem Rücken tragen läßt. Einen Beckengurt, der den Druck vom Nacken nehmen könnte, gibt es ebenfalls nicht.
Außerdem ist der D-Ring nicht mit dem Kasten verschraubt, sondern nur über ein Gurtband in den Bezugsstoff eingenäht, wodurch die Nähte sehr schnell ausreißen werden.
- Für meine kleine 15" Bratsche ließ sich der Schieber nicht ausreichend verstellen, weshalb hier etwas mit der Bohrmaschine nachgeholfen werden mußte.
- kleine Instrumente werden zwar noch ausreichend fixiert, haben an den Seiten aber erheblich "Luft", weshalb hier noch z.B. mit einem Tuch nachgepolstert werden sollte.
- Meine Bratsche hat vom Steg bis Kastenoberkante noch etwa 5mm Platz, aber bei größeren Instrumenten kann dieser eventuell nicht reichen und es kann dann durch Druck auf den Teg zum Stimmriss kommen.
- der Innenbezug wirkt sehr "kurzflorig" und ziemlich rauh, was möglicherweise nicht gut für den Lack ist, wenn man das Instrument viel transportiert. Ein Seidentuch kann hier Abhilfe schaffen.
- die Zubehörfächer sind zu schmal, um einen Satz Ersatzsaiten aufzunehmen.
- wie vom Preis zu erwarten, teilweise nicht ganz sauber verarbeitet, bzw. außen an der Randeinfassung der Notentasche ist die Naht verrutscht und das Fach hat dort ein kleines Loch.
FAZIT:
Wenn der unerträgliche (und hoffentlich nicht gesundheitsschädliche!) Gestank nicht wäre, könnte ich mit den Macken des Koffers gut leben: ein selbstgebautes Gurtband mit Klemmschnalle, oben um den Kasten geschlungen, ermöglicht das Einhaken der Schultergurte mit etwas Abstand und macht das Rückentragen damit erträglich. Leider haben auch weitaus teurere Koffer wie die von :dix dieses Problem und sind deshalb keine echte Alternative.
Nun gebe ich dem Kasten noch 3 Wochen Zeit zum Ausdünsten und schicke ihn zurück, wenn das keinen Erfolg zeigt. Schade, ggf.
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Nachtrag vom Dezember 2018:
Ich habe den Kasten nach etwa 2 Jahren "ausgemustert", da die Nähte aufgingen. Die Verarbeitung war halt doch ein wenig einfach. Von innen finde ich den Kasten nachwievor hervorragend gestaltet.
Allgemein hat mich aber gestört, dass die obere Befestigungslasche für den Rückentragegurt nur mit dem Aussenbezug vernäht wurde und das Verstärkungsband, wie vorhergesehen, rasch an den Seiten abgerissen ist. Ich habe mir dann eine Lösung mit umlaufendem Gurtband gebaut, das war aber sehr nervig auf Dauer.
Dann hatte ich ja damals von einer "Hartschale" geschrieben, dies ist jedoch nicht ganz richtig. Der Deckel besteht aus Styropor, der an einigen Stellen mit Sperrholzbrettchen versteift ist und dadurch etwas mehr Stabilität bekommt. Man kann das Styropor im Deckel jedoch bereits mit dem Finger eindrücken. Fällt etwas schweres auf den Kasten (z.B. Kind beim Spielen), überlebt dies das Instrument sicher nicht.
Wer mit seinem Instrument viel unterwegs ist, sollte sich vielleicht was hochwertigeres kaufen. Auf der anderen Seite bietet der Kasten viel für sein Geld und isoliert auch gut gegen Temperaturschwankungen.
Mittlerweile habe ich sehr viele Kästen verglichen und bin zu der Feststellung gekommen, dass es selbst im hochpreisigen Bereich keinen Bratschenkasten gibt, der das Instrument vor Fall, Stoß und Temperaturschwankungen gut schützt und gleichzeitig eine durchdachte Ergonomie bietet. Was schützt, ist also vor allem Vorsicht im Umgang. Und da würde ich einen Styroporkasten einem Sperrholz- oder gar Kunststofflaminatkasten wegen der besseren thermischen Isolierung und Stoßabsorption immer vorziehen. Für seinen Preis bleibt dieser Kasten also nachwievor eine gute Wahl, wenn man ihn nicht auf dem Rücken transportieren möchte.
Der anfängliche starke Geruch war schnell verflogen.