Ich mache schon ein bisschen länger Musik (seit 1979), und bin mit dem Klang der alten Oberheim-Synthies (OB-8, OB-Xa und Matrix 12) sehr vertraut. Der Oberheim Matrix 12 unseres Keyboarders ist auf unserem damaligen Band-Demo verewigt, und der Klang ist mir nie mehr aus dem Kopf gegangen.
Insofern ist mein Urteil über den OB-6, der seit ein paar Tagen bei mir im Studio steht, sicher von ein bisschen Nostalgie gefärbt. Und natürlich stimmt es: der OB-6 ist kein Modulationsmonster wie modernere Synthesizer. Seine Features sind vergleichsweise übersichtlich. Für mich ist das alles aber kein Nachteil, denn erstens spürt man, dass bei Auswahl der Möglichkeiten die ganze Erfahrung des Veteranenteams Dave Smith/TomOberheim eingeflossen ist und - noch wichtiger - zweitens geht es bei einem Oberheim um die musikalische Essenz: den Grundklang. Und der ist beim OB-6 unverwechselbar und unnachahmlich Oberheim. Der OB-6 klingt auf eine unnachahmliche Weise fett, er hat unglaublich weit spannende Flächen, seidenweiche Streicher, erhabene Synthbässe, er kann melancholisch, schräg, geheimnisvoll, düster, brachial oder funky klingen. Man tippt auf ein Preset, dreht ein bisschen, und dann versinkt man in einem Klang, den man aus keinem anderen Synthie herbekommt. Sein besonderer Grundsound macht ihn sicher nicht zur ersten Wahl für jeden. Aber wenn man echten Charakter schätzt, statt nur die Anzahl der Features zu vergleichen, wenn man sich von einer Maschine musikalisch inspirieren lassen will, dann führt - finde ich - kein Weg am OB-6 vorbei.
Eine Empfehlung zum Schluss: von dem amerikanischen Keyboarder Julian Pollack (Pseudonym J3PO, war u. a. mit Marcus Miller auf Tour) gibt es ein sehr gutes Soundset für den OB-6, das das ganze Potenzial aus der Maschine herausholt und auch einige der oben genannten Klassiker umfasst.
Ergänzung nach 2 Wochen klangschrauben: bis die beiden Oszillatoren miteinander sauber schwingen, braucht es ca. eine halbe Stunde Aufwärmzeit (bei Raumtemperatur). Nicht, dass man ihn nicht vorher spielen kann. Aber Schwebungen durch leichtes Verstimmen von Ost 2 funktionieren erst dann stimmstabil. Das kannte ich von einem Jupiter 8, der jahrelang in meinem Studio stand. Auch in dieser Hinsicht ist der OB-6 also auch ein echtes Vintage-Instrument. Leider ist diese Eigenheit nicht vernünftig im Handbuch verzeichnet. Unbedingt zu empfehlen ist es auch, das Ding möglichst oft zu kalibrieren, weil die Kalibrierung ebenfalls temperaturabhängig ist (in 1-Grad-Schritten). Der OB-6 misst die gegenwärtige Betriebstemperatur und stellt die in der internen Kalibrierungstabelle dafür abgespeicherten Offset-Werte für Oszillatoren und Filter ein.