Jetzt hab ich mir endlich mal die Mühe gemacht, verschiedene Equalizer diverser Hersteller und verschiedener Aggregatszustände (Hardware/Software) miteinander zu vergleichen, weil grad so ein Bohei drum gemacht wird in der einschlägigen Fachpresse. Der Abgebrühte denkt sich schnell, da schreibt einer vom anderen ab und ein Toni plappert dem anderen nach...
Früher hatte man einen Eq pro Kanal im Pult (und zwar immer den gleichen!) und hat so lange dran geschraubt, bis es gut klang. Heute geht erst mal eine Plug-In-Leiste auf, die nicht mehr mehr auf den 30"-Monitor paßt. Frohes Entscheiden! Ganz abgesehen von den ganzen "Outboard"-Möglichkeiten, die man jetzt so hat. Und um eine solche soll es hier gehen:
Ich habe den SSL 611 EQ verglichen mit Neve 8803 (19") und Sonnox Oxford EQ (Software Plug-In). Audio-Quelle war ausschließlich ein einzelner Snare-Schlag einer echten Schlagzeugaufnahme, der in Schleife lief, abgenommen mit SM57 und Beta57 von oben und mit SM 81 von unten. Zusammengefasst auf eine Subgruppe und mit Inserts, belegt mit den zu testenden Probanden, A/B-umschaltbar ohne Audio-Pause mit dem Kopf ständig im "sweet spot". Die Entscheidung für die Snare deshalb, weil kaum ein anderes Instrument in einem einzelnen, kurzen Schlag so viele Frequenzen beherbergt und immer der selbe Schlag deshalb, damit man nicht von den diversen Interpretationen des Schlagzeugers irritiert wird.
Mit dem SSL 611 EQ erreicht man tatsächlich den "großen" Snare-Sound der 80er-Jahre, per "black"-Schalter auch noch zwischen erster und zweiter Hälfte der Dekade umschaltbar ("black" hat 18 statt 15dB Hub/Senkung und etwas andere Glockenverläufe).
Man fühlt sich wirklich an Bob Clearmountain erinnert (Bryan Adams): satte Bässe (so 170Hz), seidige Höhen (ca 11,5 k), ein schmaler Notch bei 330 Hz, etwas Präsenzen bei 5,5k...Da war er, der dicke Sound, der normalerweise schwer zu erreichen ist ohne Layering mit Samples, Rosa Rauschen etc...
Der Neve klang bei gleichen Einstellungen mittiger, nicht so fett, nicht so 80er, subjektiv etwas verzerrter... Er klang tasächlich eher nach 60er, 70er, wo auch seine evolutionstechnischen Wurzeln liegen.
Das Sonnox Plug-In klang bei gleichen Einstellungen weicher, zurückhaltender. Software klingt also softer, prima Eselsbrücke. Die Erfahrung macht man ja immer wieder, dass man bei Plug-Ins mehr Gas geben muss, um auf ähnliche Klangergebnisse wie bei Hardware zu kommen.
Fazit:
Der SSL 611 Eq klingt tatsächlich "körperhafter" als Software und "loudnessmäßiger" als bspw. Neve. Dabei hatte ich wirklich den Eindruck, dass das, was an meinem Entzerr-Ergebnis künstlich klang, nicht am Gerät, sondern an meiner künstlerisch wertvollen Kurve lag. SSL sagt man ja nach, dass man sie nicht "hört" und dieser Eindruck hat sich mir bestätigt. Ich hatte wirklich nach Dekaden des "Entzerrens" endlich mal den Eindruck, dass das, was ich erreichen möchte, passiert und auch noch gut klingt ohne ungewünschte Artefakte. Dass SSL momentan nicht so oft erwähnt wird in den einschlägigen Audio-Foren, schreibe ich dem Vintage-Hype zu, der färbende Geräte aus früheren Epochen präferiert.
Zur Ausstattung: soweit laut Artikelbeschreibung alles bekannt, LEDs gibt es keine, keine Pegelkorrektur, Filter auch nicht und die Bänder sind nicht einzeln schaltbar. Hat aber in einem 500er-Slot auch keinen Platz mehr und im Gegenzug ist der EQ sehr übersichtlich und überhaupt nicht fummelig zu bedienen.
Von meiner Seite alle 5 Daumen hoch!