Fender hat eine alte Schaltung ausgegraben. Princeton Amps - nicht Princeton Reverb - findet man ab und zu in Besprechungen über Vintage Equipment. Der 62 Princeton wird jedenfalls im typischen brauen Tolex ausgeliefert. Auf den Amp bin ich bei Stöbern im Thomann Angebot gestoßen, Chris Stapletons Musik kenne ich, also war die Neugier geweckt. Da es den 62 Princeton offensichtlich erst seit der 2019er NAMM Show gibt, war zum Zeitpunkt meines Kaufs noch nicht sehr viel darüber zu lesen.
Ich habe den Amp in Treppendorf ausprobiert und mitgenommen. Leider hat der erste 62 Princeton bereits am nächsten Tag beschlossen, den Dienst einzustellen. Auf den ersten Blick hat die Gleichrichterröhre nicht mehr funktioniert. Die Rücksendung und der Austausch des Verstärkers lief typisch für die Firma Thomann flott und problemlos, es ist zwar ärgerlich, wenn ein nicht ganz billiges Teil sofort kaputt geht, aber der Service von Thomann hat die schnellstmögliche Lösung des Problems ermöglicht.
Der 62 Princeton ist kompakt und gar nicht mal sehr leicht. Ich mag Princeton Amps (habe einen 68er und einen 65er im Einsatz) und ich habe den 62 aufgrund der Kombination aus Frei-Verdrahtung und 12" Speaker gekauft. Die Hoffnung war, dass der 12" Speaker einfach nicht so schnell überfordert ist, wie die 10" Speaker, die sonst in Princetons verbaut werden. Der Speaker im 62 Princeton hat einen fetten Magnet und trägt sicher zum Gewicht bei. Das Gehäuse ist wirklich aus Brettern gebaut, nicht aus Press-Span. Die Verarbeitung ist in Ordnung, das Tolex sauber verklebt. Der mitgelieferte Schalter für das Tremolo ist im Hinblick auf den Preis des Verstärkers unwürdig billig gebaut, da hätte Fender schönere Schalter im Programm.
Zur Bedienung - die ist sehr einfach, das es nur 4 Potis gibt und nur 2 etwas mit dem Ton direkt zu tun haben. Fender-typische greift das Volume Potis erst ab etwas Stellung "2", ab 3 tönt es laut und deutlich aus dem Lautsprecher. Die erste Erkenntnis war, dass der 62 Princeton kein "Leise-Übe-Amp" ist, auch wenn er nur 12 Watt hat. Die 12 Watt in Verbindung mit dem 12" Speaker hört man deutlich. Dreht man das Volume Poti weiter auf, bekommt man abhängig vom Anschlag von "4" leichte Anzerrung bei P90 oder Humbuckern, ab "6" auch mit Fender Singlecoils. Ab der Mittelstellung wird der Amp nur noch wenig lauter, aber er zerrt immer mehr, der Bass kommt auch mehr zur Geltung. Die Zerre ist herrlich, wie erwartet. Die Klangregelung erlaubt eine ganz gute Anpassung an den Tonabnehmertyp, es ist aber keine 2- oder 3-Bandregelung. Das Tremolo ist sehr interessant, zwischen sehr langsamer und tiefer Modulation und schnellen Einstellungen mit weniger "Intensity" kann man viele Effekte erzeugen. Soweit ich verstanden habe, ist es nach Original-Spezifikationen von 1962 gebaut. Es passt für alle Stücke, die ein Tremolo erfordert. Eine Hallspirale hat der 62 Princeton nicht, da muss man ein Effektgerät vorschalten. Optimal wäre eine originale Fender Reverb Unit - aber die ist groß und selten.
Zum Klang: Der 62 Princeton klingt nicht typisch nach Fender, zumindest nicht, wenn man einen 65 oder 68 Princeton Reverb oder einen Deluxe Reverb als Maßstab nimmt. Die "Lieblichkeit" des Clean Sounds fehlt, der Princeton tönt deutlich rauher und nicht ganz so nach "Fender-Breitwand". Der Speaker dürfte nach einigen Stunden Spieldauer auch noch etwas nachgeben, man mass auch bedenken, dass es mal kein Celestion ist. Ich habe allerdings noch nie einen alten Princeton Amp mit 10" Lautsprecher gehört außer in Videos. Andererseits setzt sich der 62 Princeton im Bandgefüge sehr gut durch. Ihm fehlen zwar zumindest bei "Zimmerlautstärke" die Tiefen anderer Fender Verstärker, aber sobald eine Band am Werk ist, sieht die Lage anders aus. Single Notes funktionieren wunderbar, auch Doubles Stops und alles was mit Blues und Stilistiken der 60er und 70er Jahre verbunden ist. Es ist schwer zu beschreiben, aber ich habe das Gefühl, das der Ton ohne Umwege direkt aus dem Amp kommt. Kommt vielleicht von der schnörkellosen Schaltung.
Ich traue mir zu, mit dem 62 Princeton auch ohne PA Abnahme bei Kneipen-Gigs zu spielen, den hört man sicher und je weiter man aufdreht, desto schöner klingt er.
Das habe ich inzwischen bei einer Jam Sessio/Open Stage Veranstaltung ausprobiert. Lokal mit circa 50 Zuhörern. Drumset unverstärkt, Gesang auf PA (Maui 11 G2), etwas Frontmonitor, Bass und E-Gitarren über kleine Verstärker, verschiedene Gitarristen nutzen abwechselnd die vorhandenen Gitarrenverstärker. Einer davon war der 62 Princeton. Mit einer Les Paul betrieben reicht Lautstärke "3" aus, um gut mitzuhalten. Schade, da man damit noch nicht in den wirklich interessanten Bereich des Princeton kommt, der Gitarrist arbeitet aber offensichtlich nicht mit den Volume Reglern an der Paula, so dass ich ihn nicht überzeugen konnte, den Princeton weiter aufzudrehen und den Rest an der Gitarre zu richten. Er hat auch die Tonhöhenblende auf ca. 15:00 Uhr aufgedreht, da die Humbucker sonst etwas mumpfig klangen. Der Sound war dann super, schön "oldstyle". Alle Fender-Gitarren mit Singlecoils brauchen nicht so viel Höhen, die passen sehr gut mit dem Princeton zusammen. Das Tremolo ist eine Schau!
Außerdem ist der 62 Princeton sehr kompakt, leicht in die Kneipe zu tragen, passt im Auto hinter den Fahrersitz. Das hochwertige Cover sitzt gut und schützt den Amp ausreichend.
Fazit: Ein toller und spezieller Amp. Es ist schön, dass man auch bei Herstellern wie Fender frei verdrahtete Verstärker nach Originalspezifikationen bekommt. Wer einen Amp für eine größere Bandbreite sucht, sollte lieber einen Deluxe Reverb kaufen, wer auf den direkten Sound einkanaliger Röhrenamps steht, sollte den 62 Princeton ausprobieren. Für den Top-40 Gitarristen dürfte er eher nicht geeignet sein. Der Preis ist hoch, ohne Zweifel. Viel Alternativen gibt es aber bei frei verdrahteten Amps nicht. Außer, man greift selbst zum Lötkolben, aber ein Gehäuse und die Innerei + Speaker bekommt man auch nicht geschenkt.
Ich bin gespannt, welche Schätze Fender noch wiederbelebt.