Ich habe lange gezögert, ob ich diese Investition machen soll. Es ist schließlich "nur" ein Mikrofon. Dies sei aber vorweg genommen: ich habe mich gefragt, warum ich das nicht schon früher gemacht habe.
Vermutlich, weil es bis 2018 diese Reproduktion von Neumann nicht gab und man für ein Vintage Schätzchen noch tiefer in die Tasche greifen muss. Und man sich auch nicht sicher sein kann, nicht doch ein Aus-1-mach-3 Exemplar zu bekommen, wo das Innenleben aus Fernost kommt und nur der Body Original ist.... ;-)
Features: Mit den drei Richtcharakteristiken hat man genug Sound-Optionen und ist eigentlich für alle Aufgaben gut gerüstet. Pad Schalter und Lowcut sind ebenfalls mit dabei.
Im Koffer bekommt man alles unter und das Netzteil ist kleiner als gedacht. Kleiner Kritikpunkt: Öffnet man den Koffer, liegt das Mikro direkt mittig ganz oben und zum Aufbau muss es erst neben den Koffer gelegt werden, um dann erst an die Kabel zu kommen. Aber im Netz findet man ein für den Koffer passendes Holzetui, so daß das Mic noch sicherer verpackt werden kann.
Verarbeitung: Deutsche Ingenieurskunst, wie man sie heute eher selten findet. Alles ist sehr präzise und genau verarbeitet bis ins Detail. So sind zum Beispiel alle (!) Schlitzschrauben des Netzteils gleich waagerecht ausgerichtet (!!!).
Sämtlich Materialien sind sehr wertig und das Mikro sowie die Spinne fühlen sich unglaublich angenehm an.
Der Koffer ist ebenfalls sehr gut verarbeitet und ich habe bisher keinen Fehler auch nur im Ansatz erkennen können.
Sound: Der Sound ist einfach umwerfend. Egal vor welchem Instrument oder bei welcher Anwendung es eingesetzt wird, es macht immer eine gute Figur und man erhält ein vielzitiertes mixfertiges Signal. Da es ein Röhrenmikrofon in klassischer Verschaltung mit einem Ausgangsübertrager ist, wird der Klang gefärbt und bei etwas lauteren Signal gibt es eine schöne Portion Röhrenschmutz. Das ist aber nicht weiter tragisch, da es sehr musikalisch geschieht und man nie das Gefühl hat, das es zuviel ist. Trotz Röhre ist auch Rauschen bisher kein Thema gewesen.
Es ist dank seiner weichen Höhen und vollen (Röhren-)Mitten ein tolles Gesangsmikrofon, obwohl ich für den derben Metal-Sänger doch lieber das SM7B mit dem Distressor verwende....:-)
Als Closemic setze ich es gerne vor dem Gitarrenamp ein. Aber wie bereits erwähnt, egal bei welchen Instrument, das Ergebnis klingt umwerfend.
Leider habe ich keinen Vergleich zum Vintage Modell aus den 60ern, aber die Gelegenheit ergibt sich vielleicht ja noch...
Fazit: Um die Vorteile des U67 für sich voll nutzbar zu machen, muss natürlich auch der Rest der Aufnahmekette zum Mic passen. Was nützt mir ein sehr gutes Mikro, wenn der Musiker einen schlechten Tag hat oder die Wände des der Aufnahmeraum mit Eierkartons beklebt ist?
Ich habe mal gelernt, dass zum Gesamtsound folgende Faktoren gehören:
50% kommen vom Musiker, 20% vom Raum, in dem aufgenommen wird, 20% von der Mikrofon-Position und 10% vom gewählten Mikrofon.
Daher muss jeder selbst entscheiden, ob er für die letzten 10% ein Mikro dieser Preisklasse anschafft. Aber die letzten 10% machen aus einem guten Sound einen überragenden Sound.
Man erhält eine qualitativ sehr hochwertige Neuauflage des Vintage Klassikers der 1960er Jahre, das zu seiner Zeit auch einen Klassiker ersetzen durfte, nämlich das U47. Chapeau, Neumann!